zum Hauptinhalt
Fehlt nur noch der Stoff. Größere Unternehmen in der Region Berlin und Brandenburg verfügen über die Infrastruktur, um binnen weniger Wochen Zehntausende Mitarbeitende gegen das Coronavirus zu impfen.

© Imago/ Frank Sorge

Tagesspiegel Plus

Impfzentren, Impfstraßen, Familienmitglieder: Wie Betriebsärzte die Corona-Impfkampagne voranbringen könnten

Viele Arbeitgeber sind auf Massenimpfungen der Belegschaft vorbereitet. Bringen sie die Wende im Kampf gegen Corona?

Um mehr Tempo bei den Impfungen gegen Covid-19 zu machen, stehen nahezu alle großen Unternehmen in der Region bereit, um ihre Beschäftigten mit Hilfe von Betriebs- oder Werksärzten immunisieren zu lassen. Die chemisch-pharmazeutische Industrie hat bereits frühzeitig ein eigenes Konzept entwickelt, das dem Tagesspiegel vorliegt. In dem Papier wird konkret beschrieben, wie das Prozedere im Einzelnen mit Hilfe von Betriebsärzten ablaufen kann.

Man schätze, dass rund 10.000 bis 12.000 Mitarbeitende der eigenen Branche geimpft werden könnten. So werde ein „substanzieller Beitrag zur Beschleunigung der Impfkampagne geleistet“, sagte Nora Schmidt-Kesseler, Hauptgeschäftsführerin der Nordostchemie-Verbände.

Die Ressourcen des Landes Berlin und der Gesundheitsverwaltung entlasten

Zudem könnten die 44 Betriebe, die zur chemisch-pharmazeutischen Industrie gehören (mit je 20 Beschäftigten und mehr) ihr technisches und wirtschaftliches Potenzial einbringen – unter anderem auch Tupfer, Kanülen oder Spritzen – und mit den besonderen Kenntnissen ihrer Mitarbeitenden „die Ressourcen des Landes Berlin und der Gesundheitsverwaltung insgesamt entlasten“.

Auch viele andere große Arbeitgeber in der Region, darunter Landesbetriebe wie BVG und BSR bereiten sich auf Impfungen vor, sagte ein Sprecher der Unternehmensverbände Berlin-Brandenburg (UVB).

Vier bis sechs Wochen dauern die Betriebsimpfungen laut Nordostchemie-Verbände

Die Nordostchemie-Verbände gehen in ihrem Konzept davon aus, dass die Impfung der Mitarbeitenden vier bis sechs Wochen in Anspruch nehmen wird. Die Aktion solle sich zunächst auf die Mitarbeiter von Unternehmen der chemisch-pharmazeutischen Industrie und die dort beschäftigten Dienstleister beschränken, deren regelmäßiger Arbeitsort sich in Berlin befindet. Sind alle durchgeimpft, könne das Angebot gegebenenfalls auch auf Familienmitglieder erweitert werden.

Für die Mitarbeiter ist die Impfung freiwillig.

Nora Schmidt-Kesseler, Hauptgeschäftsführerin der Nordostchemie-Verbände

Die Verbände der Nordostchemie beziehen sich dabei auf Paragraph 6 (1) der Corona-Impfverordnung vom 10. März 2021, wonach beauftragte Arztpraxen und Betriebsärzte die Impfungen durchführen können. „Die Beauftragung gilt demnach als erteilt, soweit Impfstoffe an betroffene Arztpraxen und Betriebsärzte“ zur Verfügung gestellt werden.

Empfohlener redaktioneller Inhalt

An dieser Stelle finden Sie einen von unseren Redakteuren ausgewählten, externen Inhalt, der den Artikel für Sie mit zusätzlichen Informationen anreichert. Sie können sich hier den externen Inhalt mit einem Klick anzeigen lassen oder wieder ausblenden.

