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Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier in Schloss Bellevue während eines Telefonats.

© picture alliance/dpa/Bundesregierung

Der andere Wahlkampf: Amt und Hürden

Mit seiner Bewerbung für fünf weitere Jahre als Bundespräsident geht Frank-Walter Steinmeier ein Risiko ein. Andere Namen kursieren bereits. Der Ausgang hängt von der Bundestagswahl ab.

Was hat Frank-Walter Steinmeier mit Markus Söder gemein? Nichts? Falsch. Den Geburtstag! Beide sind an einem 5. Januar geboren, zwar nicht im selben Jahr, aber immerhin.

Und was hat Steinmeier mit Adenauer gemein? Richtig – den Geburtstag!

Da sage noch einer, dass Politik nicht in den Sternen steht. Was man meinen könnte im Blick auf die kommende Zeit, den Wahlkampf, wo es um Mehrheiten im Bundestag geht und damit um die Macht im Land.

Ach ja, und nicht nur nebenbei entscheidet die Wahl, aus der sich eine Koalition ergibt, auch darüber, wer danach das sich immer wieder neu findende Gemeinwesen repräsentiert: über den Bundespräsidenten. Oder die Präsidentin, die erste nach einem Dreivierteljahrhundert.

Ein Wahlkampf ums höchste Staatsamt

Einstweilen, bis März 2022, ist es nun noch Frank–Walter Steinmeier, der Sozialdemokrat, und wenn es nach ihm ginge, dann würde er es auch bleiben. Das hat er gesagt, ganz offen, und damit eine Art Wahlkampf für sich eröffnet. Den hat es so übrigens noch nie gegeben. Dass Steinmeier, der zurückhaltende Herr Steinmeier, der erste sein würde, darauf hätten wohl die wenigsten gewettet.

Hinter den Kulissen, ja, da wurde eigentlich immer hin und her überlegt, analysiert, geschachert. Dass beispielsweise Gustav Heinemann 1969 Bundespräsident wurde, war ein Schachzug; denn damit, mit ihm, begann eine neue Ära: die Zeit der Sozialliberalen. Bis dahin hatte es weder einen sozialdemokratischen Präsidenten noch einen SPD-Bundeskanzler gegeben (Heinemanns frühere CDU-Mitgliedschaft störte nicht).

So, und nun läuft neben dem großen ein zweiter Wahlkampf, der ums Präsidentenamt. Steinmeier tut viel dafür, dass man ihn weder übersieht noch überhört. Unter anderem bei der Partei Adenauers, der CDU, und bei der Söder-Partei, der CSU, und zwar ungeachtet einer siechenden SPD. Steinmeier ist dafür sehr präsent, manche sagen: allgegenwärtig. Seine Leute werden sagen: Wir halten ihn im Spiel.

Außenminister im Nebenamt

Das stimmt allerdings. Wie? Trotz eines Jahres mit Corona hat dieser Präsident seit Amtsantritt 2017 mehr als 80 Auslandsreisen absolviert, und kaum geht es, ist er wieder unterwegs, Polen, Israel, alles keine einfachen Reisen, aber ihm liegt das, er ist der – man könnte sagen: Außenminister im Nebenamt. Na ja, gelernt ist gelernt, Außenminister war er ja lange.

Dann das Inland: Auch hier ist FWS, der BPr oder 01 (auch das Nummernschild seiner Karosse), auf Achse. Kaffeetafeln, Bürgerbegegnungen, Wanderungen – überall ist Land in Sicht, so hieß eines seiner Begegnungsformate.

Dazu die Bellevue-Gespräche über Menschheits- und zuweilen staatsphilosophische Fragen, die er selbst moderiert: Steinmeier will’s wissen. Im Wortsinn und überhaupt. Die vielen Reden, die er hält, unzählige bald, nicht zu vergessen.

Auf die „Agenda 2010“ wäre Schröder nie gekommen

Er ist zwar kein Niedersachse, da ist er nur politisch groß geworden, aber diese Zeile aus dem Niedersachsenlied mit dem „sturmfest und erdverwachsen“, das passt gut auf ihn.

Was typisch ist für ihn, wissen die Deutschen inzwischen: Er ist ausdauernd, beharrlich, belastbar, bodenständig, diszipliniert, ehrgeizig, ernst (wenn die Leute wüssten, wie lustig er auch sein kann!), geduldig, jedenfalls meistens, andernfalls sieht man, wie ihm der Kamm schwillt, dazu geradlinig, gründlich, grundsatztreu, hartnäckig, ideenreich.

Nur ein Beispiel: Die „Agenda 2010“ – auf diese Idee wäre Gerhard Schröder, der Kanzler, nie gekommen. Steinmeier und sein Alter Ego, Stephan Steinlein, heute Staatssekretär, haben sie erfunden und damit den taumelnden Kanzler stabilisiert. Sonst wäre heute alles anders und Wolfgang Schäuble Kanzler geworden. Schäuble, der Steinmeiers zweite Amtszeit als Präsident gutheißt.

