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Am liebsten volle Pulle: 83 Prozent der Biermengen landen in Flaschen im Handel. Nur kleine Mengen werden in Dosen und Plastik-Gefäßen verkauft.

© imago images/Addictive Stock

Bier teurer zum Herrentag?: Brauer und Händler verstecken Preiserhöhungen hinter dem Ukraine-Krieg

Pünktlich zum Herrentag häufen sich Berichte über verteuerte Glasflaschen. Sie sollen Grund sein für teures Bier. Doch wie weit trägt das Argument?

Beim Thema Bier schäumt der Boulevard, seine Reporter haben Horden durstiger Leser auf dem Weg zum Herrentag fest im Blick: „Deutsche Brauereien warnen: Hilfe, Bierflaschen werden knapp!“ titelte der „Berliner Kurier“ schon Ende vergangener Woche. „Noch nie war Bier so teuer in Berlin. Viele Gaststätten haben in den vergangenen Monaten ihre Preise deutlich angezogen“, wusste die „B.Z.“ zu berichten – und fühlte Wirten bei der Gelegenheit auch auf den Zapfhahn. Ergebnis: Den halben Liter bekomme man in Bezirk Neukölln für 2,30 Euro, in Mitte koste er aber schon 5,60.

Die „Bild“ zitierte den Hauptgeschäftsführer des Deutschen Brauer-Bunds, Holger Eichele, mit der düsteren Prognose: „Je heißer der Sommer, desto schwieriger kann die Situation werden.“ Der Mann sehe die Lage „äußerst angespannt“.

Wer hinter diesen Berichten eine – in diesem journalistischen Metier gern gepflegte – maßvolle oder gar maßlose Übertreibung vermutet, liegt auf den ersten Blick falsch: Nachfragen bei einschlägigen Branchenkennern haben ergeben, dass Deutschlands Biertrinker in diesem Jahr tatsächlich deutlich mehr zahlen dürften als bisher.

Titelseite des „Berliner Kurier“ am 20. Mai 2022. „Deutsche Brauereien warnen: Hilfe Bierflaschen werden knapp“.
Titelseite des „Berliner Kurier“ am 20. Mai 2022. „Deutsche Brauereien warnen: Hilfe Bierflaschen werden knapp“.

© TSP/Alexander Fröhlich

Weinliebhaber, die nun achselzuckend fragen, was das mit ihnen zu tun habe, seien gewarnt, dass auch der Rebsaft sich verteuern dürfte. Darauf wies schon die „Badische Zeitung“ aus dem sonnenverwöhnten Freiburg im Breisgau hin. Und doch steckt hinter den Berichten oft nur die halbe Wahrheit.

Das „mögliche“ Gas-Embargo treibt den Preis

Die Gründe für die steigenden Preise von Alkoholika sollen von Baden über Bayern bis ins ehemalige Preußen dieselben sein: Glasflaschen werden teurer. Dahinter steckt zum Teil ist ein saisonales Phänomen, zum anderen Teil der Krieg in der Ukraine. Der Verband „Private Brauereien Bayern“, dessen Mitglieder auch gern und viel nach Berlin und Brandenburg liefern, erklärte der Nachrichtenagentur dpa, das in den Sommermonaten mehr Bier getrunken wird. Erschwerend kämen in diesem Jahr die stark gestiegenen Energiepreise und ein mögliches Gas-Embargo oder ein Gas-Lieferstopp aus Russland hinzu, sagte Verbandssprecher Benedikt Meier in München.

Glasflaschen würden unter Einsatz von Gas hergestellt, der Preis sei stark in die Höhe gegangen. Eine neue Glasflasche sei etwa doppelt so teuer wie das Pfand, den die Brauerei dafür verlangen könne. Es sei zu befürchten, dass die eine oder andere Brauerei Leergutprobleme bekommen könnte, sagte Meier. Dabei spielten auch die Vertriebswege eine Rolle. Die kleinen und mittelständischen Brauereien, die im Radius von 50 Kilometern um den Standort ihr Bier vertreiben, erhielten in der Regel schneller Leergut zurück.

Bierflaschen und ein Schild mit der Aufschrift „Frei statt Bayern - Franken“ auf der Bayerischen Landesausstellung in Ansbach.
Bierflaschen und ein Schild mit der Aufschrift „Frei statt Bayern - Franken“ auf der Bayerischen Landesausstellung in Ansbach.

© dpa/Nicolas Armer

„Wir können bestätigen, dass die Energiepreise für die Herstellung von Glas in den vergangenen Monaten stark gestiegen sind – zeitweise um bis zu 500 Prozent im Vergleich zum Vorjahr“, schrieb Dorothée Richardt vom Bundesverband der Glasindustrie (BV Glas) dem Tagesspiegel am Dienstag. Hersteller von „Glasverpackungen“, wie man Flaschen in diesem Industriezweig auch nennt, seien dadurch stark belastet. Dies betreffe alle Arten von Behälterglas, da der Herstellungsprozess – die Schmelze bei Temperaturen bis zu 1600 Grad Celsius – bei allen Glasverpackungen gleich sei.

