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Schloss Bellevue bei Nacht.

© imago/blickwinkelMcPhotox/UwexGernhoefer

Ohne Chancen, aber mit Absichten: Wen Linke, AfD und Freie Wähler gegen Steinmeier ins Rennen schicken

Bei der Bundespräsidentenwahl darf Amtsinhaber Steinmeier mit einer großen Mehrheit rechnen. Wer sind die Männer und die Frau, die gegen ihn antreten?

Drei Parteien und Persönlichkeiten fordern Amtsinhaber Frank-Walter Steinmeier bei der Wahl des Bundespräsidenten am Sonntag heraus - und das, obwohl nicht nur die Ampel-Parteien ihn unterstützen, sondern auch die Union für ihn stimmen will. Drei Porträts.

Stefanie Gebauer

Die einzige Frau unter den Kandidaten für das höchste Staatsamt stellen diesmal die Freien Wähler: Stefanie Gebauer ist mit 42 Jahren auch die Jüngste unter den Bewerberinnen und Bewerbern. Die promovierte Astrophysikerin ist Mitarbeiterin der Landtagsfraktion der Freien Wähler in Brandenburg und kommt aus der Kommunalpolitik in der nordwestlich von Berlin gelegenen brandenburgischen Kleinstadt Kremmen. Dort ist sie Vorsitzende der Stadtverordnetenversammlung.

Freie-Wähler-Chef Hubert Aiwanger pries die Ostdeutsche bei ihrer Vorstellung als „junge Powerfrau“ an, die „für die politische Mitte, Verantwortungsübernahme und Zukunftsoptimismus“ stehe.

Gebauer wurde 1980 in Staaken bei Potsdam geboren. Das Mindestalter für Bundespräsidenten von 40 Jahren überschreitet sie damit nur knapp. 2013 war die Wissenschaftlerin der CDU beigetreten. Nachdem sie 2015 bei den Bürgermeisterwahlen nicht nominiert wurde, kehrte sie der Partei den Rücken und wandte sich der Unabhängigen Wählergemeinschaft zu. Sie sei fest in ihrer Heimat Brandenburg verwurzelt, sagte Bayer Aiwanger über sie, habe aber ihre Kindheit mit ihrer Familie in China verbracht und sei später ein Jahr in den USA gewesen.

Gebauer, die sich nach ihrem Bruch mit der CDU auch bei der SPD und den Grünen umgesehen hatte, sieht sich als Repräsentantin der politischen Mitte. „Ich bin bodenständig, ehrenamtlich verankert und möchte die Präsidentin für die Bürger sein - die sogenannte ‘Bürgerpräsidentin’“, sagte Gebauer der „Welt“. Die Hauptaufgabe für das höchst Staatsamt bestehe darin, eine Gesellschaft, „die zunehmend mehr Risse“ aufweise, wieder zu einen.

 Die Jüngste unter allen Kandidatinnen und Kandidaten ist Stefanie Gebauer, die von den Freien Wählern nominiert wurde.
Die Jüngste unter allen Kandidatinnen und Kandidaten ist Stefanie Gebauer, die von den Freien Wählern nominiert wurde.

© imago images/Reiner Zensen

Ein weiteres wichtiges Ziel beschreibt Gebauers so: „Ich möchte mit dieser Kandidatur auch jede Frau ermutigen, Verantwortung in diesem Staat, für die Bürger und für sich zu übernehmen.“ Es gebe schließlich schon länger den Wunsch, dass bei der Bundespräsidentenwahl eine Frau kandidiere. Sie selbst stelle deshalb eine Alternative für die Wahlmänner und -frauen dar.

Gebauer hat an der Technischen Universität Berlin Physik studiert und später im Fach Astrophysik promoviert. Anschließend arbeitete sie am Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt in Berlin-Adlershof (DLR). Als Wissenschaftliche Mitarbeiterin der BVB/Freie Wähler-Fraktion im Brandenburgischen Landtag betreute sie den Corona-Ausschuss. Die Freien Wähler hatten bei der Landtagswahl 2019 genau fünf Prozent erzielt.

