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Die Mutter der Autorin Natascha Wodin wurde in Mariupol geboren.

© imago/STAR-MEDIA

Tagesspiegel Plus

Gastbeitrag von Natascha Wodin: Keine falsche Solidarität mit der Ukraine

Putins Kriegsverbrechen dürfen nicht zu Rassismus, Hass und pauschalen Verurteilungen von russischen Bürgerinnen und Künstlern führen. Eine Replik.

Von Natascha Wodin

Am 5. April erschien beim Tagesspiegel ein Text des ukrainischen Lyrikers und Dramatikers Oles Barleeg („Die Wut der Kassandra“). Barleeg lebt in Saporischschja. Sein Stück „Die Bäume kommen zu spät zum Bus“ wurde beim Wettbewerb „Drama.UA-2012“ ausgezeichnet, es geht darin um den Holodomor in der Ukraine 1932–33, Stalins Hungerkrieg, bei dem Millionen Menschen starben. Hier antwortet ihm die Schriftstellerin Natascha Wodin. Sie wurde 1945 in Fürth geboren. Für ihr umfangreiches literarisches Werk wurde sie vielfach geehrt. Ihr Erinnerungsbuch „Sie kam aus Mariupol“ erhielt 2017 den Preis der Leipziger Buchmesse. Barleegs Text wurde auf Solidaritätsveranstaltungen u. a. am Gorki Theater vorgetragen.

Ich bin Tochter russisch-ukrainischer Eltern, die man im Zweiten Weltkrieg aus Mariupol zur Zwangsarbeit nach Deutschland deportiert hat. Ich wurde im letzten Kriegsjahr geboren und galt als Russin. Was ich als Kind und auch noch als Jugendliche an Diffamierung und Russenhass im Nachkriegsdeutschland erfahren habe, kann man in meinen Büchern nachlesen.

Nie hätte ich gedacht, dass nach so langer Zeit wieder Hass ausbrechen könnte.

Natascha Wodin

Sechzig Jahre sind vergangen, Kindheit und Jugend sind weit entfernt, ich bin in Deutschland angekommen. Russland ist durch alle Zeit hindurch mehr oder weniger das zentrale Feindbild des Westens geblieben, aber nie hätte ich gedacht, dass nach so langer Zeit wieder ein Hass ausbrechen könnte, der sich für mich fast genauso anfühlt wie der einstige.

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