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Unsichere Zeiten für die USA

© REUTERS

Trump positiv auf Corona getestet: Vier Szenarien, die die Welt verändern könnten

Was passiert, wenn Trump länger ausfällt? Oder Joe Biden? Kann die Wahl überhaupt stattfinden? Was nun geschehen könnte.

Dies ist ein Text aus unserem Digital-Angebot Tagesspiegel Plus, den Sie hier frei lesen können.

In der TV-Debatte hatte Donald Trump noch Joe Biden verspottet, weil der oft eine viel zu große Maske trage. Er, Trump, benutze eine Maske nur dann, wenn es nötig sei.

Nur zwei Tage später, am Donnerstagabend, ist Trump positiv auf Corona getestet. Es ist ein tiefer Einschnitt in der Trump-Präsidentschaft. Wer den Schaden hat, braucht bekanntlich für den Spott nicht zu sorgen. Liberale Medien versehen die Nachricht von Trumps Infektion mit dem Hinweis, dass er das Virus nicht sonderlich ernst genommen und die Gefahr öffentlich heruntergespielt habe.

Doch auch der Spott könnte rasch abebben. Eine ernste Erkrankung des Präsidenten kann die USA in Turbulenzen stürzen – und mit Blick auf die Wahl in nur 31 Tagen, am 3. November, eine Verfassungskrise auslösen. Die Börsen reagierten mit sinkenden Kursen. Bleibt Trump auf dem Wahlzettel, wird die Wahl verschoben?

Noch ist unklar, wie die Erkrankung bei Trump verläuft, leicht oder schwer. Das durchschnittliche Todesrisiko in seiner Altersgruppe ist relativ hoch, 1 zu 25. Freilich wird der Präsident medizinisch bestens betreut.

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Was passiert, wenn er das Amt nicht ausüben kann? Kann er auf dem Wahlzettel bleiben? Können die Republikaner jemand anders nominieren? Kann die Wahl verschoben werden?

Die potenziellen Szenarien, was geschehen könnte, wenn einer oder beide Spitzenkandidaten ausfallen, hatten US-Medien im Frühjahr durchgespielt, als klar war, dass Biden gegen Trump antritt. Noch nie hatten die USA so alte Konkurrenten. Biden ist 77, Trump 74. Da kann die Gesundheit ungeplant zum Hindernis werden. Sie war ein wichtiger Faktor bei der TV-Debatte, besonders die Frage nach Bidens Fitness.

Ein Teil der Vorgaben ist klar. Und starr. Die Wahl 2020 findet am 3. November statt, das schreibt die Verfassung vor. Ebenso, dass der nächste Präsident am 20. Januar 2021 ins Amt eingeführt wird. Weniger eindeutig ist, was passiert, wenn ein nominierter Kandidat kurz vor der Wahl ausfällt. Oder wenn ein Wahlsieger zwischen Wahl und Amtseinführung amtsunfähig wird. Diesen Fall haben die USA in den 233 Jahren seit Verabschiedung der Verfassung 1787 noch nie erlebt.

Ähnliche Fragen könnten sich für den demokratischen Herausforderer Joe Biden stellen. Noch ist unklar, ob Trump bereits bei der Debatte infiziert war. Auf der Bühne haben sie zwar Abstand gewahrt. Unbekannt ist, aber ob Trump und Biden sich vorher oder nachher hinter den Kulissen begrüßt oder verabschiedet haben. Was passiert, wenn Biden eine schwere Erkrankung durchmacht?

Szenario 1: Ein amtsunfähiger Präsident

Fällt der US-Präsident aus, übernimmt der Vizepräsident, in Trumps Fall Mike Pence. Fällt der auch noch aus, etwa weil auch Pence sich angesteckt hat, übernimmt der „Speaker“ des Repräsentantenhauses – derzeit ist das eine „Madame Speaker“, die Demokratin Nancy Pelosi. Das wäre eine Horrorvorstellung für die Republikaner.

Trump und Pence haben seit einiger Zeit, als es in Pences Umgebung einen Corona-Fall gab, ihren persönlichen Kontakt drastisch reduziert. Sie agieren, wie das viele andere Institutionen machen, in zwei getrennten Teams, die physisch auf Distanz bleiben, damit eine handlungsfähige Mannschaft bleibt, wenn sich in der anderen das Virus ausbreitet.

Szenario 2: Ein Wahlkampf ohne Trump

Muss Trump – und eventuell auch Biden – seinen Wahlkampf unterbrechen? Das hängt vom jeweiligen Gesundheitszustand ab. Trump ist jetzt in Isolation. Doch auch abgeschirmt vom persönlichen Kontakt mit Mitarbeitern hat er Kommunikationsmöglichkeiten, sofern er gesund genug dafür ist. Er kann twittern. Er kann sich im Oval Office oder einem anderen Raum, in dem keine anderen Menschen sind, vor eine von außen gesteuerte Kamera stellen und sich an die Nation wenden – so wie Biden das gelegentlich vom Fernsehstudio im Keller seines Hauses in Delaware tut.