Ich bin damit einverstanden, dass mir der externe Inhalt angezeigt wird. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen übermittelt werden. Mehr Informationen dazu erhalten Sie in den Datenschutz-Einstellungen. Diese finden Sie ganz unten auf unserer Seite im Footer, sodass Sie Ihre Einstellungen jederzeit verwalten oder widerrufen können.

„Für die Mitarbeiter ist die Impfung freiwillig“, sagte Schmidt-Kesseler. Die größeren Unternehmen seien mit eigenen Betriebsärzten selbstständig in der Lage und bereit, den Impfprozess zu organisieren. Zudem wird in dem Konzept angestrebt, in nicht voll ausgelasteten Impfzentren oder in ausgewählten Unternehmen spezielle „Impfstraßen“ einzurichten.

In dem Konzept werden spezielle „Impfstraßen“ angestrebt

Dort könnten auch Betriebsmediziner mehrerer Unternehmen in Schichten arbeiten, heißt es in dem Konzept. Allerdings müsse sichergestellt sein, dass der Bund die Kosten für den Impfstoff trägt. Weitere, die für die Mitarbeitenden anfallen, würden die Unternehmen tragen.

Auch bei Rolls Royce im brandenburgischen Dahlewitz habe man ein Konzept für die Impfungen durch Betriebsärzte entworfen. Die Vorbereitungen liefen, hieß es.
Auch bei Rolls Royce im brandenburgischen Dahlewitz habe man ein Konzept für die Impfungen durch Betriebsärzte entworfen. Die Vorbereitungen liefen, hieß es.

© Bernd Settnik/dpa

Ein Sprecher des Rolls-Royce-Werks in Dahlewitz teilte mit, dass der Großbetrieb ein entsprechendes Konzept entworfen habe, wie eine Impfung der Mitarbeiter mit Unterstützung der Betriebsärzte umgesetzt werden könnte. Die entsprechenden Vorbereitungen liefen, man stehe für den Impfstart bereit, sagte Sprecher Stefan Wriege.

Bei den landeseigenen Berliner Verkehrsbetrieben (BVG) „fehlen nur noch die Impfstoffe, unsere Betriebsärzte sind bereit“, sagte Sprecherin Petra Nelken. Die Betriebsärzte impften ohnehin die Belegschaft – immerhin 15.000 Beschäftigte – jedes Jahr gegen die Grippe. „Die würden auch diese Aufgabe gern übernehmen“, sagte Nelken.

Das Equipment bei der BVG ist vorhanden – die Fahrer:innen werden regelmäßig untersucht

Logistisch sei das überhaupt kein Problem. Ähnlich wie bei der Grippeschutzimpfung müssten sich die Mitarbeitenden für einen Termin anmelden und würden dann entweder im Verwaltungsgebäude oder auf einem Betriebshof gegen Corona immunisiert. Das Equipment sei vorhanden, die rund sechs Betriebsärzte seien gut ausgestattet, sie untersuchten regelmäßig Fahrer:innen der BVG. Lediglich wenn die Impfstoffe eine Kühlvorrichtung benötigten, müsse diese noch organisiert werden.

Bei der BVG könnten die rund 15.000 Beschäftigten auf den Betriebshöfen oder im Verwaltungsgebäude nach einer Terminvergabe von Betriebsärzten immunisiert werden.
Bei der BVG könnten die rund 15.000 Beschäftigten auf den Betriebshöfen oder im Verwaltungsgebäude nach einer Terminvergabe von Betriebsärzten immunisiert werden.

© Jürgen Heinrich/imago

Auf die bisherigen Erfahrungen mit den Grippeschutzimpfungen wies auch die Sprecherin der landeseigenen Berliner Stadtreinigung (BSR), Sabine Thümler, hin. Sobald der Impfstoff verfügbar ist, „werden wir gern auch betriebsintern impfen“. Der betriebsärztliche Dienst der BSR entwickele gerade ein Impfkonzept, „was natürlich bei einem so dezentral strukturierten Unternehmen nicht ganz so einfach ist“, sagte Thümler.

