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Übungsstückchen: So ein Fahrrad will korrekt gelötet sein.

© Dorothee Nolte

Beispiel BVG: Fit werden für die Ausbildung

Schlechte Noten, beim Bewerbungsgespräch durchgefallen – und trotzdem als Azubi erfolgreich sein? Das geht mit ein bisschen Unterstützung.

Viele Betriebe suchen händeringend nach Auszubildenden – und lehnen dann doch Bewerber:innen ab, weil sie, wie es heißt, „einfach zu schlecht“ sind. Sie können etwa nur fehlerhaft oder langsam schreiben, lesen, rechnen, und diese Fähigkeiten braucht man auch in Berufen, wo vor allem mit den Händen gearbeitet wird.

Sicherheitshinweise lesen und verstehen, die eigenen Tätigkeiten in ein Berichtsheft eintragen, mit Kunden schriftlich kommunizieren, Berechnungen anstellen, um etwa Chemikalien zu mischen – all das sollten Auszubildende eigentlich in der Schule gelernt haben und in den Betrieb mitbringen.

Bei einer wachsenden Anzahl von Schulabgängern ist das aber nicht der Fall, aus den unterschiedlichsten Gründen. „Es sind meistens multiple Problemlagen, die dazu führen, dass Jugendliche trotz neun oder zehn Jahren Schule Schwierigkeiten mit dem Lesen, Schreiben und Rechnen haben“, sagt Benedikt Eimann, Experte für arbeitsorientierte Grundbildung beim Verein „Arbeit und Leben Berlin-Brandenburg“.

Die Betroffenen gewöhnen sich Vermeidungsstrategien an.

Benedikt Eimann, Experte für arbeitsorientierte Grundbildung

„Soziale und familiäre Probleme, enge Wohnverhältnisse, schlechte Lernerfahrungen, ADHS, Lese-Rechtschreibschwäche oder Fluchterfahrungen: Vieles kann dazu führen, dass Menschen das Lernen generell schwer fällt und sie sich Vermeidungsstrategien angewöhnen.“ 

Manche erreichen trotzdem mit Ach und Krach den Mittleren Schulabschluss – aber für eine reguläre Ausbildung sind sie nicht fit genug.

Betriebe müssen auf Defizite eingehen

Hier setzt das Konzept der „Einstiegsqualifizierung“ und die Arbeit von Benedikt Eimann an. Der Grundgedanke ist: Es nützt nichts, wenn Betriebe auf die mangelnde Vorbereitung durch die Schule schimpfen, sie müssen selbst auf die Defizite der Jugendlichen eingehen.

„Arbeit und Leben“, die gemeinsame Bildungsorganisation des Deutschen Gewerkschaftsbunds und der Volkshochschulen, unterstützt Unternehmen, Handwerkskammern und Innungen mit der Entwicklung von Lernangeboten etwa für Geringqualifizierte oder Auszubildende. Die Lernangebote sollen helfen, in Kleingruppen Lese- und Schreibanforderungen am Arbeitsplatz zu meistern.

Textaufgaben lesen, verstehen, ein Berichtsheft ausfüllen: alles nicht so einfach.
Textaufgaben lesen, verstehen, ein Berichtsheft ausfüllen: alles nicht so einfach.

© Dorothee Nolte

Das Programm wird vom Bundesministerium für Bildung und Forschung im Rahmen der Alphadekade gefördert. Besonderer Bedarf besteht in den Branchen Bau, Logistik, Pflege, Gastronomie und Reinigung.

Die Teilnehmenden erhalten während der Einstiegsqualifizierung nicht nur im Betrieb und in der Berufsschule Einblicke in ihr künftiges Tätigkeitsfeld, sondern auch grundlegenden Deutsch-, Mathe- und IT-Unterricht.

„Dabei ist es wichtig, dass der Unterricht sehr nah an der beruflichen Praxis ist und möglichst wenig wie Schule wirkt“, sagt Eimann. Es werden also keine Aufsätze zu allgemeinen Themen geschrieben oder Grammatik gepaukt, sondern die Jugendlichen üben sehr konkret, wie sie ihre Tätigkeiten ins Berichtsheft eintragen oder eine Betriebsanleitung entschlüsseln.

Eimann und seine Kolleg:innen entwickeln die Konzepte für den Unterricht passgenau in Zusammenarbeit mit den Betrieben und Dozenten.

