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Mit der Abgabe von Fällen an den Ärztlichen Bereitschaftsdienst der KV hofft die Feuerwehr, die Überlastung des Rettungsdienstes in den Griff zu bekommen.

© dpa/ Fernando Gutierrez-Juarez

Update

Ausnahmezustand beim Rettungsdienst: Berliner Feuerwehr gibt Fälle ab – Bereitschaftsdienst spürt Folgen

Um die Krise des Berliner Rettungsdienstes zu mildern, übernimmt die Leitstelle der Kassenärztlichen Vereinigung Fälle. Das zeigt schnell Auswirkungen.

Die Veränderungen im Rettungsdienst der Berliner Feuerwehr haben bei der Leitstelle der Kassenärztlichen Vereinigung (KV) unmittelbar zu mehr Fällen geführt. Bereits am ersten Tag der Anpassung von Codes bei der Notrufannahme am vergangenen Montag sei die Zahl auf 160 gestiegen, teilte eine KV-Sprecherin auf Anfrage mit.

Zuvor hat die Leitstelle nach ihren Angaben im Schnitt täglich mehr als 100 Menschen übernommen, die den Notruf 112 gewählt haben und bei denen es nach Einschätzung der Feuerwehrleitstelle keine Hinweise auf einen Notfall gab.

Mit der Abgabe von Fällen an den Ärztlichen Bereitschaftsdienst der KV hofft die Feuerwehr, die Überlastung des Rettungsdienstes in den Griff zu bekommen. Ob die Feuerwehr dadurch bei der Zahl der Einsätze tatsächlich entlastet wurde, blieb aber unklar. So ist am Freitag gleich zwei Mal der Ausnahmezustand beim Rettungsdienst ausgerufen worden.

Und ob die KV tatsächlich auch mehr Patient:innen behandelt hat, die zuvor 112 gewählt hatten, wie viele an ihre Hausärzt:innen verwiesen wurden oder zu wie vielen ein Krankentransport geschickt wurde, ging aus der Darstellung der dpa nicht hervor. Erfahrungsgemäß rufen Hilfesuchende wegen langer Wartezeiten bei der KV dann doch wieder den 112-Notruf.

Die Ressourcen für Hausbesuche des ärztlichen Bereitschaftsdienstes sind jedenfalls begrenzt. Nach einer internen Stärkemeldung der Feuerwehr waren am Freitag von 7 bis 18 Uhr für ganz Berlin vier Autos des Bereitschaftsdienstes besetzt, von 17:30 bis 22 Uhr waren es sieben, in der Nachtschicht ab 19:30 Uhr waren es zwei bis 4 Uhr und ein Wagen bis 6 Uhr. Bereits 2016 war in einem Gutachten zum Berliner Rettungsdienst festgestellt worden, dass es zu wenige Ärzt:innen für den KV-Bereitschaftsdienst gibt.

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Die Leitstelle der KV ist rund um die Uhr über die Nummer 116117 erreichbar. Wer dort anruft, bekommt nach den Angaben eine erste medizinische Einschätzung. Je nach Erkrankung werden Patientin oder Patient in einer der elf Notdienstpraxen behandelt, es erfolgt ein Hausbesuch - oder im Notfall wird die Feuerwehr eingeschaltet. Viele Menschen rufen aber gleich die 112 an, so dass beim Rettungsdienst der Berliner Feuerwehr auch viele Bagatellfälle landen.

Bislang kam es trotzdem auch in solchen Fällen häufig zum Einsatz eines Rettungswagens (RTW). Dies sorgte für Kritik, weil sich der Rettungsdienst so quasi ständig im Ausnahmezustand befindet - und es teils keinen freien RTW mehr gab.

Um das künftig zu vermeiden, hat die Feuerwehr 14 Codes bei 112-Notrufen verändert, die Bestandteil eines standardisierten Computersystems sind, das abgefragt wird. Damit soll es etwa keinen Einsatz mehr geben bei Patient:innen mit allergischer Reaktion ohne Atembeschwerden oder mit einer geringfügigen Verbrennung. Insgesamt sind laut Feuerwehr nun 127 Codes festgelegt, bei denen eine Weiterleitung an die KV erfolgt.

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Man stehe dazu im engen Austausch und habe die Veränderungen im Vorfeld besprochen, erklärten Landesbranddirektor Karsten Homrighausen und der KV-Vorstand. Die Zahl der Abgaben an die KV ist nach deren Angaben kontinuierlich gestiegen. Allein im zweiten Quartal 2022 habe die Feuerwehr rund 3000 Anrufe an die Leitstelle abgegeben. Mit Blick auf die aktuellen Code-Anpassungen erwarte man mehr Fälle, hieß es.

KV-Vorstand: „Die Notfallversorgung ist bereits seit langem defizitär"

„Nach unserer aktuellen Einschätzung kann der Ärztliche Bereitschaftsdienst dieses Mehraufkommen bearbeiten. Wir werden die Lage aber sehr genau beobachten, um gegebenenfalls gegenzusteuern“, hieß es vom KV-Vorstand. Er forderte eine finanzielle Absicherung: „Die Notfallversorgung ist bereits seit langem defizitär. Hier sind jetzt die Krankenkassen am Zug.“

Nach Gewerkschaftsangaben sind die Feuerwehren bundesweit überlastet. „Egal ob in Hamburg, Berlin, Wiesbaden oder München, es fehlt überall an Rettungsmitteln für die Notfallrettung sowie den qualifizierten Krankentransport“, sagte Tobias Thiele, Pressesprecher der Deutschen Feuerwehrgewerkschaft. (Tsp,dpa)

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