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Fatou Jeng lenkt die Klimabewegung in Afrikas kleinstem Land Gambia.

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So viele Bäume wie möglich: Fatou Jeng lenkt die Klimabewegung in Afrikas kleinstem Land Gambia

Die Ökofeministin kämpft für die Rechte von Frauen, die von der Klimakrise betroffen sind. Mit ihrer Hilfe ziehen die jetzt vor Gericht.

| Update:

Kleine Häuser, die Dächer aus rostigem Wellblech, die Straßen aus Sand, ringsum Wälder aus Kokospalmen. Verschlafen liegt der 20000 Einwohner und Einwohnerinnen zählende Fischerort Gunjur an der Atlantikküste von Gambia. Nur die stattliche Moschee mit dem minzgrünen Kuppeldach sticht heraus. Hier soll ein Hotspot der afrikanischen Umweltbewegung sein?

Seit zwei Jahren zieht der unscheinbare Ort die Aufmerksamkeit der Klimaschutzbewegung auf sich. Denn hier, eine gute Autostunde südlich der gambischen Hauptstadt Banjul, befinden sich die Menschen im Kampf – gegen die Zerstörung der Umwelt, gegen den Klimawandel und auch gegen die eigene Regierung.


Fatou Jeng | Heimat im Meer

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Gambia steht beispielhaft für ein Problem, das viele Regionen in Afrika haben: Der Kleinstaat gilt als besonders verwundbar, wenn es um die Folgen des Klimawandels geht. Fast jeder zweite der 2,4 Millionen Menschen hier lebt in extremer Armut.

Die Menschen sind angewiesen auf Landwirtschaft und damit unmittelbar abhängig von der Natur – doch ihre Umwelt verändert sich rasant. Der steigende Meeresspiegel bedroht die Küsten, immer häufigere Dürren und Starkregen setzen den Ernten zu, die Böden versalzen.

Satellitenaufnahme der Hauptstadt Banjul.
Satellitenaufnahme der Hauptstadt Banjul.

© imago images/UIG

Um sich daran anzupassen, fehlt den meisten Menschen in Gambia das Geld – und der Regierung allzu oft der nötige Wille. Aktivistinnen und Aktivisten wollen die Sache deshalb selbst in die Hand nehmen.

Eine von ihnen ist Fatou Jeng, 24 Jahre alt, Studentin aus Banjul. „Ich habe angefangen mich für den Klimaschutz zu engagieren, weil ich die Zerstörung sehe, die in meiner Heimat passiert“, sagt sie. Jeng sitzt in einer Wohnküche im englischen Sussex und erzählt im Video-Call von den Umweltproblemen in ihrer Heimat.

Die Frau mit dem hellen Kopftuch sprich in schnellen, klaren Sätzen, gleich muss sie zu einem Termin mit ihrem Professor. Sie will bald den Master in Entwicklungsstudien machen und dann zurück in ihre Heimat.

Dort hat sie 2017 die Organisation Earth Gambia gegründet. Das Ziel: so viele Bäume wie möglich zu pflanzen. 5000 Kokospalmen haben Jeng und ihre Mitstreiter seither gesetzt, finanziert durch Spenden. Die Wurzeln der haushohen Bäume sollen verhindern, dass Gambias Küste ins Meer abrutscht.

Fatou Jeng will mit der Initiative „Earth Gambia“ möglichst viele Bäume an der Küste Gambias pflanzen.
Fatou Jeng will mit der Initiative „Earth Gambia“ möglichst viele Bäume an der Küste Gambias pflanzen.

© privat

Schon jetzt leidet die Hauptstadt Banjul unter regelmäßigem Hochwasser. Fast eine halbe Million Menschen wohnen in der Umgebung, noch ist die Stadt ein lebendiger Ort. Doch die Kolonialbauten im Zentrum, die bunten Stände des Royal Albert Markts, der Präsidentenpalast an der Mündung des Gambia-Flusses: All das wird Prognosen zufolge in zehn, vielleicht 20 Jahren unter Wasser stehen. Jeng wird dann Mitte 40 sein.

Das Vorbild der selbsterklärten „Öko-Feministin“ ist die kenianische Friedensnobelpreisträgerin Wangari Maathai, die bereits in den 1970ern in ihrer Heimat Bäume pflanzte, um dem Raubbau an der Natur etwas entgegenzusetzen.

Für viele junge Klimaaktivistinnen in Afrika ist die kenianische Friedensnobelpreisträgerin und Umweltschützerin Wangari Maathai ein Vorbild - auch für Fatou Jeng.
Für viele junge Klimaaktivistinnen in Afrika ist die kenianische Friedensnobelpreisträgerin und Umweltschützerin Wangari Maathai ein Vorbild - auch für Fatou Jeng.

© Dai Kurokawa/dpa

In Jengs Heimat ist das allerdings alles andere als leicht. Der Klimawandel ist nur eines von vielen Problemen in Gambia. Der Zwergstaat, ungefähr halb so groß wie Hessen, ist das mit Abstand kleinste Land Afrikas – ein schmaler, 450 Kilometer langer Korridor an den Ufern des Gambia-Flusses, so dicht besiedelt wie nur wenige Regionen auf dem Kontinent.