Womöglich ist Trump nach ein paar Tagen wieder fit. Dann geht der Wahlkampf weiter, ohne größere Veränderung. Ganz anders wäre die Dynamik, wenn Trump für längere Zeit ausfiele. Zwar können andere für ihn auftreten, wie das zum Beispiel Vizepräsident Mike Pence und die regionalen Top-Politiker der Republikaner schon jetzt tun. Wenn Trump jedoch über eine längere Phase nicht mehr das Gesicht der Kampagne wäre, würden die Fragen lauter, ob er noch der Spitzenkandidat sein kann.

Szenario 3: Eine Wahl ohne Trump

Der republikanische Parteitag hat Trump als Präsidentschaftskandidaten aufgestellt. Fiele er aus, kann die Partei einen Ersatz nominieren. Ob das aber rechtzeitig geschieht, damit der neue Name auf die Stimmzettel kommt, hängt von Fristen ab. Und zum Teil laufen die in den nächsten Tagen ab.

Dies ist zwar eine nationale Wahl, aber viele Details regeln die 50 Bundesstaaten in ihrem jeweiligen Wahlrecht: wie und bis wann Kandidaten auf den Stimmzettel kommen; und ob ein sogenanntes „Write in“ erlaubt ist, dass also Wählerinnen und Wähler einen neuen Namen auf den Wahlzettel schreiben dürfen.

Viel hält Trump nicht vom Mund-Nasen-Schutz
Viel hält Trump nicht vom Mund-Nasen-Schutz

© dpa

Dieses „Write-in“ gestatten viele Staaten bei Wahlämtern, aber nicht alle. In Alaska hatten die Republikaner 2010 die populäre Senatorin Lisa Murkowski nicht wieder aufgestellt, sondern einen Tea-Party-Populisten, Joe Miller. Murkowski forderte die Wählerinnen und Wähler auf, ihren Namen auf die Wahlzettel zu schreiben – und gewann.

Bei der Präsidentschaftswahl geht diese Ersatzlösung nicht so einfach. Denn die Bundesstaaten, die kein „Write-in“ vorsehen, würden einem Ersatzkandidaten diesen Weg zum Sieg wohl verbauen. Präsident wird nicht, wer landesweit die meisten Stimmen hat, das sogenannte „Popular Vote“. Um Präsident zu werden, muss man mindestens 270 der 538 Wahlmänner gewinnen. Und wenn ein „Write-in“-Kandidat in zu vielen Staaten nicht gezählt wird, funktioniert dieser Weg zur Präsidentschaft nicht.

Republikaner würden wohl argumentieren, dass Trump weiter auf dem Stimmzettel stehe und dass eine Stimme für Trump, auch wenn der ausfällt, als Stimme für seinen Vize Mike Pence gezählt werden müsse, da die beiden als Team antreten. Darüber müsste am Ende wohl der Supreme Court entscheiden.

Wenn diese Hoffnung den Republikanern zu unsicher ist, könnten sie überlegen, ob sie unter den bereits für die Stimmzettel akzeptierten Präsidentschaftskandidaten eine Person suchen, die programmatisch der beste Ersatz für Trump ist – und zur Wahl dieser Person aufrufen.

Tatsächlich treten nicht nur ein Republikaner und ein Demokrat an, sondern mehr als ein Dutzend Männer und Frauen, als Spitzenkandidaten von Kleinparteien mit Namen wie „Conservative Party“, „Constitution Party“, „Independence Party“, aber auch für die Grünen, Sozialisten, Kommunisten und viele mehr. Falls Trump – oder Biden – vor dem Wahltag dauerhaft ausfällt, könnte die jeweilige Partei ihre Anhänger aufrufen, diese Ersatzperson zu wählen. Da diese Person im Zweifel weit weniger bekannt ist, sind die Erfolgsaussichten, das gegnerische Lager so zu schlagen, begrenzt.

Szenario 4: Eine Amtseinführung ohne einen gewählten Präsidenten

Wieder anders ist die Lage, wenn Trump und Biden am Wahltag amtsfähig sind, der Wahlsieger dann aber in der Zeit bis zur Amtseinführung am 20. Januar ausfällt. Diesen Fall haben die USA noch nie erlebt. Sie hatten Präsidenten, die kurz nach der Vereidigung starben. Aber noch nie kam es vor, dass der Wahlsieger bei der Vereidigung nicht mehr lebte.

Ob dann der im Team mit angetretene Vize Präsident wird, ist zweifelhaft. Er ist nicht direkt gewählt. Er wird nur „huckepack“ zum „Vice President-elect“, ist aber, falls der „President-elect“ zwischen Wahl und Amtseinführung ausfällt, noch nicht für die neue Amtszeit legitimiert und vereidigt.

Die Demokraten würden argumentieren, das sei eine Situation, in der es weder einen legitimen Präsidenten noch einen legitimen Vizepräsidenten gibt. Dass also das Präsidentenamt dem „Speaker“ des Kongresses zufalle – nach aller Voraussicht wird das die Demokratin Nancy Pelosi sein. Über diesen Streitfall hätte im Zweifel wohl der Supreme Court zu entscheiden.

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