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Harald Martenstein

© Tagesspiegel

Martenstein über das Grünen-Wahlprogramm: Wie wär’s mit Nimmerland?

Unser Kolumnist hat ein paar Ideen zum Wahlprogramm der Grünen, das manchen Basis-Mitgliedern der Partei nicht gefällt.

Ab dem 11. Juni werden die Grünen auf einem Parteitag ihr Wahlprogramm beschließen und den Weg zur Kanzlerschaft einschlagen. Die Partei fordert, dass in Zukunft zwei Prozent der deutschen Fläche für die Erzeugung erneuerbarer Energien verwendet werden, dies wären vor allem Windräder und Solaranlagen. Deutschland ist rund 360.000 Quadratkilometer groß, zwei Prozent davon sind 7.200. Das Saarland misst rund 2.600 Quadratkilometer, Berlin etwa 900. Wir reden hier also über ein Bauprojekt, das mehrere Bundesländer komplett bedeckt und, ähnlich wie seinerzeit die Pyramiden von Gizeh oder die chinesische Mauer, die Fantasie der heute lebenden Menschen weit übersteigt. Es sind wirklich sehr viele Windräder.

Um diese Aufgabe vor dem Jahrhundertende meistern zu können – die Bauzeit des viel bescheidener konzipierten Flughafens BER ist in unguter Erinnerung –, soll das Genehmigungsverfahren „beschleunigt“ und „vereinfacht“ werden. „Exzessive Mindestabstände“ zu Wohnhäusern „müssen“, so das Programm, „der Vergangenheit angehören“. Den Grünen ist generell Gerechtigkeit ein Anliegen. Um Windradgerechtigkeit herzustellen, soll es nicht geduldet werden, dass einzelne Bundesländer sich verweigern: „Alle Bundesländer haben Beiträge zu leisten.“

In Berlin würde es flächenmäßig genügen, den Grunewald komplett in einen Wind- und Solarpark zu verwandeln, um in die Nähe des Zwei-Prozent-Ziels zu gelangen. Das wird man wohl wegen des Binnenklimas nicht machen, vielleicht ist die Umwandlung von Parkplätzen in Windparkplätze der Weg.

Hunderte Parteimitglieder, darunter viele aus Berlin, haben gegen den Titel des Wahlprogramms protestiert. Er lautet, Stand heute: „Deutschland. Alles ist drin.“ Das Wort „Deutschland“ wecke negative Assoziationen. Da die Umbenennung eines mittelgroßen Landes komplizierter ist als etwa die Umbenennung einer Straße, solle das D-Wort im Titel fürs Erste ersatzlos gestrichen oder durch „Grün“ ersetzt werden.

Wenn aber das Wort mit D wirklich schlechte Gefühle auslöst und empfindsame Menschen verletzt, wäre eine Umbenennung nur konsequent, man hat sich an Umbenennungen ja gewöhnt. Das Volk „Sinti und Roma“ zum Beispiel heißt inzwischen, wie ich der grünen Partei-Website entnehme, korrekt „Rom*nja und Sint*ezza“. Als Ersatz für das D-Wort finde ich „Nimmerland“ passend. Der Name klingt gut und transportiert die Botschaft, dass wir Nimmerländer*innen dafür sorgen werden, dass sich die Vergangenheit nie wiederholt.

Die CDU hat übrigens noch gar kein Wahlprogramm. Sich einfach dem Grünen-Programm anzuschließen, würde ein bisschen fantasielos wirken. Wer wissen will, was die CDU plant, muss wohl im Adenauerhaus anrufen.

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