„Inwieweit die Hersteller die gestiegenen Energiekosten an die Kunden weitergeben, können wir als Verband nicht beurteilen, da wir kein Marktteilnehmer und nicht mit der Preisbildung befasst sind“, sagte die Sprecherin. Man beschäftige sich mit der Thematik in Hinblick auf die Energiekosten und die Versorgungssicherheit mit Erdgas.

Russland und Ukraine sind große Flaschenproduzenten

Diese ist spätestens seit dem Überfall der russischen Armee auf die Ukraine zumindest gefährdet. Preise für den Rohstoff waren in Erwartung eines Konflikts schon vor Ausbruch des Krieges gestiegen und hatten so die Bierflaschenkrise mittelbar verschärft. Wie der Verband erklärt, ist der Krieg aber auch unmittelbar ein Problem geworden. Denn der deutsche Glasverpackungsmarkt werde nicht nur von den Unternehmen, die in Deutschland produzieren, bedient, sondern auch von Exporten aus dem Ausland. Allein aus der Ukraine seien im Jahr 2021 740.000 Tonnen Glasverpackungen exportiert worden, aus Russland waren es 430.000 Tonnen, wie es in einer Analyse des BV Glas heißt.

Die dort noch verfügbaren Kapazitäten gehen nicht mehr in den Export

Stellungnahme des BV Glas über Bierflaschen aus der Ukraine

Die Kapazitäten auf dem ukrainischen Markt seien durch den Krieg stark reduziert, da Glaswerke beschädigt worden seien oder unter den gegebenen Umständen geordnet heruntergefahren wurden, heißt es beim BV Glas. „Die dort noch verfügbaren Kapazitäten gehen nicht mehr in den Export, sondern decken den Bedarf der Bevölkerung vor Ort ab.“

Ähnliches sei in anderen osteuropäischen Ländern der Fall. Auch diese exportierten deutlich weniger Glasverpackungen nach Deutschland. „Außer Glasverpackungen sind auch andere Produkte der Wertschöpfungskette betroffen, so dass sich ein Kaskadeneffekt über die gesamte Lieferkette aufgebaut hat.“

Viele Marktbeobachter erwarten, dass das Problem jetzt durch die gesamte Wertschöpfungskette wandert bis zum Endkunden. Tobias Teubner, Pressesprecher des lokalen Marktführers, der Berliner-Kindl-Schultheiss-Brauerei in Hohenschönhausen, will jedoch noch keinen Blick in die Kalkulation gewähren. „Inwieweit sich die Kostenentwicklung bei Neuglas, aber auch in anderen Beschaffungsmärkten wie Rohstoffe, Transport, Strom und Gas, Tarife et cetera auf die Preiskalkulation bei Getränkeherstellern und Brauereien niederschlägt, wird sich zeigen.“

Bierflaschenkisten in einem Getränkemarkt: Der Bier-Absatz ist seit Jahrzehnten rückläufig.
Bierflaschenkisten in einem Getränkemarkt: Der Bier-Absatz ist seit Jahrzehnten rückläufig.

© TSP/Moritz Honert

Jedes Unternehmen werde für sich kalkulieren und entscheiden müssen, ob eine Anpassung der Abgabepreise ab Rampe geboten sei und dann aus kartellrechtlichen Gründen zunächst seine Absatzmittler informieren – also die Partner des Handels, des Getränkefachgroßhandels und der Gastronomie. „Davon machen wir keine Ausnahme.“ Getränke Hoffmann, eine der führenden Handelsketten in Berlin, ließ eine Anfrage des Tagesspiegels zum Thema unbeantwortet.

Es scheint, als käme einigen Brauereien wie Händlern die Aufregung um Glasfalschen gelegen, lässt sich mit dem Thema doch eine Preiserhöhung gut begründen und so die Marge ein wenig steigern. Denn die Tatsache, dass Brauer eine Pfandflasche beim Hersteller nur ein mal kaufen müssen, diese im Schnitt aber ungefähr 30 mal an Kunden ausliefern können bevor sie ihre Stabilität verliert und ausgetauscht werden muss, fällt oft untern den Tisch.

Wie bei allen Gütern in einer Marktwirtschaft gilt zudem das Prinzip von Angebot und Nachfrage als wichtiges Kriterium - ein Mangel bei hoher Nachfrage treibt den Preis. Tatsächlich sinkt die Nachfrage nach Bier aber seit Jahrzehnten stetig: Wurden 1994 in Deutschland noch gut 107 Millionen Hektoliter Bier den den Herren und die Dame gebracht, waren es im vergangenen Jahr 2021 nicht einmal mehr 70 Millionen Hektoliter (= 100 Liter).

Kurzum: Bier wäre genug da. Produzenten wie Getränkehändler riskieren mit Preiserhöhungen wegen der Flaschenpreis-Krise aber nur, dass noch mehr Damen und Herren nicht nur am Herrentag zu anderen Getränken greifen.

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