In die Bundesversammlung bringen die Freien Wähler nur 18 eigene Stimmen mit. Damit gehen Gebauers Chancen, Frank-Walter Steinmeier abzulösen, gegen Null. Sie tritt dennoch an. „Die Motivation ist, dass Demokratie Auswahl benötigt“, sagt sie.

Vielleicht ist ja auch der CDU/CSU eine Stimme zu entlocken.

Stefanie Gebauer, Kandidatin der Freien Wähler

Sie werde sich freuen, wenn sie am Ende mehr als die 18 Stimmen der Freien Wähler erhalte. „Vielleicht ist ja auch der CDU/CSU eine Stimme zu entlocken“, meint sie: „Das wäre ein Erfolg.“

Gebauer hatte 2021 erfolglos für den Bundestag kandidiert. Als Direktkandidatin im Wahlkreis 58 (Oberhavel-Havelland II) holte sie 4,3 Prozent der Erststimmen, was deutlich über dem Zweitstimmergebnis der Partei von 2,7 Prozent lag. Die Kommunalpolitikerin kündigte an, sie wolle auch nach einer   Niederlage am Sonntag weiter Politik machen.

Gerhard Trabert

Die Linkspartei schickt den Mainzer Arzt und Sozialpädagogen Gerhard Trabert ins Rennen um das höchste Staatsamt. Trabert selbst betont, dass er sich dabei nicht als Steinmeiers Gegner sieht. Seine Kandidatur richte sich nicht gegen jemanden, sondern für etwas, sagt der 65-Jährige. Er tritt an, um mehr öffentliche Aufmerksamkeit für Themen zu erzeugen, die ihm seit vielen Jahren am Herzen liegen, „Armut und soziale Ungerechtigkeit in diesem Land“. Er wolle Fürsprecher für Menschen sein, die zu wenig gehört würden.

Ich bin jemand, der versucht, Christ zu sein.

Gerhard Trabert, Sozialmediziner

Seit vielen Jahren kümmert sich Trabert in Mainz um Obdachlose, er ist als „Arzt der Armen“ bekannt geworden. Trabert wartet nicht darauf, dass diese Menschen zu ihm kommen. Er sucht sie mit seinem Arztmobil, einem zur Praxis umgebauten Kleinbus, auf der Straße auf. Jeder Mensch habe das Recht auf eine würdevolle Gesundheitsversorgung, sagt er. Im Jahr 2004 wurde er mit dem Bundesverdienstkreuz geehrt. Er sei jemand, „der versucht, Christ zu sein“.

Trabert ist auch immer wieder in den Krisen- und Katastrophengebieten der Welt im Einsatz, vom Tsunami-Gebiet in Sri Lanka bis zu den Flüchtlingslagern auf den griechischen Inseln. Im vergangenen Jahr fuhr Trabert mit seinem Arztmobil zu den Flutopfern an der Ahr.

Gerhard Trabert ist Sozialmediziner. Der Parteilose wurde von der Linkspartei nominiert.
Gerhard Trabert ist Sozialmediziner. Der Parteilose wurde von der Linkspartei nominiert.

© Andreas Arnold/dpa

Es ist nicht das erste Mal, dass Trabert bei einer für ihn aussichtslosen Wahl antritt: Im vergangenen Jahr kandidierte der Arzt in seiner Heimat Mainz für ein Bundestags-Direktmandat. Er trat als Parteiloser an, wurde aber von den Linken unterstützt. Er wolle den Menschen Gehör verschaffen, die bisher nicht oder kaum gehört würden, sagte er zur Begründung. Das Plakat aus dem Wahlkampf zeigt ihn mit einem offenbar wohnungslosen älteren Mann, dessen Gesicht vom Leben gezeichnet wirkt. Die beiden schauen einander in die Augen, sie kommen sich dabei so nahe, dass sich ihre Stirnen berühren. „Menschen begegnen: gleichwürdig - gleichwertig“, lautete der Wahlkampfslogan. Am Ende kam er auf fast 25.000 Erststimmen, was für einen parteilosen Kandidaten ein beachtliches Ergebnis ist, verfehlte aber den Einzug in den Bundestag. Sein Engagement für die Linken hat ihm in Mainz aber auch Kritik eingebracht, manch einer signalisierte ihm, man werde ihn nicht mehr unterstützen.

