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Depressionen und Angststörungen bei Kindern und Jugendlichen haben seit Beginn der Corona-Pandemie zugenommen.

© dpa/Nicolas Armer

Fettleibigkeit, Ess- und Angststörungen : So hat die Corona-Pandemie Kinder und Jugendliche beeinträchtigt

In einer DAK-Studie ist jetzt nachzulesen, was zwei Jahre Coronakrise unter Kindern und Jugendlichen angerichtet haben. Experten sprechen von einer dramatischen Entwicklung, sie warnen vor Chronifizierung und Spätfolgen. 

Ob Depressionen, Ess- oder Angststörungen: Die Corona-Pandemie und die damit einhergehenden Einschränkungen haben die psychische Gesundheit von Kindern und Jugendlichen massiv beeinträchtigt. Das ist einer neuen Studie der DAK-Gesundheit für die Jahre 2019 bis 2021 zu entnehmen, die dem Tagesspiegel Background vorab vorlag und am heutigen Dienstag in Berlin vorgestellt wurde.

So wurden im zweiten Corona-Jahr 54 Prozent mehr Mädchen im Alter von 15 bis 17 Jahren erstmalig aufgrund von Essstörungen behandelt als noch vor der Pandemie. Bei Angststörungen registrierten die Analysten bei der gleichen Personengruppe eine Steigerung um 24 Prozent.

Und unter den zehn- bis 14-jährigen Mädchen erhöhte sich die Rate der Depressions-Neuerkrankten ebenfalls um ein knappes Viertel. Bei den Jungs dagegen ist eher Fettleibigkeit das Problem. Hier stieg die Zahl der Neubetroffenen im Jugendlichen- und auch im Grundschulalter um jeweils 15 Prozent.

Große Unterschiede zwischen Mädchen und Jungs

Erschreckend ist auch der Blick auf die Zahl derer, die aufgrund psychischer Erkrankungen erstmals medikamentös behandelt wurden. Bei den 15- bis 17-jährigen Mädchen mit Depressionen erhöhte sich die Quote um 65 Prozent, bei der Diagnose Essstörung nahm sie sogar um 75 Prozent zu.

Ein erheblicher Kontrast zur Therapie von somatischen Erkrankungen, gegen die Kindern und Jugendliche im vergangenen Jahr 2021 deutlich weniger Arzneimittel verschrieben erhielten als noch vor Corona. So sank die Zahl der verordneten Antibiotika im Jahr 2021 beispielsweise um stattliche 43 Prozent.

Bei den 15- bis 17-jährigen Mädchen stiegen die Behandlungszahlen bezüglich Depressionen.
Bei den 15- bis 17-jährigen Mädchen stiegen die Behandlungszahlen bezüglich Depressionen.

© imago/photothek

Auffällig sind auch die großen Unterschiede bei den psychischen Erkrankungen zwischen den Geschlechtern. Das zeigt sich besonders bei Depressionen. Hier stiegen 2021 die Behandlungszahlen von 15- bis 17-jährigen Mädchen im Vergleich zur Vor-Corona-Zeit um 18 Prozent, bei den Zehn- bis 14-Jährigen sogar um 23 Prozent.

Bei den Jungs hingegen sank die Neuerkrankungsrate in diesen Altersgruppen um 15 Prozent (Jugendliche) beziehungsweise 17 Prozent (Schulkinder). Ein ähnliches Bild zeigt sich bei Ess- und Angststörungen: Während bei jugendlichen Mädchen die Behandlungszahlen deutlich zunahmen, sanken sie bei den Jungs.

Plädoyer für Halt gebende Alltagsstrukturen

DAK-Vorstandschef Andreas Storm sprach von einer dramatischen Entwicklung. „Wir dürfen die betroffenen Kinder, Jugendlichen und ihre Eltern mit den Problemen nicht allein lassen“, sagte er. In einer konzertierten Aktion müssten Politik und Experten aus allem beteiligten Bereichen die Folgen der Pandemie kurzfristig bewerten und Sofortprogramme und Hilfsangebote starten. Wichtig seien offene Schulen im nächsten Corona-Winter, aber auch die Aufrechterhaltung von Halt gebenden Alltagsstrukturen, wie etwa Sportvereinen und anderen Einrichtungen der Kinder- und Jugendarbeit.

Für die repräsentative Analyse wurden ambulante und stationäre Behandlungsdaten von 782.000 Kindern und Jugendlichen bis 17 Jahren wissenschaftlich untersucht und mit der Situation vor der Pandemie verglichen.

Der Berufsverband der Kinder- und Jugendärzte bestätigte die Kernergebnisse. „Insgesamt zeichnet der aktuelle Kinder- und Jugendreport ein Bild, das wir aus unserem Praxisalltag kennen“, sagte Präsident Thomas Fischbach. Die Corona-Zeit habe „insbesondere bei Kindern und Jugendlichen tiefe Spuren hinterlassen“.

Experten warnen vor Langzeitfolgen

Besonders besorgt zeigte sich der Verbandspräsident über den explosionsartigen Anstieg bei der Verschreibung von Antidepressiva. Und auch Christoph U. Correll, Direktor der Klinik für Psychiatrie, Psychosomatik und Psychotherapie des Kindes- und Jugendalters an der Berliner Charité, nannte die Studienergebnisse „besorgniserregend“.

Zu rechnen sei mit chronischen Verläufen und Langzeitfolgen, warnte er. Zumal auch noch eine hohe Dunkelziffer von psychisch neu erkrankten Kindern und Jugendlichen zu erwarten sei, die bislang weder diagnostiziert noch behandelt wurden.

Nach Angaben der DAK prägen Kindheit und Jugend die gesundheitliche und psychische Entwicklung ein Leben lang. Wer als Kind oder Jugendlicher chronisch-somatisch oder psychisch erkranke, sei auch als Erwachsene stärker gefährdet als andere. Mehr als die Hälfte aller psychischen Erkrankungen entstünden beispielsweise bereits vor dem 19. Lebensjahr.

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