zum Hauptinhalt
Gelenkig und stark. Mit ein bisschen Training können viele Kinder und Jugendliche so etwas schaffen.

© Juxirkus

35 Jahre Juxirkus in Schöneberg: Berlins erster Kinder- und Jugendzirkus feiert Jubiläum

Einradfahren, am Trapez turnen und auf dem Seil balancieren: Seit 1988 bietet der Schöneberger Juxirkus Zirkusunterricht und soziale Kinder-und Jugendarbeit. Das wird nun gefeiert.

Von Lena Habermann

Einradfahren, am Trapez turnen und auf dem Seil balancieren. Bei solchen Aktivitäten denkt man im ersten Moment an sehr sportliche Menschen. Dabei kann das jeder lernen, vor allem jedes Kind: Zirkusunterricht bietet auch weniger sportlichen Kindern und Jugendlichen die Möglichkeit, ohne Leistungsdruck auszuprobieren, was ihnen Spaß macht. Innerhalb der Gemeinschaft lernen sie Selbstvertrauen und Teamarbeit. Die meisten Berliner kennen den Cabuwazi-Zirkus, der mit seinen zirkuspädagogischen Angeboten an sechs Standorten in der Hauptstadt Angebote für Kinder und Jugendliche macht. Der erste Kinder- und Jugendzirkus und damit quasi das Original ist aber der Juxirkus in Schöneberg und der feiert in diesem Sommer 35-jähriges Bestehen.

Eigentlich war der Juxirkus, der 1988 von Mitarbeitern des damaligen Nachbarschaftsheims „Lücke im Kiez“ gegründet wurde, zunächst ein soziales Projekt. Kinder und Jugendliche sollten von der Straße geholt werden, da spielte es auch keine Rolle, dass es manchmal mehr um Fußball als um echte Zirkuskunststücke ging. „Wir wollten etwas machen, was ganz eigene Momente an Spannung und Abenteuer bringt. Das fehlt den Kids in der Großstadt – ein Gefühl von Abenteuer!“, erklären die „Gründungseltern“ des Juxirkus, Thomas Witthöft und Klaus Döring, beide Sozialarbeiter.

Die ersten Proben fanden auf dem Winterfeldtplatz statt, danach zog der Zirkus innerhalb Schönebergs einige Male um. 1990 fand das rot-grüne Zirkuszelt einen festen Standort auf einer städtischen Brachfläche in der Hohenstaufenstraße, wo es bis heute steht. Besonders idyllisch wirkt der Platz an der viel befahrenen Straße auf den ersten Blick nicht.

Doch beim genaueren Hinsehen erkennt man, dass hier über die Jahrzehnte eine echte, kleine und gemütliche Zirkuswelt entstanden ist. Es gibt eine größere Rasenfläche, ein paar alte Bäume. Mehrere Bauwagen dienen als Büro, Teeküche oder Lager und im Winter als Möglichkeit zum Aufwärmen – allerdings ohne fest installierte Heizung.

Die Aufführungen im Juxirkus sehen oft spektakulär aus.

© Juxirkus

Seit ein paar Jahren wird das Areal auch von einem festen Zaun geschützt, vorher stand dort nur ein Bauzaun-Provisorium. „Im Sommer ist das hier ein kleines Paradies für uns, dann wird auch draußen trainiert“, erzählt Carlotta Korte, die einst selbst ein „Juxikind“ war und heute als eine der wenigen Festangestellten Kinder in Leiter-Akrobatik trainiert, sich um den „Minizirkus“ und die Schulkooperationen wie die mit der benachbarten Werbellinsee-Grundschule kümmert.

Vormittags kommen die Schulklassen

Der neue Stolz des Teams ist der feststehende Toiletten-Container, der nun nach über 30 Jahren die Dixie-Klos ersetzt hat. Immer wieder musste der Zirkus um seine Förderung kämpfen, 2003 drohte sogar die Schließung. Eine Unterschriftenaktion rettet den Juxirkus und seitdem ist er in die Berliner Stiftung „Pestalozzi-Fröbel-Haus (PFH)“ eingebettet. Gefördert wird die Arbeit außerdem durch das Jugendamt Tempelhof-Schöneberg. Dennoch ist das Geld knapp und es fehlt an festen Stellen, vor allem für Handwerker. „Direkt vor Ort im Zelt sind wir nur drei Festangestellte, sobald einer ausfällt, wird es für die anderen ganz schön stressig“, erzählt Carlotta Korte.

Auch mit Leitern werden im Juxirkus tolle Nummern vorgeführt.

© Juxirkus

Vormittags kommen die Schulklassen, die Projektwochen absolvieren und nachmittags die anderen Kinder und Jugendlichen zum Trainieren: Kugellaufen, Trapez oder Trampolin und Sprungakrobatik zum Beispiel. Dazu kommen noch die Vorstellungen am Abend. „Der Ort lebt von den engagierten Mitarbeiter:innen“, sagt Carlotta Korte, für die der Zirkus nicht nur Arbeitsplatz, sondern auch Heimat ist. Viele Kinder, die mit fünf Jahren anfangen zu trainieren, blieben dort, bis sie erwachsen sind, erzählt die ausgebildete Erzieherin. Auch die meisten freiberuflichen Trainer:innen waren mal „Juxikinder“.

Das besondere Gemeinschaftsgefühl der „Juxis“ wird auch spürbar, wenn man eine Vorstellung, wie aktuell das Jubiläums-Sommerprogramm „Das Ende der Geschichte“, besucht – das die Geschichte des Winterprogramms zu Ende erzählt. Viele Familien, die die Vorstellung und damit oft die Auftritte ihrer Kinder besuchen, sind schon lange mit dem Zirkus verbunden, alles ist freundlich und familiär. Im Zelt, auf dessen kleiner Tribüne 150 Zuschauer:innen Platz haben, wird es vor dem goldenen, funkelnden Bühnenbild kuschlig.

Die Atmosphäre und das, was auf der Bühne stattfindet, ist irgendwie zeitlos. Die Kinder, die in der kleinen Manege auftreten, hätten dort auch schon genauso in den 20 Jahren zuvor stehen können. Durch die Show führen ein paar aufgeweckte Teenager mit witzigen Dialogen in mittelalterlich anmutenden Roben. „Ja, in Schöneberg an einer Ecke, da steht ein Zirkuszelt“, singen sie zwischen den einzelnen Darbietungen. Dazu gibt es ein bisschen Star Wars, eine Zeitreise und sogar eine „echte Prinzessin“ tritt auf.

Es glitzert und glänzt bei den Aufführungen.

© Juxirkus

Vorgeführt werden Clownerie, Seiltanz, Jonglage, Kunststücke auf dem Einrad und Akrobatik, die teilweise ziemlich spektakulär daherkommt. Manchmal geht auch etwas schief, aber das gehört dazu, das ist spürbar, denn nichts muss perfekt sein und der Spaß steht im Vordergrund. „Für die Jugendlichen bedeutet der Juxi auch Freunde treffen und sie selbst sein können, denn alle werden hier so akzeptiert, wie sie sind“, erklärt Carlotta Korte. Außerdem sei der Zirkus – bis auf die Vorstellungen – eine elternfreie Zone und das sei enorm wichtig.

Wie so oft bei schönen Angeboten für Kinder und Jugendliche in Berlin reichen die Kapazitäten des Juxirkus längst nicht aus, die Nachfrage ist groß, die Wartelisten für die Trainingsplätze lang. Und selbst die Vorstellungen sind oft schnell ausverkauft.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
false
showPaywallPiano:
false