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Bild des Jammers. Nur jeder fünfte Baum ist gesund.

© picture alliance/dpa

Holzfabrik und Klimaretter: Wie die Agrarminister den Wald retten wollen

Nur jeder fünfte Baum ist gesund. Der Wald muss umgebaut werden, um dem Klima zu trotzen. Die Waldeigentümer sollen dabei unterstützt werden.

Wie gut, dass Bäume nicht sprechen können. Sonst wäre ein Waldspaziergang schon seit Jahren keine Freude mehr. Nur jeder fünfte Baum ist gesund, ergab der kürzlich vorgestellte Waldzustandsbericht des Bundesagrarministeriums. Deutschlands Bäume leiden unter Trockenheit und Dürre.

Das betrifft vor allem die Fichten. Schädlinge wie der Borkenkäfer haben leichtes Spiel, weil die geschwächten Nadelbäume nicht die Kraft haben, ihre Feinde – wie das gesunde Bäume tun würden – in Harz einzuschließen und unschädlich zu machen. Andere Baumarten leiden unter Pilzkrankheiten. Stürme entwurzeln die Bäume, Waldbrände vernichten große Bestände. „Gerade im Wald werden die Folgen der Klimakrise sichtbar“, heißt es im Koalitionsvertrag. „Gleichzeitig ist er für das Erreichen unserer Klimaschutzziele unerlässlich. Durch einen gezielten Waldumbau müssen artenreiche und klimaresiliente Wälder mit überwiegend standortheimischen Baumarten geschaffen werden.“

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Dabei müssen alle an einem Strang ziehen, darin sind sich die Agrarminister der Länder mit Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir (Grüne) einig. Am Montag berieten sie bei einem Sondertreffen, wie der Wald gegen die Herausforderungen der Klimakrise gerüstet werden kann – und wie der Staat die Waldbesitzer beim Umbau unterstützen kann. Der deutsche Wald entlastet die Atmosphäre jährlich um rund 62 Millionen Tonnen Kohlenstoff, das sind sieben Prozent der Emissionen.

Ökoleistungen sollen honoriert werden

Der Wald kühlt Boden und Luft, er speichert Wasser und gibt Tieren einen Lebensraum. Özdemir kündigte an, dass die Leistungen, die der Wald für die Biodiversität bringt, künftig honoriert werden sollen. Die EU-Kommission hat in ihrer Biodiversitätsstrategie beschlossen, aus Gründen des Klimaschutzes zehn Prozent der europäischen Wälder nicht mehr für die Produktion zu nutzen. Auch Özdemir spricht von einer „Extensivierung der Nutzung“. Stilllegungsprämien für Waldbesitzer soll es aber frühestens 2023 geben. „Wenn Waldbesitzende bestimmte ökologische Kriterien im Wald erfüllen, und damit vermehrt Ökosystemleistungen bereitgestellt werden, dann können sie damit Geld verdienen“, sagte eine Sprecherin Bundesumweltministeriums dem Tagesspiegel. „Zu diesen Vorgaben kann auch gehören, Wald auf begrenzten Flächen der natürlichen Entwicklung zu überlassen“.

Hilfe für Waldbesitzer soll eine Holzbauoffensive bringen. „Holz ist unser wichtigster nachwachsender Rohstoff“, betonte Özdemir. Holz speichert Kohlendioxid, andere Baustoffe wie Zement, Stahl oder Aluminium setzen dagegen bei der Produktion Kohlendioxid frei.

Viel Holz: Der Staat plant eine Holzbauoffensive.
Viel Holz: Der Staat plant eine Holzbauoffensive.

© imago/CHROMORANGE

Doch die Waldeigentümer wollen auch konkrete, finanzielle Hilfen. In den Katastrophenjahren 2018 und 2019, als Bilder von kahlen Wäldern im Harz durch die Nachrichten gingen, hatte die damalige Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner (CDU) ein Hilfspaket auf den Weg gebracht, das noch heute läuft: Bund und Länder stellen bis 2023 insgesamt 1,5 Milliarden Euro bereit, um die Folgen von Sturm und Dürre zu bewältigen, Schadflächen mit angepassten Laub- und Nadelbaumarten wieder zu bewalden und die Waldbesitzer bei einer nachhaltigen Waldbewirtschaftung zu unterstützen. „Diese Mittel werden sehr stark nachgefragt und kommen bei den Waldbesitzenden an“, sagte eine Sprecherin des Ministeriums dem Tagesspiegel.

Jetzt ist geplant, zusätzliche Leistungen der Waldbesitzer für den Klimaschutz und die Biodiversität zu finanzieren. Dafür sind im Regierungsentwurf des Bundeshaushaltes für die Jahre 2022 bis 2026 insgesamt 900 Millionen Euro vorgesehen. Als erstes sollen 200 Millionen Euro an die Waldbesitzer fließen.

Mecklenburg-Vorpommern: Schutz durch Nutzung

Mecklenburg-Vorpommerns Agrarminister Till Backhaus (SPD) reicht das nicht. 2018 seien über 400 000 Hektar Waldfläche als Folge von Dürre und Trockenheit zerstört worden, sagte Backhaus, für die Beseitigung von Schadholz und die Wiederaufforstung seien 50 Milliarden Euro nötig. „Der Wald ist einer der wichtigsten Partner im Kampf gegen den Klimawandel“, betont Backhaus, von „Extensivierung“ hält er nichts, im Gegenteil: „Wir brauchen Schutz durch Nutzung“. Dabei hat der Sozialdemokrat auch die CO2-Abgabe im Blick. Ein Hektar Wald speichere acht Tonnen CO2 im Jahr, bei einer CO2-Abgabe von 30 Euro pro Tonne erbringe ein Hektar Wald eine Ökosystemleistung von 240 Euro. Das will Backhaus honoriert sehen.

Wald vor Wild

Zudem will er den Wald vor zu viel Wild schützen. Das sollte eigentlich in einer Novelle des Bundesjagdgesetzes geregelt werden, die jedoch in der letzten Legislaturperiode gescheitert ist. Özdemir würde das Projekt gern noch einmal anpacken, sieht sich daran aber durch den Koalitionsvertrag gehindert. Brandenburg arbeitet dagegen nun an einem Landesgesetz – zum Ärger der Jäger.

Auch Brandenburgs Agrarminister Axel Vogel (Grüne) unterstützt die Holzbauoffensive. Dabei soll die regionale Verarbeitung aber Vorrang vor dem Export bekommen. Waldbesitzer und Holzindustrie wollen Holz aber nicht nur als Baustoff, sondern auch als Energieträger nutzen und sehen sich durch den Krieg in der Ukraine bestärkt. Das sieht Vogel anders: Energetisch genutzt, also verbrannt werden, dürfe nur Restholz, kein Wertholz. Heike Jahberg

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