zum Hauptinhalt

© IMAGO/Funke Foto Services

Update

Aktionsplan für Berlins Kitas: Vier Ideen gegen den akuten Erzieherinnenmangel

Aufgrund von Personalmangel sind viele Kitas gezwungen, ihre Betreuung einzuschränken. Der Trägerverbund „Kitastimme“ hat nun einen Aktionsplan vorgestellt, der die Kita-Teams entlasten soll.

| Update:

Berliner Eltern fühlen sich zunehmend in die Zeit der Pandemie zurückversetzt: Eingeschränkte Öffnungszeiten und improvisierte Betreuung gehören vielerorts wieder zum Alltag. Das hängt mit aktuellen Erkältungswellen und Corona-Infektionen zusammen, aber vor allem mit der dünnen Personaldecke. Der Trägerverbund „Kitastimme“ sprach am Mittwoch von einer „nie gekannten Form“ des Mangels.

Die Teams seien oftmals so dünn besetzt, dass sie reguläre krankheitsbedingte Ausfälle nicht mehr kompensieren könnten, schildert der Verbund die Lage. Das habe zwangsläufig Einschränkungen im Kita-Betrieb zur Folge. Damit die Anzahl der angebotenen Plätze infolge des Personalmangels nicht zurückgeht, fordert der Verbund nun einen Aktionsplan, der die Kita-Teams „kurzfristig entlastet und gleichzeitig auf die Ausbildung zusätzlicher Mitarbeitender abzielt“.

Der Zeitpunkt für diesen Vorstoß ist nicht zufällig gewählt: Die Kitastimme hofft, auf die aktuellen Koalitionsverhandlungen zwischen CDU und SPD Einfluss nehmen zu können. Der Verbund verfolgt vier Ziele: kurzfristige Entlastung der Teams, die Erhöhung der Azubizahlen, attraktivere Abschlüsse für Quereinsteigende und eine bessere Zusammenarbeit mit der Kita-Aufsicht. Die Vorschläge im Einzelnen:

Bezahlte Ausbildung attraktiver für Kita-Teams machen

Bisher werden Auszubildende in Kitas vollständig auf den vorgeschriebenen Personalschlüssel angerechnet. Als Folge ergibt sich eine zusätzliche Kraftanstrengung für die übrigen Kräfte, die sich parallel zu der Betreuung und Förderung der Kinder um die Einarbeitung und Schulung der Nachwuchskräfte kümmern müssen.

„Für die stark geforderten Teams in den Einrichtungen ist es aktuell sehr belastend, unerfahrene Auszubildende statt voll ausgebildeter Fachkräfte aufzunehmen“, hat nicht nur Stefan Spieker, der Geschäftsführer von Fröbel e.V., festgestellt. Daher fordert der Verbund, zu dem Föbel gehört, dass die Auszubildenden zumindest am Anfang zusätzlich eingestellt werden können. Die Finanzierung könne über das neue Kita-Qualitätsgesetz erfolgen. „Das würde die betreffenden Teams etwas entlasten und damit auch die Abbrecherquote senken“, erwartet der Verbund.

Für die stark geforderten Teams in den Einrichtungen ist es aktuell sehr belastend, unerfahrene Auszubildende statt voll ausgebildeter Fachkräfte aufzunehmen.

Stefan Spieker, Geschäftsführer Fröbel e.V.

Geplante Sanktionsmechanismen für Träger aussetzen

Als bedrohlich empfinden viele Kitas die geplanten Sanktionsmechanismen, wenn sie die vorgeschriebene Personalstärke nicht erreichen; sich also der Erzieher-Kind-Schlüssel verschlechtert. „Alle Eltern in der Stadt sollten die gleiche Chance auf eine Fortführung des Betreuungsbetriebs haben, wenn die Personalsituation in den Kitas einmal kurzzeitig herausfordernd wird“, fordert Kitastimme. Es mache aber weder Sinn noch löse es das Problem, nur die Träger für den Personalmangel verantwortlich zu machen. „Auch sie können keine Kita-Fachkräfte herzaubern, wo noch keine sind“, geben die Träger zu bedenken. Sie erinnern daran, dass im letzten Jahr jede zweite Kita bundesweit wegen Personalmangels nicht alle Platzkapazitäten anbieten konnte. Vor dem Hintergrund solcher Zahlen sei ein Sanktionsmechanismus, wie ihn Berlin jetzt plane, „wenig zielführend“.

In Zeiten des chronischen Fachkräftemangels müssen wir jeden mit offenen Armen begrüßen, der seine berufliche Zukunft in der Kindertagesbetreuung sucht.

Kathrin Janert, Vorständin Evangelischer Kirchenkreisverband für Kitas Berlin Mitte-Nord 

Bessere Abstimmung zwischen den Kitaaufsichten

Die Kitaaufsichtsbehörden in den Bezirken gehen sehr unterschiedlich mit Notlagen um. Das stellten viele Kitas fest, als sich im letzten Winter die Personalausfälle häuften. Wo die eine Aufsicht noch eine Fortführung des vollen Betriebes genehmigte, bestand die andere bereits auf Einschränkungen. „Die Wahrnehmung des Beratungsauftrags und die Lösungsorientierung dieser Stellen erleben wir berlinweit aktuell als höchst unterschiedlich“, berichtet Kitastimme. Ob Eltern eine Chance auf Betreuung erhielten und wie diese aussehen könne, variiere aktuell nicht nur von Bezirk zu Bezirk, „sondern hängt sogar davon ab, wer in der Behörde das Telefon abgenommen hat“.

Wenn uns morgens eine Kita-Leitung mitteilt, dass die Zahl der Krankmeldungen einen normalen Betreuungsbetrieb unmöglich macht, finden wir schnell eine Lösung im Sinne der betroffenen Familien“, berichtet etwa Hartmut Horst von der Hanna GmbH. In der Zusammenarbeit mit der Kita-Aufsicht, die er dann informieren müsse, erlebe er aber, „dass der Spielraum für eine Aufrechterhaltung des Betreuungsbetriebs in einem solchen Fall aber je nach Bezirk sehr unterschiedlich interpretiert wird“.

Attraktivere Qualifizierungen und Abschlüsse für Quereinsteigende

Quereinsteigende seien „in vielen Fällen die motiviertesten Mitarbeitenden“, beobachten die Träger. Sie wertschätzten die Chance, sich über ihre Nachschulung ein neues Berufsfeld erschließen zu können. Das Problem sei aber, dass es für sie keinerlei Karriereoption im neuen Tätigkeitsfeld gebe. Auch nach erfolgreich absolvierter Nachschulung verblieben sie auf dem Status „Sonstige Quereinsteiger“. Weder finanziell noch teamintern gebe es für sie echte Entwicklungsmöglichkeiten. Es brauche daher dringend mehr Möglichkeiten bei Qualifizierungen und Abschlüssen, die die Betreffenden erwerben könnten, damit sie eine echte Perspektive hätten und dem Kita-System erhalten blieben.

Dass Berlin wesentlich mehr als bisher für den Erzieher-Nachwuchs tun muss, belegen auch die Berechnungen der Bertelsmann-Stiftung. Um die Nachfrage nach Kita-Plätzen zu decken, müssten zusätzlich zum vorhandenen Personal „weitere 3.800 Fachkräfte eingestellt werden“, hatte die Stiftung für 2023 progostitziert. Sie legte dabei zugrunde, dass in Berlin rund 17.000 Kitaplätze fehlen, um die Nachfrage zu befriedigen, darunter 15.000 für die Kinder unter drei Jahren.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false