Die Wiederbelebung eines Totgesagten: Reinventing Elvis

1968. Amerika versinkt im Chaos, Vietnam spaltet die Nation, Dr. King wurde ermordet und Bobby Kennedy auch, die Unis revoltieren und Schwarze auch, allerorten herrscht Aufbruch und Aufruhr, als Dylan, Beatles, The Velvet Underground den Sound ihrer Zeit schreddern. Der siedend heiße Sommer könnte da kaum ungeeigneter sein für die Rückkehr einer Ikone. Aber sie kehrt zurück. Und wie!

Am 27. Juni feierte NBC „The ’68 Comeback Special“. Gut 55 Jahre später zeigt die Paramount+-Doku „Reinventing Elvis“ zwar zunächst, wie absurd eine Reanimation des abgedankten King of Rock’n’Roll war. Statt umwälzender Songs machte er nur depperte Musikschnulzen, die Regisseur John Scheinfeld im Wechselschnitt mit (Bürger)Kriegsbildern zeigt, bevor er Fans, Follower und Zeitzeugen zu Kommentaren bittet, und siehe da: Steve Binder, damals wie heute Produzent, fördert Erstaunliches zutage.

Als Presley in Lederanzug, Schmalztolle, offenem Hemd die Bühne betritt, wird der Totgesagte so lebendig, dass sein Auftritt zur Legende wird. „Wir haben das erste MTV-Unplugged gesehen“, frohlockt eine Besucherin von damals, „das Gefühl dieses Musikers, seine Rohheit – es war wirklich überwältigend“. In der Tat. Denn „Reinventing Elvis“ zeigt nicht nur einen Superstar beim erfolgreichen Versuch seiner Restaurierung.

In Zeiten des Aufruhrs fühlte sich Amerika mit Elvis im Fernsehen wieder gut mit Amerika.

Douglas Brinkley, Historiker

Der Film skizziert nebenbei die Kommerzialisierung des Popzirkus jener politisch bewegten Tage, wofür Scheinfeld Presleys Manager Colonel Parker als Global Player dient. Ein Strippenzieher des Showgeschäfts, durch dessen Porträt auch Elvis verständlicher wird. Vor allem jedoch: liebenswerter. Und das, ohne unkritisch zu werden. Absolut sehenswert!