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Al-Qaida-Chef Aiman al Sawahiri

© dpa

US-Drohnenangriff in Kabul: Biden bestätigt Tötung von Al-Qaida-Chef Aiman al Sawahiri

Die CIA hat al Sawahiri in Afghanistan getötet. Deutsche Sicherheitskreise befürchten, dass Al Qaida mit Hilfe der Taliban „zu alter Stärke zurückfindet“.

| Update:

Der US-Geheimdienst CIA hat bei einem gezielten Drohnenangriff in der afghanischen Hauptstadt Kabul den Chef des Terrornetzwerks Al Qaida, Aiman al Sawahiri, getötet. Das bestätigte US-Präsident Joe Biden bei einer Ansprache am Montagabend (Ortszeit). „Der Gerechtigkeit wurde genüge getan. Dieser Terroristenchef existiert nicht mehr“, sagte Biden.

Der erfolgreiche Einsatz sei ein klares Signal an alle Feinde der USA. „Egal, wie lange es dauert, egal, wo Sie sich verstecken: Wenn Sie eine Gefahr für das amerikanische Volk sind, werden die Vereinigten Staaten Sie finden und ausschalten“, sagte Biden weiter.

Für Jahrzehnte sei al Sawahiri der Drahtzieher hinter Anschlägen auf Amerikaner gewesen. „Wir werden nicht zerbrechen. Wir geben nicht auf. Wir werden niemals vergessen“, sagte Biden.

Al Sawahiri war bin Ladens Nachfolger

Der ägyptische Arzt al Sawahiri hatte die Führung von Al Qaida nach dem Tod von Osama bin Laden übernommen, den US-Spezialeinheiten 2011 in Pakistan getötet hatten. Nun schalteten die Amerikaner auch dessen Nachfolger aus – in Afghanistan, knapp ein Jahr nach dem chaotischen Truppenabzug vom Hindukusch.

Al Sawahiri gilt als eine zentrale Figur hinter den Anschlägen vom 11. September in den USA mit knapp 3000 Toten. Die USA hatten ein Kopfgeld von 25 Millionen Dollar auf ihn ausgesetzt.

US-Präsident Joe Biden
US-Präsident Joe Biden

© Jim Watson/dpa/Pool AFP

Biden sagte, al Sawahiri habe eine zentrale Rolle bei den Anschlägen auf den Navy-Zerstörer USS Cole im Jahr 2000 und die US-Botschaften in Kenia and Tansania 1998 gespielt.

„Heute erinnern wir uns an die Verluste. Und wir verpflichten uns der Sicherheit der Lebenden. Wir schwören, dass wir niemals darin nachlassen, unser Land und unsere Landsleute zu verteidigen“, sagte Biden. Er sprach auf einem Balkon des Weißen Hauses, da er sich derzeit wegen einer Corona-Infektion in Isolation befindet.

Hochrangige Regierungsmitarbeiter berichteten Details über die Aktion. Demnach war die Attacke auf al Sawahiri seit Monaten vorbereitet worden.

Al Sawahiri lebte in einem „Safehouse“

Al Sawahiri habe in einem „Safehouse“ in der Innenstadt von Kabul gelebt, in einem Versteck, das er nie verließ. Er sei manchmal auf dem Balkon gewesen – dort hätte die CIA ihn mit der Drohne erwischt.

Anzeichen für zivile Opfer gebe es keine, betonten die Regierungsvertreter. Nach US-Erkenntnissen sei lediglich al Sawahiri bei der Attacke ums Leben gekommen.

Biden habe den Drohnenangriff am 25. Juli angeordnet, nachdem er sich ausführlich hatte beraten lassen. Biden hat sich Regierungsangaben zufolge wochenlang mit einem Modell von al Sawahiris „Safehouse“ beschäftigt, das ihm Geheimdienstmitarbeiter gebaut und in den Situation Room gebracht hatten. Der Präsident stellte demnach immer wieder Fragen und wog die Risiken ab.

Al Sawahiri sei in der Zeit der Anschläge vom 11. September 2001 bin Ladens Stellvertreter gewesen und nach dessen Tod an seine Stelle aufgerückt. Der 71-Jährige sei der ranghöchste Anführer Al Qaidas gewesen, habe weiter zu Anschlägen gegen die USA aufgerufen und damit eine Bedrohung dargestellt. Sein Tod sei ein schwerer Schlag für die Terrorgruppe. Deutsche Sicherheitskreise sehen Sawahiri als „väterlich religiöse Autorität“.

Ausgeführt worden sei der Angriff am 30. Juli um 21:48 Uhr US-Ostküstenzeit (31. Juli, 3:48 Uhr deutscher Zeit). Biden sei informiert worden, als die Aktion begann und als sie beendet war.

Taliban sollen nicht über die Aktion informiert worden sein

Nach dem Angriff hätten die Taliban die Frau und Tochter von Aiman al Sawahiri sowie deren Kinder an einen anderen Ort gebracht. Die Taliban sei vorab nicht über den Angriff informiert worden.

Zum Zeitpunkt des Angriffs habe sich kein US-Personal in Afghanistan aufgehalten, versicherten die Regierungsmitarbeiter. Die US-Regierung erwarte, dass sich die Taliban weiterhin an das Doha-Abkommen hielten.

In der Vereinbarung von Doha ist der Rückzug aller Truppen der USA und derer Verbündeten aus Afghanistan geregelt worden. Im Gegenzug gaben die Taliban Sicherheitszusagen gegenüber den USA und ihren Verbündeten ab.

