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Tom Schreiber

© Mike Wolff

Prozess nach Hassattacke auf Tom Schreiber: Der Täter soll sich als Polizist ausgegeben haben

Der Berliner SPD-Abgeordnete Tom Schreiber wurde von einem Namensvetter beleidigt und bedroht. Nun kam es im sächsischen Meißen zum Prozess.

Die beiden Schreibers, die am Donnerstag dieser Woche im Saal des Amtsgerichts Meißen sitzen, sind nicht miteinander verwandt und haben außer ihrem Nachnamen praktisch nichts gemeinsam. Dass sie sich überhaupt kennenlernen, liegt daran, dass der eine Schreiber, Vorname M., den anderen, Vorname Tom, beleidigt und bedroht haben soll – und sich später als Polizist ausgegeben und sein Opfer erneut bedroht haben soll.

SPD-Politiker Tom Schreiber, 43, Mitglied des Berliner Abgeordnetenhauses und dort Sprecher für Inneres seiner Fraktion, ist seit Jahren Hass und Hetze ausgesetzt, er erhält Todesdrohungen und übelste Beschimpfungen. Und er gehört zu jenen Politikern, die Hassattacken konsequent zur Anzeige bringen.

Häufig werden die Ermittlungen bald eingestellt, etwa weil Drohungen anonym geschrieben wurden und Plattformen wie Facebook oder Twitter sich weigern, die Verbindungsdaten herauszugeben, mit denen sich die Klarnamen der Täter ermitteln ließen. In diesem Fall war es anders. M. Schreiber agierte mit vollem Namen und Wohnortsangabe auf Facebook. Im August 2021 schrieb er den SPD-Abgeordneten an und warf ihm vor, ihren gemeinsamen Nachnamen „in den Dreck“ zu ziehen. Dafür werde dieser teuer bezahlen. „Ich hoffe, Du bekommst Krebs und verstirbst alleine“, schrieb M. Es folgte eine Drohung: „Du solltest Dich nicht in meiner Nähe befinden.“ Andernfalls könnten dem Politiker auch keine Personenschützer helfen.

Der Angeklagte sagt, er sei gehackt worden

M. Schreiber ist 39 Jahre alt, nennt sich DJ. Beim Prozesstermin bestreitet der Impfgegner seine Drohung. Vielmehr habe jemand seinen Account gehackt. Das Gericht glaubt ihm nicht: Die Geschichte mit dem gehackten Facebook-Profil sei eine reine Schutzbehauptung. Der Angeklagte sagt noch, Facebook habe ihm sogar eine Bestätigung zugemailt, die belege, dass sein Konto gehackt wurde. Als der Richter ihn bittet, die Mail vorzuzeigen, muss er passen.

Dass der Berliner Politiker ihn anzeigte, soll den DJ aus Meißen zu einer weiteren Tat verleitet haben. Ausgerechnet am Abend des Tags, als dem Angeklagten die Ladung für den Gerichtstermin zugestellt wurde, rief ein Unbekannter bei Tom Schreiber an und gab sich als Polizist aus. Der Anrufbeantworter speicherte folgende Nachricht: „Guten Abend, Herr Schreiber, hier ist die Polizeidirektion Dresden. Wir haben gerade eine Anzeige gegen Sie auf dem Tisch liegen wegen Volksverhetzung und wegen Rufmord. Wir möchten bitte, dass Sie sich mal bei uns melden. Das wird dann ganz schnell gehen, dass Sie verhaftet werden.“ Im Prozess bestreitet der Angeklagte, diesen Anruf getätigt zu haben.

Das Gericht hält die Ausführungen des Angeklagten für unglaubwürdig, spricht von erdrückender Beweislast. Es verurteilt M. Schreiber wegen Beleidigung und Bedrohung zu 40 Tagessätzen à 40 Euro.

Gegenüber dem Tagesspiegel will sich M. Schreiber nicht zu dem Urteil äußern. Sein Namensvetter ist zufrieden. Tom Schreiber sagt, er sei positiv überrascht davon, wie willens die sächsischen Behörden hier gewesen seien, geltendes Recht durchzusetzen. „Leider erlebe ich es oft anders.“ Zu häufig würden die Anzeigen Betroffener eingestellt, ohne dass erkennbar sei, dass sich die Strafverfolgungsbehörden Mühe gegeben hätten, den Täter zu identifizieren. Schreiber sagt, manche hätten die Dimension des Problems Hatespeech noch nicht verstanden – und nicht begriffen, dass Worten auch Taten folgen könnten, Menschen also durch Onlinehass angestachelt würden, im analogen Leben Straftaten zu begehen.

Dankbar ist Schreiber für die Hartnäckigkeit der Grünen-Politikerin Renate Künast. Auf deren Beschwerde hin hat das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe in dieser Woche mehrere Urteile Berliner Gerichte aufgehoben, wonach verschiedene Hasskommentare auf Facebook gegen Künast nicht als Beleidigungen zu werten seien. In der Konsequenz wird Facebook nun wohl die Nutzerdaten der Täter herausgeben müssen. „Dies ist ein wichtiger Schritt“, sagt Tom Schreiber. „Einer, der dabei hilft sicherzustellen, dass sich auch Konzerne an geltendes Recht halten müssen.“

Die SPD-Politikerin Sawsan Chebli, die seit Jahren massiv von Hass und Hetze im Internet betroffen ist, freut sich ebenfalls über das Karlsruher Urteil. Künasts erfolgreiche Verfassungsbeschwerde könne, zusammen mit Gesetzen wie jenem zur Bekämpfung von Hasskriminalität und der Erweiterung des Netzwerkdurchsetzungsgesetzes, zu einem echten Klimawandel führen. Chebli sagt: „Hoffentlich setzt sich endlich die Erkenntnis durch, dass Hassattacken eben nicht durch die Meinungsfreiheit gedeckt sind – und dass auch Politiker nicht alles ertragen müssen.“

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