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So wild spielt meistens nur der Opa mit den Enkeln.

© mauritius images / Westend61

„Jenieß dein kleenet Leben“: Vier erwachsene Enkel erzählen, was sie von ihren Großeltern gelernt haben

Beziehungen zu den eigenen Großeltern können wunderbar sein und fürs ganze Leben prägen. Vier erwachsene Enkel erzählen, wieso ihnen Oma oder Opa so viel bedeuten.

Wenn erwachsene Kinder selbst Kinder bekommen, treten nicht selten Konflikte mit den eigenen Eltern auf. Oft geht es dabei um die Erziehung der Enkel. Auch Schwiegereltern müssen oft Kritik einstecken. Viele vergessen dabei, wie sehr ihre Kinder von den Großeltern profitieren können, gerade weil sie einer anderen Generation angehören. Hier erzählen vier Erwachsene, wie Oma und Opa ihr Leben geprägt haben und wieso sie noch heute so gerne an diese Beziehungen denken.

Zum Frühstück gab es immer eine warme Milch.

Mareike, 27 Jahre

„Ich liebe meine Großeltern sehr und fühle mich ihnen stark verbunden. Das hängt sicher damit zusammen, dass ich seit frühester Kindheit viel Zeit mit ihnen verbracht habe. Schon im Kindergartenalter habe ich immer freitags bei ihnen übernachtet. Mein Opa hat mich von der Kita und später von der Schule abgeholt und ich war den gesamten Samstag bei ihnen. Ich hatte dort auch ein eigenes Zimmer. Wenn ich krank war, haben meine Eltern mich morgens zu Oma und Opa gefahren und die beiden haben mich bekümmert. Zum Frühstück gab es immer eine warme Milch für mich, auch in späteren Jahren, als ich schon volljährig war. Zu der Zeit bin ich nämlich oft nach dem Ausgehen zu ihnen gefahren und durfte ausschlafen, so lange ich wollte.

Meine Großeltern haben immer viel mit mir unternommen, wir sind auch gemeinsam verreist. Ich erinnere mich, wie mein Opa mir beim Spazierengehen die Zahlen beigebracht hat. Auch schwimmen habe ich von ihnen gelernt. Inzwischen sind die beiden über 80, kümmern sich aber immer noch einmal in der Woche um meine eigenen Kinder, ihre Urenkel, die fünf und zwei Jahre alt sind.

Wenn ich an meine Großeltern denke, fällt mir als Erstes ihre große Fürsorglichkeit ein. Sie sind die herzlichsten Menschen, die ich kenne. Ich glaube, ich habe in der Hinsicht viel von ihnen gelernt. Auch ich versuche, mein Haus zu einem Ort zu machen, an dem Besucher immer herzlich willkommen sind. Ich bin auch stolz auf meine Großeltern. Als ab 2015 viele Geflüchtete nach Deutschland kamen, hat meine Oma gratis Deutschkurse gegeben, auch wenn einige ihrer Freunde da andere Meinungen hatten. Das ist noch so ein Punkt, den ich von Oma und Opa gelernt habe: Meine Interessen und Meinungen zu vertreten, auch wenn es Gegenwind gibt.

Man sagt ja, Menschen werden im Alter oft stur und festgefahren. Auf meine Großeltern trifft das nicht zu, die werden immer entspannter und offener. Dass mein Sohn Kleider und Röcke seiner großen Schwester aufträgt, fanden sie erst gewöhnungsbedürftig. Doch dann haben sie sich einfach damit abgefunden.“

Großeltern sind weniger gestresst als die Eltern und können sich besser auf sie einstellen.
Großeltern sind weniger gestresst als die Eltern und können sich besser auf sie einstellen.

© mauritius images / Maskot


Die Wohnung meiner Oma war mein Zufluchtsort.

Kathleen, 39 Jahre

„Ich bin in Ostberlin geboren. Meine Mutter war bei meiner Geburt erst 21 Jahre alt, mein Vater hat sich kurz darauf verkrümelt. Wir haben zu dritt in einer Zweizimmerwohnung gelebt – meine Oma, meine Mutter und ich. Wie es in der DDR üblich war, hat meine Mutter sehr früh wieder gearbeitet. Ich kam in die Krippe und meine Oma hat sich viel um mich gekümmert. Sie war wie ein zweites Elternteil für mich.

Als ich drei war, ist sie in eine eigene Wohnung gezogen, die allerdings im selben Haus wie unsere war. Ich erinnere mich sehr gerne an das Zusammensein mit ihr. Wir waren oft im Tierpark. Zuhause hat sie meist Tee gemacht, wir haben Karten gespielt und zusammen Kreuzworträtsel gelöst. Auch Fernsehen haben wir gerne geguckt, vor allem Sportsendungen. In den Schulferien war ich fast täglich bei ihr.

Nach der Wende hat meine Mutter einen Mann kennengelernt und wir sind zu ihm in den Berliner Süden gezogen. Leider entpuppte er sich als Tyrann, es gab viel Streit zu Hause. Auch in der Schule lief es nicht gut, ich wurde von anderen Kindern wegen meiner Ost-Herkunft und meiner guten Noten gehänselt. Die Wohnung meiner Oma war mein Zufluchtsort. Sie hat sich übrigens nie in die Beziehung meiner Mutter eingemischt oder vor mir etwas Schlechtes darüber gesagt, was ich ihr hoch anrechne.

