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Im Zaun gehalten. Hinter der Uferzone lauern an dieser Stelle Gefahren. Wo Seelöwen umgeleitet werden müssen, lässt sich mit einer Computermodellierung ermitteln.

© Jim Fyfe

Kein Zugang zu Loch 13: Seelöwen-Kinderstube auf dem Golfplatz

In Neuseeland versucht man mit virtuellen aber auch handfesten Mitteln - und Hilfe aus Dresden -, Konflikte zwischen Meeressäugern und Menschen zu vermeiden.

Von Roland Knauer

Den Spielern auf dem Golfplatz Chisholm Links in Dunedin auf der Südinsel Neuseelands verwehrte im Januar 2021 ein Seelöwen-Weibchen den Zugang zum 13. Loch. Der 150 Kilogramm wiegende Meeressäuger hatte sich das Grün ausgesucht, um dort sein Junges zu säugen.

Der Stadtrat ließ eine Straße sperren, um Muttertier und Jungem einen sicheren Weg zum Pazifik offenzuhalten, denn die Neuseeländischen Seelöwen der Art Phocarctos hookeri stehen auf der Roten Liste der Weltnaturschutzorganisation IUCN als „stark gefährdet“. Sie gelten als die weltweit seltensten ihrer Art.

Mangelhafte Modelle

Weibchen verstecken den Nachwuchs häufig in dichter Vegetation in einiger Entfernung zum Wasser. Diese artspezifische Präferenz floss in ein integriertes Computermodell ein, das Veronica Frans von der Michigan State University in den USA und ihr Team im Fachblatt „Methods in Ecology and Evolution“ vorstellen. Es soll helfen, Konflikte mit Menschen zu vermeiden und die Art effektiver zu schützen.

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Es gibt bereits Modelle, mit denen Naturschützer ermitteln, wo Tiere gut überleben können, die gerade in Regionen zurückkehren, aus denen sie einst vertrieben wurden. In der Praxis entpuppen sich solche Berechnungen oft als mangelhaft, weil in etlichen laut Modell geeigneten Gebieten Straßen, Weidezäune oder andere Barrieren die Tiere behindern oder gefährden. Was nützt einer Seelöwen-Mutter der schönste Golfplatz oder ein vor neugierigen Blicken schützender Wald, wenn steile Felsklippen den Weg dorthin versperren?

Modernisierte Modelle

Unterstützt von Jan Engler, der an der Technischen Universität Dresden die Verbreitung von Arten in einer sich rasch verändernden Umwelt untersucht, und einem internationalen Team von Ökologen und Naturschützern kombinierte Frans daher mehrere Modelle, die auch solche Faktoren abbilden können. Das Team präsentiert Karten der Hauptinseln Neuseelands, auf denen fast 400 geeignete Stellen verzeichnet sind, wo Neuseeländische Seelöwen Junge aufziehen könnten. „Wenn wir den Tieren dort Schwierigkeiten aus dem Weg räumen, stehen die Zeichen für ihre Zukunft sehr gut“, schließt die US-Forscherin. Nachdem sie vor mehr als 200 Jahren vertrieben wurden, wären die Tiere dann wieder dauerhaft in ihren alten Lebensraum zurückgekehrt.

Robbenjäger hatten die massigen, bis zu 160 Kilogramm schweren Weibchen und die bis zu 450 Kilogramm schweren Männchen auf den Hauptinseln ausgerottet. Nur auf den einigen Hundert Kilometer südlich von Neuseeland liegenden Auckland- und Campbell-Inseln hatte die Art überlebt. Zwar besuchten immer wieder Seelöwen von dort die Hauptinseln. Erst 1993 wurde aber eine Geburt verzeichnet, auf der Otago-Halbinsel. Seither gibt es regelmäßig weitere, aber der Schutz dieser Art bleibt schwierig.

Robbe vs. Spaziergänger

Die Weibchen gebären ihren Nachwuchs am Strand. Dort entdeckt der Spezialist für Neuseeländische Seelöwen Jim Fyfe von der Naturschutzbehörde DoC die Jungtiere noch recht leicht. Schon nach wenigen Wochen bringen die Mütter sie aber bis zu zwei Kilometer landeinwärts und verstecken sie. Kommt die Seelöwin von einem Jagdausflug im Meer zurück, ruft sie ihren Nachwuchs. Ranger wie Fyfe haben erheblich mehr Schwierigkeiten, ihre Schützlinge zu orten. Es kommt vor, dass sich Anwohner auf einem Waldweg plötzlich einer mehr als drei Zentner wiegenden Robbe gegenübersehen, die ihren Nachwuchs vehement gegen einen vermeintlichen Angreifer verteidigt.

Anwendung bei Auswilderung

Wenn Naturschützer die Lieblingsplätze der Robben kennen, können sie mit Zäunen und anderen Maßnahmen verhindern, dass Seelöwe und Mensch in Konfliktsituationen geraten, wenn die Tiere Straßen überqueren, Weidezäune beschädigen oder sich Terrassen aussuchen.

Das integrierte Computermodell von Frans kann den Schutz dieser bedrohten Art unterstützen, aber auch eingesetzt werden, um die Verbreitung anderer Arten in ihren Lebensräumen abzubilden, etwa wenn sie sie wegen des Klimawandels verändern. Oder wenn sie wie Wölfe, Bären, Luchse, Wildkatzen, Wisente und andere Arten in Mitteleuropa Jahrhunderte nach ihrer Ausrottung in ehemalige Lebensräume zurückkehren.

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