Steinmeiers Spitzname: „Prickel“

Geschichte? Geschichten! Steinmeier war schon beim Fußball früher so, im lippischen Brakelsiek. Dass man ihn im Fußballverein „Prickel“ nannte, ist irgendwie witzig; denn er ist eher einer, dem man so einen Spitznamen, so ungewöhnlich, nicht zutraut.

Jura hat er studiert, danach als Medienreferent unterm Dach bei Schröder in der Hannoverschen Staatskanzlei angefangen. Witzig ist außerdem, dass er, Staatsdiener von Anfang an, heute der oberste Staatsdiener ist.

Warum ist er das? Weil sie in der Politik wissen, was sie an ihm haben. Das ist er nämlich auch: realistisch, sachlich, strategisch, traditionsbewusst, vernünftig, vorsichtig. Strategisch war zum Beispiel, dass er sich nach seiner harten Wahlniederlage als Kanzlerkandidat 2009 schnell den Fraktionsvorsitz im Bundestag sicherte, er, ein geborener Mann der Exekutive.

Traditionsbewusst ist er in seiner sozialdemokratischen Sicht; die ändert sich nicht. Das ist die Konservativität, die in ihm steckt, versteckt. Vorsichtig war Steinmeier immer, ist er auch bei Menschen, was man gar nicht glauben sollte, wenn man ihn so sieht und hört im Umgang. Das fast dröhnende Lachen, die hemdsärmelige, kumpelige Art – keiner kann zugleich so fein auf Distanz halten.

Sein Lebensmotto: Ich übernehme Verantwortung! Ich leiste!

So, und da steht er nun, der Fast-Präsident des Evangelischen Kirchentages, der Steinmeier war, ehe er Bundespräsident wurde, und will nicht anders. Getreu einem Lebensmotto, das man so beschreiben könnte: Ich übernehme Verantwortung! Ich leiste!

Die schwarz-grüne Kandidatin: Katrin Göring-Eckardt, Fraktionsvorsitzende von Bündnis 90/Die Grünen.
Die schwarz-grüne Kandidatin: Katrin Göring-Eckardt, Fraktionsvorsitzende von Bündnis 90/Die Grünen.

© dpa

Daran müssen sich alle messen, die an ihm vorbeiwollen. Und da sind einige, die es nur nicht so deutlich sagen. Es hängt eben alles von den Konstellationen ab. Wenn es Schwarz-Grün würde – dann würde es wohl eine Frau, Katrin Göring- Eckardt, Fraktionschefin der Grünen, Ex- Vizepräsidentin des Bundestags, ehedem Präses der evangelischen Kirche. Der große alte Mann der Grünen, Winfried Kretschmann, ihr erster Ministerpräsident, hat als Mann im Fall eines Kanzlers keine reale Chance; nicht bei einer Partei, in deren politische DNA der Feminismus eingeschrieben ist.

Wird immer wieder mal genannt, ihre Chancen sind aber gering: Ilse Aigner (CSU), Staatsministerin für Wohnen, Bau und Verkehr in Bayern.
Wird immer wieder mal genannt, ihre Chancen sind aber gering: Ilse Aigner (CSU), Staatsministerin für Wohnen, Bau und Verkehr in Bayern.

© dpa

Wird aber eine Grüne Kanzlerin, ja dann könnte es ein Mann werden – Steinmeier. Denn warum ein anderer Mann, wo der doch erprobt ist. Und wenn es die „Deutschland“-Variante gäbe, Schwarz- Rot-Gelb? Die FDP baut für alle Fälle vor. Dass die CSU-Frau Ilse Aigner – Bayerns Landtagspräsidentin, die immer wieder mal genannt wird – gewänne, würden die Freidemokraten nicht zulassen wollen. Dazu wäre Steinmeiers (Wieder-)Wahl auch ein zu schönes antizyklisches sozialliberales Zeichen.

Kurz: Er kann sich Hoffnungen machen. Das hat Steinmeier, das haben seine Leute eruiert. Nur im Fall einer Ampel mit Olaf Scholz als Kanzler nicht: Zwei Sozialdemokraten an der Spitze, das wäre einer zu viel. Dann wird das Amt des Präsidenten nach der Bundestagswahl eingehen in die Koalitionsverhandlungen.

Wer zuletzt lacht? Marie-Agnes Strack-Zimmermann von der FDP könnte bei einer Ampel zum Zuge kommen.
Wer zuletzt lacht? Marie-Agnes Strack-Zimmermann von der FDP könnte bei einer Ampel zum Zuge kommen.

© picture alliance/dpa

Also wenn die FDP den Grünen entgegen kommen müsste, etwa beim Finanzressort, könnte die das höchste Amt im Staate reklamieren: für ihr Vorstandsmitglied Marie-Agnes Strack-Zimmermann, Verteidigungsexpertin im Bundestag. Ganz auszuschließen ist das nicht – bis die Wahllokale im September geschlossen haben. Mindestens bis dahin bleibt Frank-Walter Steinmeier im Spiel.

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