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Sebastian Stiezel, Präsident der Industrie- und Handelskammer Berlin (IHK Berlin).

© privat

Alle reden nur von Wohnraum: Berlin braucht mehr Gewerbe- und Industrieflächen

Wohnungen sind wichtig. Aber auch die Unternehmen haben einen Anspruch auf Platz in der Hauptstadt, findet unser Kolumnist Sebastian Stietzel.

Eine Kolumne von Sebastian Stietzel

Wohnraum, ein Begriff, der unaufhörlich durch die Straßen Berlins hallt. In einer Stadt, in der die Suche nach einer passenden Bleibe oft zur Odyssee wird, ist es verständlich, dass der Fokus auf diesem Thema liegt. Doch während alle den Wohnraummangel beklagen, zeichnet sich ein anderer Engpass ab: Gewerbe- und Industrieflächen.

Ja, es ist ein Balanceakt, dies anzusprechen, wenn der Ruf nach Wohnraum so laut ist. Bevor Sie jedoch einen empörten Leserbrief in Angriff nehmen, lassen Sie mich klarstellen: Erschwinglicher Wohnraum ist ein Eckpfeiler der Berliner Wirtschaft. Besonders angesichts des Mangels an Fachkräften und der wachsenden Bevölkerungszahl.

Der Bedarf steigt, das Angebot schwindet

Doch heute lade ich Sie ein, über die Dächer der Wohnblöcke hinauszuschauen, zu den Flächen, die unsere Stadt zum Arbeiten braucht. Seit 2015 wurden rund 170 Hektar ehemals gewerblicher Flächen für andere Zwecke freigegeben.

Flächen in Industrie- und Gewerbegebieten wie dem Siemensstadtpark in Spandau werden zunehmend zur Mangelware in Berlin.

© Helge Mietzsch

Der Stadtentwicklungsplan Wirtschaft 2030 prognostiziert jährlich einen Bedarf von 30 bis 40 Hektar zusätzlicher Gewerbefläche. Doch das ist nicht alles: Konkurrenzkämpfe um Flächen und Aufkäufe von Gewerbearealen zur Umnutzung prägen die Gegenwart. Preise für Gewerbeflächen steigen, Unternehmen verlassen die Stadt, weil Expansion unmöglich ist oder Grundstücke schlichtweg zu teuer sind.

Die Folgen sind weitreichend: Verlust von Fachkräften und Steuereinnahmen, aber zusätzlicher Verkehr durch die Verlagerungen. „Gewerbeflächen“ ist ein abstraktes Wort, doch der Wert zeigt sich im Alltag. Denken Sie an die Autowerkstatt in der Nachbarschaft, den Betrieb für Baustoffrecycling, der für die Kreislaufwirtschaft essenziell wäre, oder den Handwerker mit der stundenlangen Anreise.

Daher ist es nötig, bestehende Gewerbeflächen zu sichern und neue auszuweisen. Kurzum: Jede aufgegebene Fläche erfordert Ersatz. Berlins Aufstieg zur Weltstadt war durch globale Industrie geprägt: Siemens’ rasante Entwicklung hat Berlin wahrhaftig elektrisiert. Heute brauchen wir Raum für moderne Industrie. Es ist Zeit, über Wohnraum hinauszublicken und sicherzustellen, dass Berlin Platz für seine unternehmerische Seele hat.

Diese Kolumne erscheint in der Regel montags. Im Wechsel kommentieren Berliner Wirtschaftsvertreter die politische Lage.

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