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Der Gastronomie läuft das Personal weg.

© LAIF/Le Figaro Magazine/laif

Personalmangel bedroht die Gastronomie: Bringt mehr Lohn Köche und Kellner zurück?

Die Gewerkschaft NGG legt Analyse der Beschäftigungssitation im Hotel- und Gaststättengewerbe vor.

Zur Pressekonferenz hat sich die Gewerkschaft NGG – Nahrung, Genuss, Gaststätten – das Steigenberger-Hotel am Hauptbahnhof ausgesucht. Ganz ohne Absicht geschah das nicht, denn Steigenberger zeigt nach Angaben des Gewerkschaftschefs Guido Zeitler ein eher brachenuntypisches Verhalten: Das Unternehmen ist tariftreu. Aber von dieser wichtigen Nebensache abgesehen hat Zeitler eine Botschaft mitgebracht, die auch für große Hotelgruppen gilt: „Die Löhne müssen rauf, die Arbeitszeiten runter“.

Selten dürfte eine Gewerkschaft in Deutschland grundsätzlich Anderes gefordert haben. Aber die NGG stützt sich auf eine aktuelle Studie des Beratungsunternehmens wmp Consult, das sich als „arbeitnehmerorientiert“ einstuft. Dessen Einschätzung, das Gastgewerbe stecke in einer tiefen Krise, dürften aber auch die Arbeitgeber zustimmen. Die Hauptbotschaft: Die in der Pandemie entstandene Personalkrise – etwa 300.000 Abwanderungen – sei im folgenden Aufschwung vor allem durch Minijobber und Ungelernte überbrückt worden.

Die Folge ist bekannt: Fast alle Betriebe der Branche suchen einerseits händeringend nach Personal, leiden aber andererseits unter der Inflation – und die wenigsten dürften bereit sein, der Hauptforderung der NGG nach einem Startlohn von 3000 Euro für ausgebildete Fachkräfte nachzukommen. Schon, weil ihre Gäste die steil steigenden Preise auch jetzt oft nicht mehr zahlen wollen.

Diese Situation gilt verschärft gerade für Berlin. Zwar könne die Hauptstadtgastronomie ihren Personalbedarf zu einem gewissen Teil auch aus Brandenburg decken, sagt Sebastian Riesner, der Berliner NGG-Geschäftsführer. Das bringe insgesamt aber wenig. Ein großer Teil der geringfügig Beschäftigten sei inzwischen in Ländern wie Indonesien, Vietnam oder Mexiko angeworben worden, Menschen, die oft mit falschen Erwartungen in die Stadt gekommen seien. Die Wohnungsnot in Berlin verschärfe die Lage zudem.

Die Zahl offener Stellen sagt nur noch wenig aus

Dabei sei es schwer, die Personallücke überhaupt zu beziffern, sagt Riesner weiter. Der Arbeitsagentur seien derzeit etwa 7000 offene Stellen im Gastgewerbe der Stadt gemeldet. Das sage aber wenig aus, weil ein großer Anteil der Mitarbeiter über andere Kanäle wie die sozialen Netzwerke gesucht werde und deshalb in der offiziellen Statistik überhaupt nicht auftauche. Bundesweit ist vor allem bekannt, dass sich die Zahl der regulären Ausbildungsverhältnisse der Branche in den vergangenen 20 Jahren auf aktuell 21318 mehr als halbiert hat. Und auch die Abbruchquoten liegen in den Schlüsselberufen über 40 Prozent.

Wenn in Berliner Innenstadtlokalen teilweise nur noch Englisch gesprochen werde, dann sei das zwar angesichts einer international orientierten Branche nicht schlimm, meint Riesner, aber es zeige doch, dass die Fachkräfte, die schon im Land leben, auf die belastende und schlecht bezahlte Arbeit keine Lust mehr hätten. Andererseits, so berichten Betriebsräte, komme es zur Unruhe in den Betrieben, wenn neu eingestellte Kollegen sofort deutlich mehr verdienen, weil sie für die Gehälter der langjährig dort Beschäftigten nicht arbeiten würden.

Hier kommt nun das Problem der Tariftreue ins Spiel. Wie Guido Zeitler sagt, hat die Tarifflucht in den letzten Jahren stark zugenommen: 2010 hielten sich noch 37 Prozent der Dehoga-Mitgliedsbetriebe an die Vereinbarungen mit der Gewerkschaft, 2022 seien es nur noch rund 20 Prozent gewesen, und das bei einer durchschnittlichen Tarifbindung über alle Branchen von 49 Prozent. Und in Berlin, ergänzt Riesner, seien es nach seiner persönlichen Einschätzung nur noch zehn Prozent.

Daraus folgt eine zentrale Forderung der Gewerkschaft an die im Dehoga-Verband organisierten Arbeitgeber: Es müsse Schluss sein mit der Möglichkeit einer Mitgliedschaft ohne Tarifbindung, wie sie in 9 von 16 Landesverbänden angeboten werde, darunter auch in Berlin. Diese „OT-Mitgliedschaft“ sei beispielsweise in Rheinland-Pfalz abgeschafft worden, ohne dass es zu einer nennenswerten Zahl von Austritten gekommen sei.

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