zum Hauptinhalt
Czech Prime Minister Andrej Babis ANO, pictured, holds meeting in Slavkov Austerlitz format with Slovak PM Eduard Heger and Austrian Chancellor Sebastian Kurz in Lednice, Czech Republic, September 7, 2021. CTKxPhoto/VaclavxSalek CTKPhotoF202109080522701 PUBLICATIONxNOTxINxCZExSVK sal 02

© Vaclav Salek/imago images/CTK Photo

Präsidentenwahl in Tschechien: Prag sucht einen neuen Burgherren

Tschechien wählt einen neuen Präsidenten. Der Milliardär Andrej Babis gilt als einer der Favoriten für das höchste Staatsamt. Wird es der umstrittene Oligarch schaffen?

„Dies ist eine lustige Show für die ganze Familie“, hatte der tschechische Fernsehsender „Prima“ seine Fragerunden mit den neun Kandidaten für die Präsidentenwahl in Tschechien angekündigt. So kam es dann auch. Allerdings nicht für einen der Favoriten für das Amt auf der Prager Burg, den Milliardär Andrej Babis. An diesem Wochenende stimmen die Tschechen im ersten Wahlgang über einen neuen Präsidenten ab. Und Babis hat sich unmittelbar davor gründlich blamiert.

„K tabuli“, an die Schultafel, sollten die Kandidaten treten, war die Idee des TV-Senders. Babis, der bereits Finanzminister und Regierungschef war, musste sich dabei den Fragen von Grundschülern im Prager Stadtteil Nusle stellen. Der Start gelang noch, weil er zunächst seine Floskeln abarbeiten konnte: „Ich habe mein erstes Geld mit dem aufsammeln von Tennisbällen verdient, als ich neun Jahre alt war“, erzählte er. „Ich bin in die Politik gegangen, weil ich etwas gegen die Korruption in diesem Lande tun wollte.“ Was man so sagt.

Dann wurde es peinlich für den Oligarchen, weil die Mädchen und Jungen munter durcheinander fragten. Wie viele Mägen hat eine Kuh? Die Antwort: Keine Ahnung, mehrere. Die braucht sie wohl wegen der Milchproduktion, mutmaßte Babis. Was steht auf dem Vorhang des Nationaltheaters? Keine Ahnung, aber wir haben in meiner Regierungszeit die Renovierung finanziert, behauptete der Politiker. Tatsächlich steht auf dem Vorhang: „Die Nation für sich“, weil für die Renovierung nach einem Brand viele Spenden von den Bürgern kamen.

Den „Braven Soldaten Schwejk“ nicht gelesen

Besonders peinlich wurde es beim Thema Literatur. Da wollte dem Kandidaten nicht einfallen, dass Jaroslav Hasek die „Abenteuer des braven Soldaten Schwejk“ geschrieben hat. Anfang Januar jährte sich Todestag des weltberühmten Autors zum 100. Mal.

Am Ende versuchte sich Babis mit Populismus zu retten. Er lud die Schülerinnen und Schüler in sein Wellness-Resort „Storchennest“ ein. Das war zu diesem Zeitpunkt ein frecher Vorstoß. Seit 2016 hatten die EU-Korruptionsbehörde Olaf und die tschechische Staatsanwaltschaft gegen den Oligarchen ermittelt. Er stand unter dem Verdacht, sich zwei Millionen Euro an EU-Mitteln erschlichen haben, um eben dieses „Strochennest“ zu finanzieren.

Von diesem Vorwurf sprach ihn ein Prager Gericht jetzt, nur Tage vor dem ersten Wahlgang, frei. Aus Mangel an Beweisen.

Als Babis 2011 in die Politik ging, bemühte er erst gar nicht, seine Organisation Ano wie eine Partei aussehen zu lassen. „Partei“ stand damals für Kungelei, Korruption und Chaos. Der Milliardär, der laut Forbes Liste derzeit auf Platz fünf der reichsten Tschechen steht, versprach, damit aufzuhören. Damit war er nicht der erste. Aber irgendwann – so hofften viele Tschechen damals – musste der weiße Ritter ja kommen. Ein Irrtum, wie sich herausstellte.

Die Ermittlungen gegen ihn haben Babis nicht gerade zu einem Freund der Europäischen Union werden lassen. Während seiner Zeit als Regierungschef ging er immer wieder auf Distanz. Als Präsident wird er sich zwar wieder kritisch äußern können. Doch das Amt, so er es denn überhaupt erringt, ließe ihm kaum Möglichkeiten tatsächlicher Einflussnahme auf die tschechische Politik.

Abschied von einem Provokateur

Die Wahl beendet auch die Laufbahn eines Politikers, der die tschechische Politik in den vergangenen drei Jahrzehnten als Regierungschef und Staatsoberhaupt maßgeblich bestimmt hat: Milos Zeman.

Milos Zeman war drei Jahrzehnte eine der wichtigsten Persönlichkeiten der tschechischen Politik.

© REUTERS/David W Cerny/File Photo

Der 78-Jährige hatte sich früh dafür entschieden, ein Provokateur und Unkorrekter zu sein. Als der frühere Sozialdemokrat vor vielen Jahren in das Lager der Populisten wechselte, begab er sich noch auf dünnes Eis. Doch es hat den Zwei-Meter-Mann getragen.

Die Hemdsärmlichkeit des Volkstribunen täuschte. Hinter einer leutseligen Fassade steckte ein durchsetzungsfähiger Egomane. Wer ihm nicht wohlgesinnt ist, meint, in seinen Provokationen die Folgen einer exzessiven Beziehung zum Alkohol zu erkennen.

Wer ihm wohlgesinnt ist, erklärt, er habe den Populisten nur gespielt. Deshalb sagte Zeman den Leuten, was sie hören wollten. Dazu gehörten Sätze wie dieser: „Die meisten Journalisten kommen aus dem Arsch und gehören in die Latrine.“ Einen Gesetzentwurf bezeichnete er als „verschissen“. Und die Frauen der russischen Punkband Pussy Riot, das seien Huren.

Überhaupt fiel vor dem russischen Angriffskrieg auf die Ukraine Zemans Verständnis für Wladimir Putins Politik auf. Das war erstaunlich, weil eine allzugroße Nähe zu Moskau in Tschechien aus der Erinnerung an den Einmarsch 1968 immer noch den Beigeschmack der Kollaboration hat. Doch Zeman schadete das nie.

Vor der Abstimmung über seinen Nachfolger hat sich Zeman eindeutig positioniert: Er hat durch alle Affären zu Andrej Babis gestanden, und der ist auch jetzt sein Kandidat.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false