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Berlins Arztpraxen befinden sich seit zwei Jahren im Corona-Modus.

© dpa / Peter Kneffel

Wenig Chancen auf Corona-Prämie fürs Praxis-Personal: Der Frust der Berliner Kassenärzte wird größer

Nicht nur Kliniken, sondern auch Arztpraxen leiden unter den Belastungen durch die Pandemie. In einer Umfrage machen die ambulanten Mediziner ihrem Frust Luft.

Pflegekräfte in Krankenhäusern und Altenheimen sollen ihn bekommen. Dass der vom Bund geplante Corona-Bonus auch an Angestellte in Arztpraxen ausgezahlt wird, hält Berlins Gesundheitsstaatssekretär Thomas Götz dagegen nicht für sehr wahrscheinlich. Mit Blick auf den aktuellen Gesetzentwurf des Kabinetts sagt Götz: „Stand heute würde ich sagen, es wird schwierig.“ Wertschätzung müsse daher auch auf anderen Ebenen stattfinden.

Den Berliner Praxisärzten genügt das nicht. In zwei Jahren Corona-Pandemie hat sich bei ihnen einiges angestaut. Bei einem Pressetermin in einer Hausarztpraxis im Lichtenberger Ortsteil Karlshorst machen Vertreter der Kassenärztlichen Vereinigung (KV) des Landes auf die hohe Belastung und die gestiegenen Anforderungen an die Niedergelassenen während der Krise aufmerksam.

Eine im Rahmen des Termins veröffentlichte Mitglieder-Umfrage der KV zeigt zudem, dass die Pandemie bei vielen Ärztinnen und Ärzten reichlich Frust hinterlassen hat. Verantwortlich dafür sind demnach nicht nur die zahlreichen Anfragen und Telefonanrufe von Patientinnen und Patienten oder die zusätzlichen Aufgaben wie Impfungen und Tests.

Zu den größten Belastungen während der Pandemie zählen aus Sicht der Befragten auch die politischen Rahmenbedingungen. Ständige Änderungen durch neue Verordnungen und Gesetze bewerten gut 70 Prozent der befragten niedergelassenen Kassenärztinnen und -ärzte als belastend. Praxen dürften von neuen Regelungen nicht erst von Patienten oder aus der Zeitung erfahren, sagt Gastgeber und Hausarzt Hanns Iblher.

Der Blick ging zu häufig nur in die Kliniken und zu selten in die Praxen.

Bettina Gaber, Vorständin der Kassenärztlichen Vereinigung Berlin

Enttäuscht zeigen sich die Niedergelassenen auch ob der aus ihrer Sicht mangelnden öffentlichen Wertschätzung ihres Beitrags zur Bewältigung der Pandemie. Die Prämie für das Praxis-Personal ist da nur ein Beispiel. „Vieles wurde auf uns abgewälzt“, so Iblher. Dennoch hätten sich die politisch Verantwortlichen kaum für den ambulanten Bereich interessiert. „Wir haben aber die Bewältigung der Pandemie maßgeblich mitgetragen.“

Unterstützung erfährt der Hausarzt von KV-Vorständin Bettina Gaber, die bemängelt: „Der Blick ging zu häufig nur in die Kliniken und zu selten bis überhaupt nicht in die Praxen.“ Damit müsse nun Schluss sein. „Dazu gehört auch, den medizinischen Fachangestellten in den Praxen analog zur Pflege eine Corona-Prämie zu zahlen“, so Gaber.

Auch in Berlin ist die Boosterkampagne ist Stocken geraten. Der Senat setzt nun auf die Hilfe von Sozialwissenschaftlern.
Auch in Berlin ist die Boosterkampagne ist Stocken geraten. Der Senat setzt nun auf die Hilfe von Sozialwissenschaftlern.

© imago images/Christian Ohde / Christian Ohde via www.imago-images.de

Mit Sorge blicken Ärztinnen und Ärzten darüber hinaus auch auf die Langzeit-Wirkungen der Pandemie. Schwer wiegt etwa die große Zahl ausgefallener oder aufgeschobener Vorsorgeuntersuchungen. „Als Frauenärztin sehe ich das in meinem Kalender. 2020 und 2021 sind definitiv deutlich weniger Frauen zur Vorsorge gekommen als üblich“, sagt Gaber.

KV-Vorstandschef Burkhard Ruppert befürchtet beträchtliche Folgen: „Es gibt schon jetzt eindeutige Hinweise darauf, dass Patienten mit Krebserkrankungen häufiger als früher erst in einem weiter fortgeschrittenen Stadium in die Praxen kommen.“

Angesichts der zuletzt deutlich gelockerten Corona-Regeln im Infektionsschutzgesetz könnte außerdem schon bald neuer Ärger in Form steigender Infektionszahlen ins Haus stehen. Noch am Dienstag hatte Berlins Regierende Bürgermeisterin Franziska Giffey (SPD) betont, dass sie aktuell keine Veranlassung für das Abgeordnetenhaus sehe, Berlin zum Hotspot zu erklären.

Hotspot-Regelung? Infektiologisch können wir das für Berlin nicht empfehlen.

Thomas Götz, Staatssekretär für Gesundheit und Pflege

Götz macht im Rahmen der KV-Veranstaltung unterdessen keinen Hehl daraus, dass er die neuen Vorgaben des Bundes zum Infektionsschutz für zu lasch hält. „Gerade beim Thema Basisschutzmaßnahmen bin ich ein bisschen unglücklich darüber, wie die Situation jetzt ist, Stichwort Maske tragen.“ Er hätte etwa eine Maskenpflicht in Innenräumen für sinnvoll gehalten, so Götz.

Für eine Hotspot-Regelung nach dem neuen Gesetz sieht er dagegen kaum Spielraum. „Wir haben keine pathogenere Variante und bei der Inzidenz sehen wir jetzt, dass auch Berlin deutlich im Absinken ist. Es gibt also keine dramatische Zunahme. Ähnliches gilt auch für die Sieben-Tage-Hospitalisierungsinzidenz. Das heißt: Infektiologisch könnten wir das mit Stand heute für Berlin nicht empfehlen.“

Bei den Niedergelassenen herrscht Verständnis für das Vorgehen des Senats. Gewisse vorgegebene Parameter seien zur Orientierung notwendig, so Gaber. „Aus dem Bauch heraus irgendetwas zu entscheiden, ist nie gut, erst recht nicht in der Medizin.“

Um eine erneute Verschlechterung der Pandemie-Lage zu verhindern, muss somit weiter fleißig geimpft werden. Im bundesweiten Vergleich liegt Berlin sowohl bei der Rate der doppelt Geimpften als auch bei der der Geboosterten im vorderen Mittelfeld. Mittlerweile gebe es in der Hauptstadt nur noch „relativ kleine Personengruppen, die nicht geimpft sind“, so Ruppert.

Doch auch die will der Senat nach Möglichkeit noch vor dem nächsten Herbst zur Impfung bewegen. Helfen soll dabei vor allem ein kürzlich durch die Gesundheitsverwaltung ins Leben gerufener sozialwissenschaftlicher Beirat, kündigt Götz an. Dieser solle der Frage nachgehen, wie diejenigen Teile der Bevölkerung, die mit der Impfkampagne bisher nicht erreicht wurden, doch noch erreicht werden können.

„Der Beirat arbeitet gerade an Empfehlungen. Diese wollen wir uns gut zu Herzen nehmen und überlegen, wie wir die Kampagne voranbringen können, zum Beispiel durch mobile, aufsuchende Angebote, Community-Vertreterinnen, Stadtteilzentren und Ähnliches“, sagt Götz.

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