Die Bevölkerung wächst schnell, die Arbeitslosigkeit ist hoch, zehn Prozent der Kinder leiden unter Mangelernährung. Die Folgen des Klimawandels spüren vor allem die Frauen, deren Äcker und Felder bedroht sind. Ihr Leben sei ein täglicher Überlebenskampf, sagt Jeng. „Viele trauen sich nicht, ihre Stimme zu erheben, weil die sozialen und kulturellen Hürden zu groß sind.“

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Die Regierung sei keine große Unterstützung. Zwar hat sich Gambia erst kürzlich politisch spürbar geöffnet. Bis 2017 glich das Land unter dem Präsidenten Yahya Jammeh einer Diktatur. 22Jahre unterdrückte er die Bevölkerung, ließ Oppositionelle und Pressevertreter verhaften. Zahlreiche Menschen verschwanden, Folter war an der Tagesordnung.

Doch ausgerechnet der Autokrat zeigte sich als Umweltschützer, der um die Bedeutung der Natur für den Tourismus wusste. So erließ er etwa strenge Gesetze gegen die Vermüllung.

Wir haben eine progressive Klimaschutzpolitik, besser als der Westen, aber bei der Umsetzung hinken wir hinterher.

Fatou Jeng

Die Nachfolgeregierung unter Staatschef Adama Barrow setzt diese Regeln nicht mehr um, kritisiert Jeng. Ihr Verhältnis zu den Mächtigen im Land ist gespalten. Angst habe sie nicht. Sie treffe sich regelmäßig mit Vertretern des Umweltministeriums. Die zeigen Fotos davon gerne in den sozialen Medien. „Wir erkennen unsere Bemühungen gegenseitig an“, sagt die Aktivistin. „Es gibt einen Willen zur Zusammenarbeit, es ist konstruktiv.“

Doch oben auf der Agenda der Politik befinde sich das Klima nicht. „In den Programmen der Parteien stehen vor allem Bildung, Infrastruktur, Menschenrechte.“ Nur die Hälfte der Erwachsenen in Gambia kann lesen und schreiben.

Das Land braucht wirtschaftliche Entwicklung, um die Armutsspirale zu durchbrechen. Menschenrechtsverletzungen sind ein großes Problem. So sind etwa 80 Prozent der Frauen und Mädchen Opfer von Genitalverstümmelung, Homosexuellen droht lebenslange Haft.

Küstenschutz vor der Hauptstadt Banjul: Der Klimawandel ist in Gambia eine reale Bedrohung.
Küstenschutz vor der Hauptstadt Banjul: Der Klimawandel ist in Gambia eine reale Bedrohung.

© Prof. Roland Dieterl/Hochschule für Technik Stuttgart/obs

Auf dem Papier hat sich die gambische Regierung offiziell der Klimapolitik verschrieben – wohl auch in dem Wissen, dass die internationalen Geber von Entwicklungsgeldern das wünschen. Obwohl Gambia im Jahr nur 0,2 Tonnen CO2 pro Kopf ausstößt (in Deutschland sind es fast acht Tonnen pro Kopf), will der Kleinstaat bald die Pariser Klimaziele erreichen – die nötigen Finanzhilfen vorausgesetzt.

In den kommenden Jahren sollen die Emissionen halbiert und die Solarenergie ausgebaut werden, es gibt Pläne zur Aufforstung der Küstenwälder.

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„Wir haben eine progressive Klimaschutzpolitik, besser als der Westen, aber bei der Umsetzung hinken wir hinterher“, sagt Jeng. Wenn es darauf ankommt, hat die Regierung meist andere Prioritäten. So will sie etwa Ölfelder vor der Küste erschließen, um sich vom Import unabhängig zu machen. Inzwischen ist allerdings der Öl-Konzern BP aus dem Projekt ausgestiegen, weil das nicht zur neuen Öko-Strategie des Unternehmens passe, wie es heißt.

Die Corona-Pandemie hat die gambische Regierung zu einer weiteren Abkehr vom Umweltschutz gezwungen. In der Krise will sie mithilfe ausländischer Investoren neue Arbeitsplätze in der Industrie schaffen.

Fischerboote am Strand von Banjul, der Hauptstadt des westafrikanischen Küstenstaats Gambia.
Fischerboote am Strand von Banjul, der Hauptstadt des westafrikanischen Küstenstaats Gambia.

© imago images/Peter Schickert

In Gunjur, dem Fischerort an der Atlantikküste, stellt das die Menschen vor massive Probleme. Eine chinesische Firma namens Golden Lead plant, eine Fischmehlfabrik, die Fischfutter für Europa und die USA produziert, zu erweitern. Jeng spricht von „Landnahme“ auf Kosten der einheimischen Bevölkerung. „Die Frauen bewirtschaften diese Fläche seit 30 Jahren, von dem Ertrag zahlen sie die Schulgebühren ihrer Kinder und bringen ihre Familien durch.“

Im vergangenen Frühjahr starteten Jeng und ihr Team von Earth Gambia eine Social-Media-Kampagne. Inzwischen hat sich ein Anwalt gefunden, der die Bäuerinnen ehrenamtlich vor Gericht vertritt. Im Juli wurde das Verfahren eröffnet. Eine Entscheidung steht zwar noch aus.

Doch für Jeng ist es bereits ein kleiner Sieg, der sie anspornt weiterzumachen: „Es braucht noch viel mehr Anstrengung, um den Frauen eine Stimme zu geben.“

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