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Fahrradfahrer und Fussgänger auf einem engen Bürgersteig in Berlin Foto: Imago Images/snapshot-photography/R.Price

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Mehr Rollkoffer in Berlins Außenbezirken?: Airbnb beansprucht Beitrag zur Entzerrung der Touristenstöme

Ziel der Berliner Politik ist es, Touristen zu Besuch und Übernachtung in den Randbezirken zu motivieren. Der Ferienwohnungsvermittler Airbnb behauptet, er sei dabei behilflich. Aber stimmt das auch?

Von Alix Faßmann

Der internationale Ferienwohnungsvermittler Airbnb präsentiert sich mit einer neuen Studie als Teil der Lösung der Probleme, die der Massentourismus in Europa verursacht. Dabei sahen Kritiker das Unternehmen bisher als Teil des Problems.

Mit Airbnb würden Besucher jetzt nicht mehr ausschließlich in den stark frequentierten Berliner Bezirken wie Friedrichshain-Kreuzberg oder Mitte unterkommen, sondern ihren Schlafplatz mit „authentischer Reiseerfahrung“ nun auch in weniger bekannten Gegenden wie Marzahn-Hellersdorf, Tempelhof oder Neukölln finden.

Die Aussagekraft von Daten, die den „Overtourism“ für einen bestimmten Stadtteil beschreiben sollen, können allerdings stark schwanken und missverstanden werden. „Overtourism lässt sich nicht pauschal diagnostizieren“, erklärt Planungs- und Stadtforscher Christoph Sommer, Tagesspiegel-Kolumnist (Dr. Sommer) und Tourismus-Experte am Leibniz-Institut für Raumbezogenen Sozialforschung.

Overtourism lässt sich nicht pauschal diagnostizieren

Christoph Sommer ist Tagesspiegel-Kolumnist (Dr. Sommer) und forscht am Leibniz-Institut für Raumbezogenen Sozialforschung.

Es gäbe zwar Messmethoden, die die „Tourismusintensität" abbilden, wie zum Beispiel die Übernachtungen je tausend Einwohner, oder die Einstellung der Bevölkerung zum Tourismus in einem „Tourismusakzepantzsaldo“ verrechnen. Doch sagen diese Zahlen wenig aus, wenn der Raum nicht genau differenziert wird, den sie beschreiben sollen, meit Sommer.

Airbnb verhilft Vermietern zu neuer Einkommensquelle

Airbnb betont in seinem Report vor allem die wirtschaftlichen Vorteile für Gastgeber. Viele würden die Plattform nutzen, um zusätzliches Einkommen zu generieren, indem sie ihre ungenutzten Räume vermieten. Dies könne laut Airbnb dazu beitragen, den finanziellen Druck in teuren Städten zu lindern und das Wirtschaftswachstum in den Kommunen zu fördern.

Fakt ist, dass die touristische Frequentierung in Berlin kontinuierlich zunimmt. Ob die Nachricht, dass Airbnb nun auch Ferienwohnungen in bislang weniger besuchten Ecken Berlins anbietet, nun eine beruhigende Nachricht ist, ist zu bezweifeln. Eine Studie des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW Berlin) zeigte, dass die Mieten durch eine zusätzliche Airbnb-Unterkunft um durchschnittlich 13 Cent pro Quadratmeter steigen. Nun wurde auch der Bezirk Lichtenberg in dem aktuellen Bericht von Airbnb als „neues angesagtes Stadtviertel“ gelobt und gelistet.

„Jede kurzzeitig vermietete Wohnung fehlt als langfristig zur Verfügung stehende Mietwohnung auf dem Wohnungsmarkt, unabhängig davon, ob sie dazu beiträgt, den Strom des Massentourismus zu entzerren“, sagt Petra Rohland, Sprecherin der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung, Bauen und Wohnen. „Man könnte auch sagen, den Massentourismus mit all den negativen Nebeneffekten in die ruhigen dezentral gelegenen Wohngebiete zu verlagern.“

Airbnb betont in seinem Report die Bemühungen, die Auswirkungen des Massentourismus zu minimieren, indem "die Touristenströme mehr auf neue, angesagte und weniger überfüllte Stadtteile verteilen. Dies betrifft auch viele Gemeinden und Stadtteile ohne Hotels und trägt dazu bei, zumindest teilweise eine Entlastung von den massentouristischen Trends, die von Hotels vorangetrieben werden, zu schaffen.“

Neun Prozent der Berlin-Gäste buchen über Airbnb

In einer Erhebung von Eurostat und Airbnb im Jahr 2021 wird herausgestellt, dass Airbnb nur neun Prozent der Übernachtungen in Berlin ausgemacht hat – 91 Prozent verbrachten ihren Besuch in Hotels. Die Botschaft von Airbnb wird im Zusammenhang deutlich.

„Wir sehen die Herausforderungen, die der Massentourismus in Europa mit sich bringt, und investieren in Lösungen, um zu helfen“, erklärt Airbnb-Managerin Ellen Madeker. So sei zum Beispiel die „flexible Suchfunktion“ auf der Plattform eine technische Lösung, „die Touristenströme mehr auf neue, angesagte und weniger überfüllte Stadtteile zu verteilen.“ Dies würde auch Ecken von Berlin ohne Hotels betreffen und so „zumindest teilweise eine Entlastung von den massentouristischen Trends, die von Hotels vorangetrieben werden, schaffen.“ Die Hotels und der Bau neuer Hotels seien also das Problem, so legt es die Studie nahe. Airbnb versuche, zu helfen.

„Bevor sich Airbnb als „Helfer“ stilisiert, sollte der Konzern erstmal nachweisen, dass er alles dafür tut, dass Anbieter von Wohnungen Einkommenssteuer auf die aus der Vermietung entstehenden Einnahmen bezahlen“, sagt Christoph Sommer. Wettbewerbsgerechtigkeit findet auch Thomas Lengfelder, Vorsitzender des Hotel- und Gastronomieverbandes Berlin, entscheidend.

Thomas Lengfelder ist Hauptgeschäftsführer vom Hotel- und Gaststättenverband Berlin.

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„Grundsätzlich lässt sich der Markt der Ferienwohnungen nicht mehr zurückdrehen. Wichtig ist jedoch, dass dieser Markt reguliert wird, um die Dauermieter und den Wohnungsmarkt in den Ballungszentren zu schützen“, sagt Lengfelder. „Ferienwohnungen müssen registriert und genehmigt sein – es darf kein grauer Hotelmarkt entstehen.“

Zumal Hotels keine „Konkurrenz“ für Wohnraum in der Stadt darstellen, wie die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung klarstellt. „Hotels, die in Berlin zu einem großen Teil neu gebaut werden und stehen überwiegend auf Gewerbeflächen“, sagt Sprecherin Petra Rohland. „Dies gilt erst recht für Wohnraum, der für Menschen mit geringem Einkommen erschwinglich sein soll.“

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