zum Hauptinhalt
Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) bei der Pressekonferenz nach dem Bund-Länder-Gipfel im Bundeskanzleramt.

© dpa/Bernd von Jutrczenka

Flüchtlingsgipfel mit Scholz: Verquast. Vertagt. Vertan.

Der Bund gibt den Ländern eine Milliarde Euro, doch die Grundsatzfrage bleibt ungeklärt. Olaf Scholz, der in anderen Bereichen eine „Bazooka“ oder einen „Wumms“ verspricht, bietet nun eine Arbeitsgruppe an.

Ein Kommentar von Daniel Friedrich Sturm

Schnellere Entscheidungen, mehr Tempo, früh reagieren, ja, noch besser, präventiv handeln – mit diesem Anspruch ist die Ampel-Koalition angetreten. Keine 18 Monate ist das her. Man pries sich, man werde die bleiernen 16 Jahre Angela Merkels, das Abwarten und Durchwurschteln, überwinden.

„Wir wollen staatliches Handeln schneller und effektiver machen und besser auf künftige Krisen vorbereiten“, so heißt es im Koalitionsvertrag. Dessen Titel: „Mehr Fortschritt wagen“. Olaf Scholz preist sich gern als Kämpfer gegen den Reformstau. Nur noch übertroffen von Christian Lindner, der in wenigem so beständig ist wie bei seiner Deutschland-muss-dynamischer-werden-Rhetorik.

In der Nacht auf Donnerstag ist von alldem wenig zu hören. Man habe sich „zusammengerauft“, sagt der Kanzler in der Pressekonferenz nach dem Flüchtlingsgipfel. „Wir haben eine Diskussion vor uns“, berichtet Scholz nach stundenlangen Beratungen der Staatsspitzen und wochenlangen Vorbereitungen in Kanzleramt, Ministerien, Staatskanzleien. Man gehe „da als offener Prozess rein.“ Und „das Ergebnis kann niemand vorhersagen.“ Das alles klingt: verquast.

Mehr war eben nicht drin.

NRW-Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU) nach dem Flüchtlingsgipfel

Gerade einmal eine Milliarde Euro will der Bund den Ländern für deren Kommunen, die nicht weiter wissen, überweisen. Finanzminister Lindner, sonst für große Würfe stets zu haben, bleibt weitgehend stur.

Wie brachte es Nordrhein-Westfalens Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU), neben dem Kanzler sitzend, ernüchtert auf den Punkt? „Mehr war eben nicht drin.“

NRW-Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU) nach dem Gipfel bei Kanzler Scholz.

© AFP/John Macdougall

Das muss einen erstaunen, zumal wenn man Olaf Scholz folgt. Wollte nicht ein gewisser Bundesfinanzminister Scholz den Ländern im Jahre 2019 Gelder kürzen – unter Verweis auf sinkende Asylbewerberzahlen?

Nur zur Erinnerung: Seit 2021, verstärkt in diesem Jahr, kommen immer mehr Asylbewerber. Allein in den ersten vier Monaten 2023 waren es über 100.000 Menschen.

Muss Politik da nicht reagieren? Auf anderen Feldern trompetet der Kanzler gern über eine „Bazooka“ oder „Wumms“, verspricht: „You’ll never walk alone.“ Ausgerechnet in der Flüchtlingspolitik ist von alldem keine Rede. Eine Chance? Vertan.

Eine Arbeitsgruppe soll’s richten

Eine Grundsatzentscheidung blieb am Mittwoch im Kanzleramt ungeklärt: Wer bitteschön soll für die Kosten für die Geflüchteten aufkommen? Die Länder argumentieren, mit der Zahl der Flüchtenden müsse der finanzielle Anteil für Versorgung seitens des Bundes steigen. Die Zahlungen sollen sich nach Köpfen richten, nicht mit einer Pauschale abgeglichen werden.

Darauf aber ließ sich der Bund nicht ein, vorerst zumindest nicht. Nun soll es eine Arbeitsgruppe richten, wiederum monatelang tagen, „Mitte Juni 2023 den Zwischenstand beraten“, wie es im Abschlusspapier heißt. Entschieden werden soll im November. Kurzum: Man hat sich vertagt.

Ein halbes Jahr kann in der Politik eine sehr lange Zeit sein. Angesichts der stark steigenden Asylbewerberzahlen kann man sich über diese gemächliche Planung, diesen ambitionslosen Zeitplan nur wundern.

Natürlich, der Bund verspricht nun mehr und effektivere Grenzkontrollen, schnellere Verfahren, mehr Abschiebungen. Doch letzterer Punkt ist längst im Koalitionsvertrag von anno 2021 notiert, bisher weitgehend folgenlos. Eine Mehrheit für europaweite Reformen hat Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) hier noch lange nicht beisammen.

Je länger die Finanzierungs-Fragen ungeklärt bleiben, desto stärker wird der Druck auf Faeser. Die Bundesinnenministerin wird mehr gefordert sein denn je. Mit dem Sommer dürften noch mehr Menschen nach Deutschland kommen als in den zurückliegenden Wintermonaten. Ausgerechnet die Innenministerin geht demnächst in den Wahlkampf, sie will im Oktober Ministerpräsidentin in Hessen werden will. Das ist, wie der Ausgang des Gipfels, beunruhigend in diesen aufwühlenden Zeiten.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false