Einstiegsqualifizierung bei der BVG: Teamleiter für Mechatronik Burkhardt Wehowsky und Auszubildende Noemi Brendle.
Einstiegsqualifizierung bei der BVG: Teamleiter für Mechatronik Burkhardt Wehowsky und Auszubildende Noemi Brendle.

© Dorothee Nolte

Viel Erfahrung mit der Einstiegsqualifizierung haben die Berliner Verkehrsbetriebe (BVG). Seit 2016 bieten sie jungen Menschen diese Möglichkeit: Wer am 30. September eines Jahres noch keine Ausbildungsstelle hat, kann sich bewerben und am 1. März die halbjährige Phase, „Langzeitpraktikum“ genannt, starten.

Ziel ist es, dass die Teilnehmenden dann zum Herbst desselben Jahres eine reguläre Ausbildung zum Elektroniker:in für Betriebstechnik oder Industriemechaniker:in beginnen.

Die meisten Teilnehmenden, sagt Teamleiter für Mechatronik Burkhardt Wehowsky, würden einen regulären Einstellungstest für die Ausbildung nicht bestehen, vor allem den theoretischen Teil. Für die Einstiegsqualifizierung entfällt diese Prüfung. Einige praktische Übungen und Gespräche reichen aus, damit die Teamleiter einen Eindruck gewinnen, ob ein junger Mensch das Potenzial für diesen Beruf hat – sofern er oder sie denn besondere Unterstützung erhält und Defizite aufarbeiten kann.

Einstiegsqualifizierung bei der BVG: Noemi Brendle und Burak Develi haben den neuen Auszubildenden einiges voraus.
Einstiegsqualifizierung bei der BVG: Noemi Brendle und Burak Develi haben den neuen Auszubildenden einiges voraus.

© Dorothee Nolte

Noemi Brendle und Burak Develi sind im Ausbildungszentrum der BVG am Machandelweg in Westend gerade damit beschäftigt, eine elektropneumatische Steuerung aufzubauen. Beide hatten nach dem Mittleren Schulabschluss zunächst eine Hängephase, in der sie nicht wussten, was zu ihnen passte, beziehungsweise bei ersten Bewerbungen abgelehnt wurden. In der Einstiegsqualifizierung haben sie nun Gelegenheit, in einer kleinen Gruppe und mit intensiver Betreuung ihre Fähigkeiten auszubilden. „Hier kann man so oft nachfragen, wie es nötig ist“, sagt Burak.

Die größte Herausforderung, sagt Noemi, sei das frühe Aufstehen gewesen: Um 4.30 Uhr muss sie aus dem Bett, damit sie, aus Lichtenberg kommend, pünktlich um 7 Uhr im Machandelweg antreten kann.

Teamleiter Burkhardt Wehowsky weiß, dass für viele Teilnehmenden vor allem das Drumherum, die sozialen Fähigkeiten ein Problem sind: Pünktlichkeit, Zuverlässigkeit, Durchhaltevermögen, Teamfähigkeit. Nicht alle bleiben dabei. Von zehn Einstiegs-Azubis, die im März begonnen haben, sind sechs dabei geblieben, die anderen haben aus unterschiedlichen Gründen abgebrochen.

Noemi dagegen ist sich sicher, dass sie den richtigen Beruf gefunden hat. „Wenn ich zum Beispiel aus einer Stahlplatte eine Figur feile oder wenn ich einen Schaltkreis, der erst nicht funktioniert, zum Funktionieren bringe, dann macht mich das glücklich und stolz“, sagt sie.

Von 73 Teilnehmenden der Einstiegsqualifizierung seit 2016 wurden 43 in ein Ausbildungsverhältnis übernommen, 42 von ihnen sind immer noch bei der BVG – ein gutes Ergebnis, wie Wehowsky findet.

Auch Noemi Brendle und Burak Develi sind seit dem 1. September reguläre Auszubildende, und sie haben den Neuankömmlingen, die frisch von der Schule kommen, einiges voraus. Sie wissen schon, wie im Betrieb der Hase läuft, und können die Neuen unterstützen – und sie haben sich schon ans frühe Aufstehen gewöhnt.

Dreieinhalb Jahre Ausbildung liegen vor ihnen allen. Und wenn sie die geschafft haben, ist ihnen ein unbefristetes Übernahmeangebot der BVG sicher.

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