Washington: Taliban wussten von al Sawahiris Aufenthaltsort

Die US-Regierungsvertreter erklärten, Taliban-Anführer hätten gewusst, dass der Al-Qaida-Chef in Kabul war. Sie hätten damit klar gegen Vereinbarungen mit den USA verstoßen, dass Al-Qaida-Kämpfer nicht wieder Fuß in Afghanistan fassen dürften. Experten hatten zuletzt vermutet, dass sich al Sawahiri im Grenzgebiet zwischen Afghanistan und Pakistan versteckt.

Osama bin Laden und Aiman al Sawahiri
Osama bin Laden und Aiman al Sawahiri

© dpa

Ein ehemaliger ranghoher US-Geheimdienstmitarbeiter betonte gegenüber dem Tagesspiegel, dass der Schlag gegen al Zawahiri „sehr bedeutend“ sei. Zur Begründung verwies er vor allem auf die Tatsache, dass sich al Sawahiri in Kabul aufgehalten hat. „Das heißt offenbar, dass die Beziehung zwischen den Taliban und Al Qaida weiterhin eng ist.“

Die Bedeutung des Angriffs sei allerdings mehr symbolisch, da die Mitglieder von Al Qaida weltweit größtenteils autonom agierten und keine direkte Verbindung zu al Sawahiri gehabt hätten.

Das heißt offenbar, dass die Beziehung zwischen den Taliban und Al Qaida weiterhin eng ist.

Ein ehemaliger ranghoher US-Geheimdienstmitarbeiter

Wie bereits bin Laden hätte auch al Sawahiri seine Kommunikation strikt geheim halten müssen, um für den US-Geheimdienst nicht sichtbar zu werden. Das, so der ehemalige ranghohe US-Geheimdienstmitarbeiter, sei nun auch bei al Sahawiri schiefgegangen. Letztlich sei es Anführern Al Qaidas und anderer Extremistengruppen immer so ergangen.

Deutsche Sicherheitskreise sagten dem Tagesspiegel am Dienstag, die Tötung des Al-Qaida-Chefs schwäche die islamistische Terrororganisation nur wenig, zeuge aber von ihrer wachsenden Präsenz in Afghanistan. „Al Qaida hat wieder wie vor 9/11 eine Basis in Afghanistan und kann von dort aus schwere Anschläge planen“, hieß es. Zu befürchten sei, dass die Terrororganisation mit Hilfe der Taliban „zu alter Stärke zurückfindet“.

Es sei „schon dreist“, dass Sawahiri, den die Amerikaner jahrzehntelang gesucht hatten, sich nun relativ offen in Kabul bewegen konnte und offenkundig von den Taliban ein „Safehouse“ zur Verfügung gestellt bekam.

Bevor bekannt wurde, dass al Sawahiri mutmaßlich getötet wurde, hatten die radikalislamischen Taliban den USA einen Drohnenangriff auf ein Wohnviertel in Kabul vorgeworfen. Am Sonntag sei dort ein Haus beschossen worden, sagte der Sprecher der Extremisten, Sabihullah Mutschahid, am Montag.

Taliban kritisieren den Angriff

Die Taliban verurteilten den Angriff als Bruch internationaler Prinzipien und des Vertrags zum Abzug der US-Truppen aus Afghanistan aus dem vergangenen Jahr. Der Drohnenangriff auf al Sawahiri war der erste bekannte Anti-Terrorismus-Einsatz seit dem Rückzug aus Afghanistan.

Seinen letzten öffentlichen Auftritt hatte al Sawahiri im vergangenen September – genau 20 Jahre nach den Terroranschlägen vom 11. September 2001. In einer Videobotschaft rief er seine Anhänger damals auf, die Staaten im Westen und ihre Verbündeten im Nahen Osten zu bekämpfen.

Immer wieder gab es Gerüchte über al Sawahiris Tod

In den Jahren davor hatte es unbestätigte Gerüchte über seinen Tod gegeben. Sein genauer Aufenthaltsort war unbekannt. Auch über seinen Gesundheitszustand wurde gerätselt. Medien berichteten 2019 unter Berufung auf Geheimdienstinformationen, Sawahiri leide unter Herzproblemen.

Biden hatte Ende August 2021 den Abzug aller US-Truppen aus Afghanistan angeordnet und damit den internationalen Militäreinsatz in dem Land nach fast 20 Jahren beendet. Die Taliban hatten kurz zuvor die Macht in Kabul übernommen.

Der internationale Abzug wurde durch ihren rasanten Eroberungsfeldzug erschwert und gestaltete sich chaotisch. Insgesamt stieß der Afghanistan-Abzug der Amerikaner international auf viel Kritik und Unverständnis.

Als kurz vor dem Abschluss des Abzugs 13 US-Soldaten und rund 170 Afghanen durch einen Anschlag am Flughafen ihr Leben verloren, geriet Biden auch innenpolitisch stark unter Druck. Damals versprach er, den Kampf gegen den Terrorismus in der Region nicht aufzugeben.

Kritiker hatten prophezeit, dass die USA mit dem Abzug in größerer Gefahr seien, weil ihnen viele Informationen nicht mehr zugänglich seien. Mit dem erfolgreichen Drohnenschlag konnte Biden nun zumindest zeitweise das Gegenteil beweisen.

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