Mit Traberts Nominierung wollen die Linken sich mit ihrem zentralen Thema der sozialen Gerechtigkeit in Erinnerung rufen. Bei der Bundespräsidentenwahl 2017 hatten die Linken den Armutsforscher Christoph Butterwegge aufgestellt, fünf Jahre zuvor die Journalistin Beate Klarsfeld. In der Bundesversammlung hat die Partei 71 Stimmen. Denkbar ist, dass der „Arzt der Armen“ darüber hinaus auch Stimmen aus anderen Parteien bekommt.

Max Otte

Die AfD stellt den Ökonomen Max Otte zur Wahl. Der 57-Jährige ist langjähriges CDU-Mitglied und war bis vor Kurzem Vorsitzender der ultrakonservativen Werteunion. Seine Nominierung war auch innerhalb der AfD umstritten – so war der mittlerweile ausgetretene Ex-Parteichef Jörg Meuthen dagegen. Tino Chrupalla, der nun die AfD alleine führt, hatte die Kandidatur Ottes durchgeboxt. Er hält das für einen Coup. Das Kalkül der Rechten: Sie wollen die Union ärgern, indem sie einen CDU-Mann aufstellen, während die Union selber für Frank-Walter Steinmeier – einen SPD-Mann – stimmt.

Der geplante Nadelstich gegen die Union läuft aber ins Leere: Wegen der Kandidatur auf AfD-Ticket hat die CDU Otte die Mitgliederrechte entzogen und ein Ausschlussverfahren eingeleitet, Otte hat zudem den Vorsitz der Werteunion niedergelegt. Seine kürzlich bekannt gewordenen Geldspenden an die AfD und Chrupallas Kreisverband werfen zusätzlich ein fragwürdiges Licht auf seine Kandidatur.

 Ins Rennen geschickt von einer anderen Partei: Der Ökonom Max Otte ist CDU-Mitglied, wird als Kandidat für das Schloss Bellevue aber von der AfD unterstützt.
Ins Rennen geschickt von einer anderen Partei: Der Ökonom Max Otte ist CDU-Mitglied, wird als Kandidat für das Schloss Bellevue aber von der AfD unterstützt.

© Florian Gaeretner/imago images/photothek

Wie Recherchen verschiedener Medien belegen, hat Otte schon länger einen engeren Draht zur AfD. Wie die „Welt“ berichtet, warb Otte bereits vor der Bundestagswahl 2013 in einem Newsletter: „Wählen Sie die AfD“. Auch 2017 erklärte er, er werde wegen der Migrations- und Europolitik die Partei wählen. Später war er Kuratoriumsvorsitzender der AfD-nahen Desiderius-Erasmus-Stiftung. Und im Frühjahr 2021, so schreibt der MDR, hatte er engeren Kontakt zur Thüringer AfD-Landtagsfraktion um Björn Höcke: Otte referierte bei einer Klausur der Landtagsfraktion.

Wegen Ottes AfD-Nähe sorgte es auch innerhalb der mit CDU und CSU assoziierten Werteunion für Ärger, als Otte im Mai 2021 zum Chef des Vereins gewählt wurde.

Nach der Bundesversammlung will sich Otte nun aus der aktiven Parteipolitik zurückziehen. Dass er am Sonntag noch einmal Aufmerksamkeit bekommt, dürfte dem als „Crash-Prophet“ bekannt gewordenen Ökonom und Fondsmanager aber gut gefallen.

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