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 Lorenz Caffier,  Innenminister von Mecklenburg-Vorpommern.

© imago images

Waffenkauf im rechtsextremen Umfeld: Sonderbare Zurückhaltung – Caffiers Taktik im Nordkreuz-Komplex

Durch sein Schweigen zum Waffenerwerb hat sich der CDU-Innenminister potenziell erpressbar gemacht, sagen Kritiker. Und nicht nur das. Eine Liste der Unstimmigkeiten.

Im Juni 2019 hatte Lorenz Caffier mal wieder einen merkwürdigen Auftritt. Der Innenminister Mecklenburg-Vorpommerns verkündete auf einer Pressekonferenz die Festnahme von vier Elitesoldaten. Auch diverse Razzien habe es gegeben. Unter anderem in Güstrow. Dort liegt ein Schießplatz, dessen Besitzer Frank T. Kontakt zu Rechtsextremen der Preppergruppe „Nordkreuz“ hatte.

Caffier las seine Erklärung vor und verschwand, ohne Nachfragen zuzulassen. „Auffallend einsilbig“ sei Caffiers Auftritt gewesen, titelte die „Süddeutsche Zeitung“ anschließend.

Noch viel merkwürdiger wirkt das Verhalten des Innenministers der rot-schwarzen Landesregierung jetzt, anderthalb Jahre später, da man weiß, dass Caffier lange Zeit ein Geheimnis mit sich herum trug.

Das Eingeständnis nach starkem Druck

Immer wieder lehnte Caffier Interviewanfragen zu besagtem Schießstand in Güstrow, zu dessen umstrittenem Besitzer und zu seinen eigenen Verbindungen dorthin ab. Am Freitag gab der Christdemokrat nun zu: Frank T. und ihn verband mehr, als bisher bekannt war. Lorenz Caffier hat eine Waffe bei Frank T. gekauft. Der Minister sagt, dies sei Anfang 2018 geschehen, zu diesem Zeitpunkt habe T. noch als „unbescholtener Topexperte“ gegolten.

In den knapp drei Jahren seit Caffiers Waffenkauf sind allerdings immer mehr Details über Frank T. und dessen Firma „Baltic Shooters“ an die Öffentlichkeit gelangt. Zum Beispiel, dass das Bundeskriminalamt bereits im Juli 2017 wusste, dass ein User namens „Baltic Shooters“ in der berüchtigten Telegramgruppe „Nordkreuz“ aktiv war. Das ist die Gruppe, in der rechtsextreme Prepper einen gewaltsamen Umsturz für den „Tag X“ planten.

Unter anderem war vorgesehen, politische Feinde zu ermorden. Man wollte mehrere hundert Leichensäcke kaufen. Der Gründer des Chats musste sich vor Gericht verantworten, nachdem Ermittler bei ihm etliche Schusswaffen und mehr als 50.000 Schuss Munition gefunden hatten. Er wurde wegen illegalen Waffenbesitzes zu einer Bewährungsstrafe verurteilt.

Frank T., auch das ist gerichtsfest dokumentiert, hat eine Nachricht an den Nordkreuz-Chatgründer mit Handlungsanweisungen verschickt. Darin steht unter anderem: „Desto besser die Kommunikation, umso einfacher das Sammeln untereinander am Tag X. Doch bis dahin gilt für jeden von uns, so wenig wie möglich aufzufallen.“ Außerdem war der Chatgründer als Ausbilder auf Frank T.s Schießstand aktiv. Bei der Razzia im Haus des Chatgründers wurden zudem Hunderte Patronen in Kartons gefunden, die mit einem Aufkleber „an Frank T., Baltic Shooters“ versehen waren.

Dies alles wurde bekannt, ohne dass es Innenminister Caffier für nötig befand, die Öffentlichkeit über seinen eigenen Waffenkauf bei Frank T. zu informieren. Im Gegenteil: Er wies reihenweise Interviewanfragen ab.

„Potentiell erpressbar“

Weshalb der Minister den Kauf so lange verheimlichte, ist nicht nachzuvollziehen, sagt der SPD-Landtagsabgeordnete Dirk Friedriszik. „Sicher ist aber: Dieses Geheimnis hat Lorenz Caffier potentiell erpressbar gemacht.“ Damit meint Friedriszik, dass es möglich gewesen wäre, Caffier mit dieser verheimlichten Tatsache zu erpressen - nicht, dass Caffier tatsächlich erpresst wurde.

Die Frage, wer außer Frank T. noch von seinem Geheimnis wusste, beantwortet Caffier dem Tagesspiegel nicht.

Der Chatgründer von „Nordkreuz“ vor Gericht.
Der Chatgründer von „Nordkreuz“ vor Gericht.

© picture alliance/dpa

Dass es überhaupt eine Verbindung von Caffier zu Frank T. gab, war bekannt. Auf dem Schießstand in Güstrow wurde jahrelang ein „Special Forces Workshop“ für Spezialeinheiten aus verschiedenen Teilen Deutschlands veranstaltet. Caffier fungierte als Schirmherr, war teils auch persönlich anwesend. Genau deshalb wollten Journalisten seit langem Details zu Caffiers Verbindung zu Frank T. und dessen Schießplatz in Erfahrung bringen.