Siemens bietet seit Jahren bereits seinen Mitarbeitenden Schutzimpfungen bei Dienstreisen und Grippeimpfungen an.

Christian Datzer, Siemens-Sprecher

Durch die Impfung im Betrieb könne die allgemeine Impfgeschwindigkeit erhöht werden, betonte auch sie. „Allerdings weisen wir derzeit unsere Mitarbeitenden darauf hin, nicht auf die Impfmöglichkeit zu warten, sondern vorhandene Impfmöglichkeiten zu nutzen.“ Menschen mit Vorerkrankungen sollten von der Möglichkeit Gebrauch machen, sich von den Hausärzten immunisieren zu lassen.

Der Technologiekonzern Siemens, der an verschiedenen Standorten in der Hauptstadt präsent ist, stehe ebenso bereit, „innerbetrieblich zu impfen, sobald das möglich ist. Hierauf bereiten wir uns vor“, sagte Sprecher Christian Datzer. Man sei mit den Arbeitgeberverbänden BDA und BDI im Austausch.

Sobald die Impfdosen zur Verfügung stünden und die Bedingungen geklärt seien, könne es losgehen. Auch der Siemens-Sprecher wies darauf hin, dass Siemens bereits seit Jahren seinen Mitarbeitenden für Schutzimpfungen für Dienstreisen, aber auch Grippeimpfungen anbiete.

Je nach Standortgröße können Beschäftigte im Fünfminutentakt aufgeklärt und gegen das Coronavirus immunisiert werden.

Thomas C. Rosenthal, Daimler-Sprecher

Beim Bahntechnik-Hersteller Alstom, der das Bombardier-Werk in Hennigsdorf übernommen hat, hieß es: „Mit dem Roll-out der Impfstoffe an Hausärzte haben wir uns als Alstom frühzeitig Gedanken über Impfungen durch unsere arbeitsmedizinischen Abteilungen an den Standorten gemacht“, sagte Sprecher Stefan Brauße.

Man sei gerade dabei, ein internes Impfkonzept für die knapp 10.000 Mitarbeitenden in ganz Deutschland zu erstellen. „Dabei priorisieren wir ebenso nach Risikogruppen und Alter wie derzeit gesetzlich vorgeschrieben. Wir beginnen mit dem Impfen, sobald die Verfügbarkeit des Impfstoffes an unseren Standorten sichergestellt ist“, sagte Brauße.

Auch Daimler, in der Region beispielsweise mit dem Mercedes-Werk in Ludwigsfelde vertreten, werde mit einem umfassenden Impfprogramm für die Beschäftigten beginnen. Je nach Standortgröße gebe es unterschiedlich viele „Impfstraßen“, in denen im Fünfminutentakt die Beschäftigten aufgeklärt und gegen das Coronavirus immunisiert werden könnten, sagt Sprecher Thomas C. Rosenthal. Die Impfung werde vom medizinischen Fachpersonal des Werksärztlichen Dienstes vorgenommen.

Daimler beschäftigt an seinen Standorten in Deutschland insgesamt mehr als 70 Betriebsärzte und mehr als 200 medizinische Fachangestellte. Für die Impfkampagne werde Daimler darüber hinaus auch mit externen medizinischen Dienstleistern zusammenarbeiten.

Der stellvertretende UVB-Geschäftsführer Alexander Schirp fasste es so zusammen: „Wir brauchen vor allem mehr Impfstoff, damit die Betriebsärzte einen Beitrag leisten können.“ Mehr Tempo beim Impfen sei der Schlüssel, um die Pandemie schnell zu überwinden. Die Betriebsärzte – neben den Hausärzten – in die Impfkampagne einzubinden hielten die UVB für einen „dringend notwendigen Schritt“.

Zur Startseite