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Blick auf eines der Gebäude vom Krankenhaus-Maßregelvollzug für als psychiatrisch auffällig oder suchtkrank eingestufte Straftäter auf dem Gelände der Karl-Bonhoeffer-Nervenklinik.

© dpa/Jörg Carstensen

Ärztekammer kritisiert Zustände im Berliner Maßregelvollzug: „Jedes andere Krankenhaus wäre längst geschlossen worden“

Dort werden psychiatrisch auffällige Straftäter untergebracht: Berlins Maßregelvollzug ist schon länger überbelegt und unterbesetzt. Der Ärztekammerpräsident will, dass der Regierungschef eingreift.

Die Situation im Berliner Maßregelvollzug, wo psychiatrisch auffällige Straftäter untergebracht werden, ist aus Sicht der Berliner Ärztekammer nicht mehr tragbar. „Man kann es nicht anders sagen: Es ist der Kollaps eines ganzen Krankenhauses. Und eines Krankenhauses, das verdammt wichtig ist für unsere Stadt und für die Sicherheit aller“, sagte Kammerpräsident Peter Bobbert der Deutschen Presse-Agentur.

Überbelegung, zu wenig Personal und Jahrzehnte alte Räumlichkeiten führten im Maßregelvollzug zu einer „menschenunwürdigen Situation“. Bobbert sagte: „Jedes andere Krankenhaus wäre in so einer Situation schon längst geschlossen worden.“ Das Ziel, Menschen so zu therapieren, dass sie nach ihrer Freilassung keine Gefahr mehr darstellten, sei in dem Umfeld nicht mehr erreichbar.

In den Maßregelvollzug kommen Straftäter, wenn ein Gericht sie als psychiatrisch auffällig oder suchtkrank einstuft. Sie verbringen dort teils mehrere Jahre. Schon im Januar 2023 hatte die Ärztekammer von erschreckenden und nicht länger hinnehmbaren Zuständen gesprochen. Es gab auch Fälle, in denen Straftäter wegen Platzmangels auf freien Fuß kamen.

Gefahrenanzeige und Brandbrief

Vor gut einer Woche verschickten mehrere Abteilungsleiter des Maßregelvollzugs eine Gefahrenanzeige unter anderem an die Krankenhausleitung, in der sie festhielten, unter gegenwärtigen Bedingungen nicht mehr die Verantwortung übernehmen zu können. In dem Schreiben, über das am Mittwoch der „Tagesspiegel“ berichtete, heißt es: Es sei zunehmend „unmöglich“ geworden, die erforderliche Sicherheit und Ordnung aufrechtzuerhalten. Aufnahmekapazitäten seien erschöpft. Die Gefahrenlage verschärfe sich von Woche zu Woche, die Sicherheit von Personal wie Patienten sei erheblich in Gefahr. Laut „Tagesspiegel“ ging zudem ein Brandbrief des Personalrates an Regierungschef Kai Wegner (CDU).

Der Berliner Ärztekammerchef dringt auf Sofortmaßnahmen: „Der Regierende Bürgermeister muss das Thema zur Chefsache machen. Er muss entscheiden und handeln.“ In den vergangenen Jahren seien immer wieder Ankündigungen gemacht worden. „Was jetzt zählt, sind schnelle Handlungen. Heute. Und nicht erst morgen.“ Um Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu halten, reichten Worte der Wertschätzung nicht mehr aus: „Man muss jetzt auch finanzielle Anreize schaffen, sonst ist das Aufrechterhalten der Arbeit dort gar nicht mehr möglich.“ Außerdem würden neue Räumlichkeiten und die Personalstruktur dazu gebraucht.

Mehr Mittel und Sanierung geplant

Die Senatsgesundheitsverwaltung teilte mit, dass zum Jahresende 2023 von 610 Stellen 514 besetzt gewesen seien. Derzeit würden 626 Patienten versorgt, bei 549 Planbetten. Die „Sachverhalte“ seien bekannt und man arbeite intensiv an Lösungen. Der neue Senat setze einen Masterplan des Vorgängersenats weiter um. Vorgesehen seien insbesondere eine Sanierung und Erweiterung des Standorts. Die Mittel für den Maßregelvollzug steigen laut der Behörde von 67,7 Millionen Euro 2023 auf 83,3 Millionen Euro 2024 und auf 89,2 Millionen Euro im Jahr 2025. Auch um Personalgewinnung sei man „hochgradig bemüht“.

Man brauche jetzt akut Hilfe und nicht erst 2030 oder 2040, sagte hingegen einer der Personalräte bereits vor einigen Tagen in der RBB-„Abendschau“. (dpa)

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