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Eine der Aufnahmen aus Romana Rubans Fotoserie.

© Romana Ruban

Verstörende Foto-Kunst aus der Ukraine: „Es gibt keinen sicheren Ort mehr“

Die Bilder der ukrainischen Künstlerin Romana Ruban wirken wie Aufnahmen aus dem Krieg. Doch sie entstanden lange davor. Hier erklärt sie die Hintergründe.

Ihre Müdigkeit und die immerwährende Hektik des Alltags – das waren Themen, die die Künstlerin Romana Ruban beschäftigten, als sie vor drei Jahren begann, Fotos mit besonderen Motiven zu machen: Diese zeigen sie selbst sowie ihre Schwester Lisa oder gute Freundinnen auf dem Boden liegend. Wir präsentieren im Tagesspiegel eine Auswahl.

Aufgenommen wurden die Bilder an ungemütlichen, verlassenen Orten in Kyiv – so die von ihr bevorzugte ukrainische Transkription des Namens ihrer Heimatstadt Kiew – und Berlin. Knapp 40 Fotos hatte sie gesammelt, als sie am 23. Februar 2022 das erste Bild der Reihe auf Instagram postete, auf dem sie in einer weißen Winterlandschaft liegt. „Es schmilzt kein Schnee, es sind meine Tränen“, schrieb sie daneben. Am nächsten Morgen überfiel Russland die Ukraine.

Eine weitere Aufnahme aus der Serie.
Eine weitere Aufnahme aus der Serie.

© Romana Ruban

Bilder von menschlichen Körpern, die auf dem Boden liegen, bekamen über Nacht einen neuen Kontext. Anfang April, nach den Massakern der russischen Armee in Butscha und Irpin, veröffentlichte Romana Ruban weitere Bilder aus der Reihe. „Mein Gefühl ist: Es gibt keinen sicheren Ort mehr, egal wie gut man sich versteckt“, sagt sie dazu. „Jeder von uns kann so einfach getötet werden.“ Im Interview erklärt sie die Hintergründe ihrer Bilder.

Ihre Bilder bekamen eine neue Wucht: Romana Ruban.
Ihre Bilder bekamen eine neue Wucht: Romana Ruban.

© Romana Ruban

Romana Ruban, Ihre Fotos von auf dem Boden liegenden Menschen lesen sich wie ein Kommentar zum russischen Angriffskrieg auf Ihr Land, sind aber in Wirklichkeit schon davor entstanden. Wann und wo haben Sie diese Fotos gemacht?
Sie wurden zwischen 2019 und 2021 aufgenommen, die meisten davon in Kyiv und der umliegenden Region, eines auch in Berlin.

Was war die ursprüngliche Idee für diese Fotos?
Das erste, was mich dazu veranlasste, diese Serie zu machen, war meine Müdigkeit und die endlose Hektik, die mir das Gefühl gaben, dass ich mich an jedem Ort verstecken möchte, an dem es möglich war, oder dass ich das Gefühl habe, dass ich fallen kann, egal wo, egal was passiert. Nach den ersten Versuchen kam die Neugier, unerwartete Orte zu finden, um die Umgebung und vielleicht auch meine Grenzen zu erkunden. Zum Beispiel, als ich nach einem Sommerregen mein Gesicht in eine Pfütze gesteckt habe.

Eine der ersten Aufnahmen der Serie entstand am Strand eines Flusses.
Eine der ersten Aufnahmen der Serie entstand am Strand eines Flusses.

© Romana Ruban

Wie haben Sie diese Bilder inszeniert?
Eines der ersten Fotos wurde am Flussstrand gemacht, während ich mich mit Freunden ausruhte. Oft ging es in unseren Gesprächen darum, wie müde ich bin, also war dieses Foto wahrscheinlich ein natürliches Ergebnis unseres Gesprächs, ein Stück erzählte Geschichte. Dann habe ich ein Foto von einer Freundin auf einem Steinhaufen gemacht und festgestellt, dass dieser Prozess, mich selbst oder ein Model an einen unbequemen Ort zu stellen, mir sich richtig anfühlte.

Und daraus ist dann eine Serie geworden?
Ja, diese Fotos haben den Blick auf meine Umgebung verändert, ich versuchte zunehmend, neue Orte zu finden, an denen ich mich „verstecken“ kann. Für die meisten Fotos haben mich meine Schwester oder einige meiner besten Freundinnen fotografiert oder umgekehrt. Manche Fotos sind spontan entstanden, manche nicht.

Es wurde auch zu einer guten Möglichkeit, Verspieltheit zu erforschen und eine Rolle zu spielen. An verlassenen Orten das einfacher als auf der belebten Straße oder in deinem Garten, wenn du dort Tag für Tag die gleichen Leute triffst und sie mitbekommen, dass du ein bisschen komisch bist und dein Gesicht in den schmutzigen Sand steckst. Als ein Freund mir erzählte, dass die Idee nicht ganz neu und als „Planking“ bekannt ist, war ich erst enttäuscht. Aber dann entschied ich mich, trotzdem weiterzumachen, weil es mir persönlich etwas bedeutet – in den vergangenen Monaten umso mehr.

Eine weitere Aufnahme aus der Reihe.
Eine weitere Aufnahme aus der Reihe.

© Romana Ruban

Sie haben ja die die Fotos zunächst nicht veröffentlicht – und sich dann am Tag vor dem Beginn des russischen Angriffskriegs auf Ihr Land entschieden, sie Ihren Instagram-Followern zu zeigen, wodurch die Bilder plötzlich einen ganz neuen Kontext bekommen haben. Wie kam es dazu?
Ich hatte ungefähr 30–40 Fotos beisammen, einige fand ich interessant, andere nicht. Ich dachte, dass es das Beste wäre, sie erst dann zu veröffentlichen, wenn ich genug gutes Material für eine Ausstellung habe oder wenn der richtige Moment da ist. Am 23. Februar war ich verunsichert und fühlte mich ein bisschen verloren, also veröffentlichte ich eines der Fotos, nur um mein inneres Gefühl zu beschreiben. Auf diesem Foto liege ich im Schnee und vergleiche Schnee mit meinen Tränen. Gleich am nächsten Tag begann Russland einen umfassenden Krieg.

Die nächsten Bilder zeigten Sie dann einige Wochen später auf Instagram…
Ja, Anfang April veröffentlichte ich neun weitere Bilder von mir an verschiedenen Orten, nach der schrecklichen Tragödie von Butscha und Irpin. Ich fühlte damals und tue es immer noch, dass es keinen sicheren Ort mehr gibt, egal wie gut man sich versteckt. Also verwandelten sich Bilder, in denen wir den Tod und die Müdigkeit spielten, in Reflexionen über den Krieg und das Gefühl, dass jeder von uns so leicht getötet werden kann. Ich bin mir allerdings jetzt nicht sicher, ob ich dieses Projekt so weiterführen kann wie bisher. Jetzt würde ich mich eher bei einem Protest gegen den Krieg auf die Straße legen als für ein Foto.

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