Noch vergangene Woche wich Caffier aus, als die taz-Reporterin Christina Schmidt ihn befragte, ob er eine Waffe bei T. gekauft habe. Die auf Video festgehaltene Verweigerung löste in den Sozialen Medien große Empörung aus. Am Tag darauf gab Caffier gegenüber dem „Spiegel“ den Waffenkauf schließlich zu.

Ungute Erfahrungen hat auch der ZDF-Journalist Dirk Laabs mit Caffier gemacht. Nach eigenen Aussagen bat er den Innenminister zigfach um ein Interview, unter anderem zu Frank T. und dessen Schießstand in Güstrow. Auf Anfragen seien erst Absagen gekommen, dann sei gar nicht mehr reagiert worden. Als Laabs mit seinem Kamerateam schließlich persönlich beim Minister vorstellig wurde, äußerte sich Caffiers Sprecherin zunächst überrascht, dass die Anfragen des ZDFs nicht mehr beantwortet werden. Sie sagte, sie würde das gern „nochmal besprechen“. Statt Laabs Rückmeldung zu geben, schickte sie Security, die Dirk Laabs aus dem Gebäude schmiss. Die Szene ist in der ZDF-Dokumentation “Angriff von innen” zu sehen.

Inzwischen hat sich auch Katrin Bennhold, Autorin der „New York Times“, mit einem schweren Vorwurf zu Wort gemeldet. Sie sagt, sie sei von Caffiers Sprecherin belogen worden. Noch im Juli habe sie explizit gefragt, ob Caffier eine Waffe bei Frank T. gekauft habe. Dies habe die Sprecherin verneint. Bennhold nennt das Verhalten „ganz schön dreist“. Warum ihr die Falschinformation gegeben wurde, erklärt Caffier auf Anfrage des Tagesspiegels nicht. Auch die Sprecherin schweigt zu dem Vorwurf.

Kollegen anderer Medien, etwa der „taz“, haben Caffier ebenfalls schon vor Jahren um Interviews oder Hintergrundgespräche zum Thema gebeten. Erfolglos.

Die Liste der Unstimmigkeiten ist noch länger. Am vergangenen Freitag erklärte Caffier, sein Bundesland habe im Nordkreuz-Komplex erst die Ermittlungen aufnehmen können, nachdem das Bundeskriminalamt Anfang 2019 „erste Unterlagen“ übermittelt habe. Diese Behauptung widerspricht den Aussagen der Bundesregierung: Denn das Landesamt für Verfassungsschutz, das Caffiers Ministerium untersteht, hat bereits spätestens im März 2018 Unterlagen des Bundeskriminalamts erhalten - also viele Monate vor dem von Caffier jetzt behaupteten Zeitpunkt. Das geht aus einer Antwort auf die Anfrage der Linken-Bundestagsabgeordneten Martina Renner, Drucksache 19/17340, hervor.

Der SPD-Landtagsabgeordnete Dirk Friedriszik sagt am Telefon, Caffiers Aussagen passten „zeitlich nicht zusammen“. Er gehe davon aus, dass der Minister die Zusammenhänge „nicht richtig darstellt“. Und dies, nachdem die gesamte Aufklärungsarbeit der Behörde ohnehin „über Jahre sehr dürftig und schleppend verlief, alles immer nur nach Druck von außen herauskam“.

Besonders ärgert Friedriszik der Vorwurf von Caffier-Treuen, Kritiker würden versuchen, den Innenminister in die rechte Ecke zu stellen. „Niemand stellt Caffier in die rechte Ecke. Das ist bloß ein plumper Versuch, um berechtigte Kritik an seiner mangelhaften Aufklärungsarbeit im Nordkreuz-Komplex und seinem jahrelangen Schweigen zu diffamieren.“

Betroffene jahrelang nicht informiert

Sein Kollege Peter Ritter von der Linken geht noch weiter und sagt: „Im Grunde gab es bis heute keine Aufklärungsarbeit“. Als Beispiel nennt er die von Caffier eingerichtete Kommission, die sich ein Bild der Prepperszene des Landes machen sollte. Den für Ende 2017 angekündigten Zwischenbericht gab es nie. Auch der für 2018 geplante Abschlussbericht wurde bis heute nicht veröffentlicht.

Dazu kommt, dass Caffier es über Jahre hinweg nicht für nötig hielt, die Betroffenen zu informieren, deren Namen von Nordkreuz-Mitgliedern gesammelt wurden. Wohlgemerkt jenen Rechtsextremen, die planten, an einem „Tag X“ ihre politischen Gegner zu ermorden.

Auch Peter Ritter kritisiert, dass sich Lorenz Caffier durch das jahrelange Verheimlichen seines Waffenkaufs potentiell erpressbar gemacht habe.

Montagabend verschickt Caffier eine Pressemitteilung, in der er einräumt, er hätte im Mai 2019 „eine Erklärung zum Waffenkauf abgeben müssen.“ Dies nicht getan zu haben, „war ein Fehler, den ich bedauere“.

Eine Anfrage des Tagesspiegels bleibt dagegen unbeantwortet. Wann Caffier den Waffenhändler und Schießstandbetreiber Frank T. zuletzt persönlich traf, mit ihm telefonierte oder per Mail kommunizierte, sagt der Innenminister dem Tagesspiegel nicht.

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