Als ich zwölf Jahre alt war, ist meine Oma gestorben. Ich bin ihr bis heute sehr dankbar. Vor allem, weil sie alles, was sie für mich getan hat, so selbstverständlich tat. Ich hatte nie das Gefühl, ihr eine Last zu sein, ich war eher wie ihr eigenes Kind. Meine Mutter ist leider schon tot, sie wäre bestimmt eine ebenso tolle Oma für meine Kinder, jetzt zwei und vier Jahre alt, geworden. Die Eltern meines Mannes sind zwar auch nett, aber ich vermisse bei ihnen die Selbstverständlichkeit meiner Oma.

Sollte ich selbst einmal Großmutter werden, möchte ich wie meine Oma sein. Ich möchte meine Kinder mit den Enkeln unterstützen, gleichzeitig ihre Meinung respektieren und mich nicht in Erziehungsfragen einmischen. Für meine Enkel möchte ich immer da sein, wenn sie mich brauchen.“ (*Name geändert)

Immer ein offenes Ohr: Das schätzen kleine Enkelkinder.
Immer ein offenes Ohr: Das schätzen kleine Enkelkinder.

© mauritius images / Westend61


Beim Märchenvorlesen hat sie Stimmen imitiert und am Esstisch hat Shakespeare rezitiert.

Julia, 37 Jahre

„Ich hatte zwei Großeltern – meine leibliche Oma Alice und ihre Partnerin Uschi, mit der sie zusammenlebte. Weil meine Mutter alleinerziehend war, habe ich viel Zeit bei den beiden verbracht. Zunächst in ihrer Wohnung in Berlin. Später sind sie in ein Bauernhaus im Wendland gezogen, dort war ich dann immer in den Ferien.

Alice hat gerne gekocht und gegärtnert, Uschi hat gerne gegessen und Geschichten erzählt. Sie haben sich sozusagen perfekt ergänzt. Von Uschi habe ich gelernt, dankbar für kleine Dinge zu sein. Sie hat im Krieg schlimme Dinge erlebt, später ein Baby verloren. „Jenieß dein kleenet Leben“ hat sie immer zu mir gesagt. Sie konnte traurige Dinge so erzählen, dass man trotzdem lachen musste.

Von Alice habe ich kochen, backen und gärtnern gelernt. Ich könnte zum Beispiel heute noch Kartoffeln anbauen, das können nicht viele Stadtkinder von sich behaupten. Alice war früher Theaterschauspielerin und ist es irgendwie immer geblieben. Beim Märchenvorlesen hat sie Stimmen imitiert, am Esstisch Shakespeare rezitiert. Sie war wahnsinnig stolz, als auch ich einen der begehrten Plätze an einer Schauspielschule bekommen habe. Leider ist sie in meinem letzten Studienjahr gestorben. Mein erstes Engagement hat sie nicht mehr erlebt, aber ich hatte beim Vorspielen ein Foto von ihr in der Tasche.

Ich denke oft an meine Großeltern und vermisse sie sehr. Ich konnte sie immer anrufen, wenn ich traurig war. Ein wenig haben sie mir auch den fehlenden Vater ersetzt. Nur eine Sache war schlimm für meine passionierte Fleischesser-Oma Alice: Ich bin als Teenager Veganerin geworden. Sie hat noch jahrelang versucht, mir Schweineschmalz in den Rotkohl zu mischen.“ (Julia, 37)


Großeltern können Talente entdecken und fördern.
Großeltern können Talente entdecken und fördern.

© imago images / MITO

Mein Opa hat meine kreative Ader gefördert.

Thomas, 48

„Meine Großeltern mütterlicherseits haben in einer Kleinstadt im Erzgebirge gewohnt, zwei Fahrstunden von meinem Heimatort Dresden entfernt. Meine Eltern, mein Bruder und ich haben oft die Wochenenden dort verbracht oder die Ferien. Die beiden lebten in einem alten Haus und ich kann mich noch heute erinnern, wie es dort gerochen hat. Nach bestimmten Gerichten, die meine Oma gekocht und gebacken hat, oder im Sommer nach der Jauchegrube. Wenn ich heute Essigsud rieche, denke ich an ihr Haus und den Karpfen Blau, den es dort oft gab.

Meine Oma war der emotionale Anker der Familie. Mit ihr verbinde ich den Begriff „gütig“. Sie war gläubig und hatte eine tiefe, ruhige und warmherzige Ausstrahlung. Wenn es mal Streit gab, war sie es, die alles wieder ins Lot gebracht hat. Zu meinem Opa hatte ich eine enge Beziehung. Ich erinnere mich an lange Spaziergänge, bei denen er mir aus seinem Leben erzählt hat. Von seinen Streichen als Schuljunge, seinem Lehrerstudium, auch von Krieg und russischer Gefangenschaft. Wir haben auch viel zusammen gezeichnet, er hat meine kreative Ader gefördert. Heute arbeite ich als Produktdesigner.

Meine Großeltern waren sicher nicht perfekt. Mein Opa konnte cholerisch sein, und sie haben von uns Enkeln auch eine gewisse Disziplin erwartet. Ich glaube, was die gute Beziehung ausgemacht hat, war die Tatsache, dass sie Kinder ernst genommen haben. Mein Opa hat mir immer zugehört und mir das Gefühl gegeben, dass er sich für meine Gedanken interessiert.

Ich hatte nicht das Gefühl, nur für bestimmte Leistungen gemocht zu werden, sondern einfach als Thomas. Wenn ich mal etwas falsch gemacht habe, wurde es schnell verziehen. So wertschätzend möchte ich auch meinem eigenen Sohn begegnen, der jetzt fünf Jahre alt ist. Er soll sich von mir so akzeptiert fühlen, wie er ist und das Gefühl haben, dass seine Gedanken und Meinungen etwas zählen.“

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