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Mit der Umbenennung des Heinrichplatzes an der Kreuzberger Oranienstraße wurden auch neue Schilder mit der Aufschrift „Rio-Reiser-Platz“ installiert. 

© Marvin Wenzel

Umbenennung in Rio-Reiser-Platz: „Es wurde eine Ausnahme für eine queere Persönlichkeit gemacht“

Der Heinrichplatz heißt nun Rio-Reiser-Platz – das erste Mal wurde im Bezirk ein Platz nach einer queeren Person benannt. Mehrere Tausend Menschen feierten, doch nicht alle finden die Umbenennung gut.

Der kleine Platz im Herzen Kreuzbergs ist schon vor Beginn des Konzerts randvoll. Dicht an dicht stehen die Menschen, über ihren Köpfen ragt das neue Schild: Rio-Reiser-Platz. Rio Reiser, geboren als Ralph Christian Möbius, war von 1970 bis 1985 Sänger der Rockband Ton Steine Scherben. 

Es ist der erste Platz im Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg, der nach einer queeren Person umbenannt wurde: Am Sonnabend wurde er mit einem Konzert von Ton Steine Scherben und prominenten Gästen feierlich eingeweiht. Auch ein Gedenkzeichen wurde enthüllt. Die Veranstaltung stieß auf mehr Interesse als erwartet: Das Bezirksamt schätzte am Abend 4000 bis 5000 Besucher:innen – „mehr als die 200, von denen wir erst ausgegangen sind“. 

Die verbliebenen Mitglieder von Ton Scheine Scherben spielten ihrem 1996 verstorbenen Sänger zu Ehren, die Drag Queen und DJane Gloria Viagra moderierte die Band an: „Rio hat gegen ein System gekämpft, das uns kaputt macht - den scheiß Kapitalismus.“ Beifall. Anschließend ertönt das Gitarrenintro des Songs „Mein Name ist Mensch“. 

Auf dem neuen Rio-Reiser-Platz feierten am Sonntagabend laut Bezirksamt etwa 5000 Menschen. 
Auf dem neuen Rio-Reiser-Platz feierten am Sonntagabend laut Bezirksamt etwa 5000 Menschen. 

© Marvin Wenzel

Die Zuschauer:innen sangen direkt mit, unter ihnen einige Fans, die schwarze T-Shirts mit der weißen Aufschrift “Rio Reiser” auf dem Rücken tragen. Bei Hits wie „Guten Morgen“ und „Wir müssen hier raus“ sind sie textsicher und brüllen beim „Rauch-Haus-Song“, der zur Hausbesetzer:innen-Hymne wurde: „Das ist unser Haus!“ 

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Nach dem Konzert spricht Bezirksbürgermeisterin Clara Hermann (Grüne): „Rio Reiser prägte mit seinen unverwechselbaren Liedern den gesellschaftlichen Sound Kreuzbergs: alternativ und avantgardistisch, manchmal rotzig, manchmal anrührend, aber eben immer Kreuzberg“, sagte sie. 

Typisch kreuzbergisch reagierte ein Großteil des Publikums auf Claudia Roth (Grüne), ehemalige Managerin der Band: Zu Beginn erntete die Kulturstaatsministerin Buhrufe und Pfiffe („Hau ab!“ und „Rio hätte dich aus Kreuzberg geschmissen.“). „Nein, ich hau nicht ab!“, konterte Roth. Sie sprach von alten Zeiten auf Tour mit den „Scherben“ und dem wichtigen politischen Engagement der Band. „Rio war einer der ersten mutigen Künstler, der das Schwulsein in einer diskriminierenden und homophoben Gesellschaft thematisierte.“ 

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Die Umbenennung des Platzes ist umstritten. Viermal legten Anwohner:innen Widerspruch ein. Denn der Bezirk hat sich bereits 2005 das Ziel gesetzt, Straßen und Plätze nur noch nach Frauen zu benennen – bis die Hälfte der Straßenschilder weibliche Namen tragen. 

Das Vorhaben der Umbenennung geht zurück auf einen Antrag der Linken von 2017. Darin heißt es zur Kritik, dass zu viele Straßen und Plätze im Bezirk nach Männern benannt sind, dass auch Personen mit LSBTTIQ-Hintergrund geehrt werden sollten, was auf Reiser zutrifft. 

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„Wir haben damals den Vorschlag für einen Rio-Reiser-Platz gemacht, doch unser Vorschlag war der Südzipfel des Mariannenplatzes. Damals haben wir für den Vorschlag viel Hohn bekommen“, sagte der Linken-Bundestagsabgeordnete Pascal Meiser dem Tagesspiegel und meint damit die Grünen. Doch es sei letztlich gut, „dass jemand wie Rio Reiser, der für das widerständige Kreuzberg und den Kampf gegen Verdrängung jetzt einen Platz bekommt.“ 

An einem der neuen Schilder klebt ein Sticker mit der Aufschrift „Hohn Scheine Erben“ und an der Litfaßsäule in der Mitte des Platzes wurde in dicken weiße Papier-Buchstaben angebracht: „Heini bleibt“. Aus einem der anliegenden Wohnungen hält ein Mann ein Schild mit der Aufschrift: „Die Umbenennung des Heinrichplatzes kostet 35000 Euro.“ 

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Am Abend wurde auch eine Gedenkstelle für Rio Reiser enthüllt. Auf einer Seite stehen in Deutsch und Englisch Infos über die Reiser und die Band: „Mit ‚Mein Name ist Mensch‘ wurden sie (Ton Steine Scherben) zu Mitbegründern des ‚Mythos Kreuzberg‘: Multikulturelle Vielfalt, selbstbestimmtes Leben, Wohnen und Arbeiten und Aufbegehren gegen Ungerechtigkeit.“ Auf der anderen Seite der Stele steht „Mein Name ist Mensch“ in verschiedenen Sprachen. 


Als eine „riesige Ehre“ bezeichnete Cäcilie Möbius, Nichte von Rio Reiser und Veranstalterin des Rio Reiser Songpreises, die Umbenennung. „Wir haben lange dafür gekämpft, dass dieser Platz umbenannt wird“, sagte sie dem Tagesspiegel. Dass im Bezirk Plätze eigentlich nur noch nach Frauen benannt würden, finde sie richtig. “Aber in diesem Fall wurde eine Ausnahme für eine queere Persönlichkeit gemacht, die für queere Menschen viel getan hat – in einer Zeit, in der es schwierig war, offen homosexuell zu sein.“ 

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