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Mit einer Sole-Wasser-Wärmepumpe können sich Hausbesitzer ganzjährig ohne zusätzliche Wärmeerzeuger mit Wärme aus der Erde versorgen.

© kangestudio/123rf/vzbv/txn

Berlin geht die Pumpe: Mancher Heizungstausch lohnt sich kaum

Unsanierter Altbaubestand kann oft nur unter Einsatz hoher Kosten umgerüstet werden.

Prachtvoller Stuck, hohe Decken, Dielenboden und Kastenfenster – viele Altbauten in Berlin sind wahre Immobilienperlen. In der Hauptstadt gibt es rund 765.000 Wohnungen, die vor 1949 gebaut wurden. Wenn es um die energetische Sanierung dieser „Oldies“ mithilfe moderner Systeme geht, strahlen die einen Fachleute vor Optimismus während andere die Hände über den Kopf zusammenschlagen. Zum Beispiel: Wärmepumpen.

Klar ist, dass die Nutzung der umweltfreundlichen Alternative zu Öl- und Gasheizungen auch im Berliner Altbau sinnvoll sein kann. Doch es ist viel zu beachten, damit die Systeme wirtschaftlich arbeiten und die Kosten nicht die Vorteile überwiegen.

Das größte Kopfzerbrechen bereiten in Berlin die Gas-Etagenheizungen

Die Bundesregierung will, dass ab 2024 deutschlandweit mindestens 500.000 Wärmepumpen in Wohnhäuser installiert werden. Herkömmliche Heizungen, die mit fossilen Brennstoffen arbeiten, dürfen ab 2026 nicht mehr eingebaut werden. Vorher neuinstallierte Anlagen sind ab 2025 mit mindestens 65 Prozent Erneuerbare Energien (EE) zu betreiben. Was bedeutet das für Berlin?

Das Durchschnittsalter der Heizungsanlagen in der Hauptstadt beträgt laut dem Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft 18 Jahre – das ist bundesweit nach Bayern der zweithöchste Wert (Niedersachsen: 13,9 Jahre). „Die meisten Kopfzerbrechen“, so Andreas Schuh, Obermeister der Innung Sanitär, Heizung, Klempner, Klima (SHK) in Berlin, bereiten den Handwerkern die annähernd 250.000 Gas-Etagenheizungen: „Sie lassen sich nicht eins zu eins gegen eine dezentrale Wärmepumpe austauschen. Noch gibt es auf dem Markt keine entsprechenden Produkte. Für eine Wärmepumpe muss auch das hydraulische Heizungsnetz im Gebäude gut funktionieren.“

Zudem steht beim Umrüsten im Altbau immer die Frage im Raum, welcher Wärmepumpen-Typ der passende ist. Die Antwort hängt auch von den Gegebenheiten vor Ort ab. Um etwa zu prüfen, ob eine Erdwärmepumpe installiert werden kann, muss meist tief ins Erdreich gebohrt werden. Das kostet Zeit und Geld. Und eine Luftwärmepumpe?

Im Innenhof installiert bereitet sie oft Schallprobleme, auf dem Hausdach muss Platz sein und die Statik stimmen. Schuh: „Die ideale Lösung haben wir noch nicht gefunden.“ Er betont, dass Berliner Altbauten oft schlecht gedämmt sind. Da Mieter bei Sanierungen ein Mitspracherecht haben, komme es vielerorts zu Streit und Verzögerungen, „mit denen wir zu kämpfen haben“.

Berliner Altbauten sind oft schlecht gedämmt

Schuh ärgert zudem, dass die Förderung hybrider Lösungen gestrichen wurde: „Es wäre vernünftig gewesen, mit Öl oder Gas befeuerte Spitzenlastkessel weiter zu erlauben und eine Wärmepumpe als Ergänzung dazuzuschalten.“

230.000
Wärmepumpen wurden 2022 in Deutschland auf den Markt gebracht 

Helmut Bramann, Hauptgeschäftsführer Zentralverband Sanitär Heizung Klima, beklagt außerdem die Fristsetzungen der Bundesregierung. Es wäre sinnvoller gewesen, je nach Alter der Heizungsanlagen Abstufungen vorzunehmen: „Die Festlegung von Zielen muss sich am realistisch Machbaren orientieren.“ Zudem hätten die Ankündigungen der Politik zu „Marktüberhitzungen“ geführt.

Wir haben nicht genug Wärmepumpen, um alle Anfragen, die gerade reinkommen, bewältigen zu können.

 Dirk Jänichen, Geschäftsführer Jänichen Versorgungstechnik GmbH

Eine Folge: Es fehlt an Materialien und Personal, um die Umbauten fristgerecht zu realisieren. Bramann fordert: „Technologieoffenheit und keine Vorfestlegung auf Wärmepumpen, die nicht in angemessener Zeit lieferbar sind.“ Ins gleiche Horn stößt der Berliner SHK-Firmenchef Dirk Jänichen: „Wir haben nicht genug Wärmepumpen, um alle Anfragen, die gerade reinkommen, bewältigen zu können.“

Das werde auch 2023 nicht anders sein. „Viele Eigentümer bauen jetzt noch schnell Heizungsanlagen mit herkömmlicher Technik ein, um sich den Bestandsschutz weit über 2026 hinaus zu sichern“, sagt Jänichen aus Sicht seines Innungsbetriebes. Dass in zwei Jahren in Berlin ausschließlich stromgetriebene Heizungen installiert werden, hält er für „illusorisch“.

Und was sagt die Industrie? Kai Schiefelbein, stellvertretender Vorstand des Bundesverbandes Wärmepumpe, lobt die Ergebnisse des Wärmepumpengipfels im November. Das 65-Prozent-Erneuerbare-Energien-Gebot sei „ein deutliches Zeichen für den politischen Willen zur Energiewende“. Er konstatiert, dass eine Wärmepumpenheizung in der Anschaffung teurer als eine fossile Heizung ist, sie benötige aber auch nur „ungefähr ein Drittel bis ein Viertel“ der Energiemenge herkömmlicher Kessel.

2020 kauften die Deutschen 120.000 Wärmepumpen für ihre Häuser, ein Zuwachs um 40 Prozent. 2022 sind 230.000 Wärmepumpen in Deutschland auf den Markt gebracht worden, 2023 dürften es 350.000 sein. Auch für das 2024er Ziel von 500.000 Geräten ist Schiefelbein optimistisch – auch wenn die Beschaffung von Komponenten und Vormaterialien problematisch sei. Die begrenzten Kapazitäten im Heizungs- und Sanitär-Handwerk könnten durch das von der Regierung angekündigte „Aufbauprogramm Wärmepumpen“ in Höhe von 25 Millionen Euro für die Weiterqualifikation von Fachkräften ausgebaut werden.

Schiefelbein, der auch Geschäftsführer des Hausgeräteherstellers Stiebel Eltron ist, unterstreicht, dass jede zusätzliche Wärmepumpe „einen erheblichen Mehrwert für den Klimaschutz“ darstellt.

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