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1,50 Meter Abstand beim Überholen: Dieser Autofahrer hält sich nicht an die gesetzliche Vorschrift. Kontrolliert wird das nicht.

© imago images/Sabine Gudath

Behörde hat keine Messgeräte: Berliner Polizei kann Überholabstand zu Radfahrern nicht kontrollieren

Die Polizei kann den Abstand zu Radfahrern nicht systematisch verfolgen. Angeblich fehlen zugelassene Geräte. Der ADFC-Vorstand zweifelt, ob es nur daran liegt.

Dicht überholende Autos – das ist für Radfahrer eine der größten Ängste im Straßenverkehr. Doch genau dieses Delikt kann nicht systematisch kontrolliert werden: Die Berliner Polizei hat kein Gerät zur Abstandsmessung.

„Es existiert zurzeit kein Messsystem zur Überwachung des seitlichen Überholabstands auf dem deutschen Markt“ mit den entsprechenden Zulassungen, heißt es in einem Schreiben des Polizeipräsidiums an Christian Storch aus dem Berliner Vorstand des Allgemeinen Deutschen Fahrrad-Clubs (ADFC).

Deshalb seien „gegenwärtig lediglich Abstandsschätzungen möglich“, schreibt die Polizei weiter. Storch hat die Auskunft über das Informationsfreiheitsgesetz eingeholt, die Antwort hat er jetzt bei Twitter veröffentlicht.

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Unklar bleibt in der Antwort, ob es überhaupt eine einzige Anzeige gegen einen Autofahrer wegen zu geringen Überholabstands gab. Denn dies ist im Bundeseinheitlichen Tatbestandskatalog der Verkehrsordnungswidrigkeiten nicht erfasst. Deshalb sei „keine verbindliche statistische Recherche nach Kontrollen, Verstößen und Bußgeldern möglich“, schreibt das Präsidium weiter.

Vorgeschrieben ist innerorts ein Mindestabstand von 1,5 Metern zwischen überholendem Auto und Fahrrad – jeder Radfahrer weiß, dass dies nur selten eingehalten hat. 2018 hatte der Tagesspiegel mit dem Projekt „Radmesser“ erstmals Daten erhoben. 100 Testradler bekamen einen speziell entwickelten Sensor an den Gepäckträger montiert.

Gemeinsam legten sie 13.300 Kilometer in Berlin zurück, anschließend wurden 16.700 Überholvorgänge ausgewertet: 9400 waren zu eng, 3019 sogar mit weniger als einem Meter. Die Ergebnisse wurden später durch eine Studie der Unfallforschung der Versicherungswirtschaft bestätigt.

Verkehrsverwaltung nutzte Radmesser-Daten

Die Tagesspiegel-Daten wurden übrigens von der Senatsverkehrsverwaltung genutzt, als Autofahrer 2020 die Pop-up-Radwege in Berlin (letztlich vergeblich) wegklagen wollten. Eine Weiterentwicklung der Idee („Open Bike Sensor“) hat den „Deutschen Fahrradpreis“ 2022 gewonnen. In den USA wird ein derartiges Gerät bereits von einzelnen Polizeien eingesetzt.

ADFC-Vorstand Storch schlussfolgert: „2018-2022 exakt 0 Überholabstandsmessungen“. Wohingegen andere Polizeien fehlenden Abstand sehr wohl gezielt ahnden würden, etwa in Sachsen und in Hamburg. Storch zweifelt, ob es nur die fehlenden Geräte sind: „Oder liegt es am Willen?“

Mehr Abstand mit Nudeln aus dem Schwimmbad, hier auf einer Demo in Kreuzberg.
Mehr Abstand mit Nudeln aus dem Schwimmbad, hier auf einer Demo in Kreuzberg.

© Netzwerk Fahrradfreundliches Friedrichshain-Kreuzberg

In den vergangenen Jahren hatte der ADFC zu mehreren „Poolnudel“-Demonstrationen aufgerufen. Die Schaumstoffstangen aus dem Schwimmbad wurden am Gepäckträger angebracht, um den vorgeschriebenen Abstand zu verdeutlichen.

Laut Berliner Polizei findet die Überwachung „täglich im Rahmen der allgemeinen Verkehrsüberwachung statt“. Zahlen nennt das Präsidium nicht. Zu enger Überholabstand ist keine der „Hauptunfallursachen gegenüber Radfahrern“. Dies sind Abbiegefehler, gefolgt von (mit Abstand) Vorfahrtsmissachtung und das Aufreißen von Autotüren.

Die Polizei-Statistik deckt sich nicht mit den Ängsten der Radfahrer. Das „Radmesser“-Projekt hatte 5000 Radfahrer befragt, 42 Prozent gaben an, mit „relativ viel Angst“ unterwegs zu sein. Meistgenannter Grund mit 91 Prozent: Autos, die zu dicht überholen.

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