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Die Senatsverwaltungen bewältigen kaum ihre Arbeit, obwohl sie überbesetzt sind, meint Pätzold.

© Imago/Moodboard

Wucherndes Monopol: Warum Berlins Verwaltung so schlecht ist

Erich Pätzold, SPD-Innensenator im Momper-Senat von 1989 bis Anfang 1991, kritisiert die Berliner Behörden und die aufgeblähte Verwaltung.

Gerade wieder hat sich bei der erneuten Wahl bestätigt, wie sehr die Berliner mit Leistungen ihrer Verwaltung unzufrieden sind. Die Fehlentwicklungen sind die Folge jahrzehntelangen Versagens der politischen und administrativen Führungen.

Die haben es nicht vermocht, das altbacken vor sich hin wuchernde Monopol Verwaltung durch rechtzeitige umfassende Reformen auf die Höhe der schnelllebigen Zeit zu bringen. Dagegen waren etwa Gewerkschaften und Hauptpersonalrat bei Reformbestrebungen immer wieder hilfreich.

Jetzt rufen nicht nur in der Politik viele wie selbstverständlich nach „der“ Verwaltungsform, bleiben dabei aber erstaunlich vage, ja sind oft kenntnisarm. Einige meinen mit Verwaltungsreform nur die Digitalisierung in Behörden, so wichtig dieser Teilaspekt ist.

Es schimmert durch, dass die Senatsverwaltungen in unsinniger Doppelarbeit wieder die Bezirke in deren örtlichen Einzelangelegenheiten allumfassend bevormunden könnten. Stichwort: Wiedereinführung der „Fachaufsicht“ der Senatsverwaltungen bei jenen bezirklichen Aufgaben, die bis 1945 staatliche Aufgaben (Reich oder Preußen) waren; danach im Stadtstaat eine abwegige Unterteilung. 1999 war die Fachaufsicht abgeschafft und stattdessen ein gesetzliches Eingriffsrecht des Senats bei allen bezirklichen Aufgaben geschaffen worden, das vollkommen ausreicht.

Die kontraproduktive Wiederbelebung der Fachaufsicht würde ein weiteres Grundübel erneut verstärken. Denn manche in Senatsverwaltungen möchten mit überbordenden Alltagsgeschäften rechtfertigen, in welchem Maße sie ihre eigentliche Aufgabe der zukunftsorientierten Planung und Gestaltung vernachlässigen.

Wowereit war der Bremser

Selbst als Senats-Minderheitspartner hatte die SPD bis 2001 durch stetes Drängen die Verwaltungsreform weit vorangetrieben. Berlin galt bundesweit als Reformvorreiter, bis ausgerechnet der Chef der nachfolgenden rot-roten Koalition, Klaus Wowereit, den trägen Kräften der Hauptverwaltung nachgab. Er stoppte die Reformwelle, als sie mit ihren betriebswirtschaftlichen Elementen nach den Bezirken auf die unwillige Hauptverwaltung zurollte.

Die SPD-Mitglieder des Momper-Senats, links Erich Pätzold, trafen sich 2014 zum 25. Jahrestag der Regierungsübernahme.

© Davids/Darmer

Seit 2001 hat es kaum Reformfortschritte, aber unheilvolle Rückschritte gegeben: Wiederabschaffen der Bestellung von Führungskräften zunächst auf Zeit (zweimal für fünf Jahre); Verlagern der Steuerungsdienste der Senatoren in die allgemeine Verwaltung – meist Hort der Reformgegner; Fallenlassen des Gesetzentwurfs zur betriebswirtschaft­lichen Modernisierung der Landeshaushaltsordnung.

Dazu das Abschaffen des Reform-Lenkungsgremiums des Senats, Ersetzen durch einen Staatssekretärs-Ausschuss (gab es schon Jahre vorher; wegen Erfolglosigkeit aufgelöst); Verzicht auf den erfolgreichen externen Betriebswirt als Reform-Generalmanager; bei den Senatsverwaltungen, anders als bei den Bezirken, keine betriebswirtschaftliche Durchleuchtung und Haushalts-Budgetierung; Aufheben des Verwaltungsreform-Grundsätze-Gesetzes.

Die Hauptverwaltung in vielen Teilen aufgebläht, behäbig, ineffektiv, bürgerfern, sich weithin selbst genügend und viele Mitarbeiter demotivierend. 

Erich Pätzold, von 1973 bis 1981 Gesundheitssenator und von 1989 bis 1991 Innensenator

Moderne Großstädte lassen sich nur in selbstverwaltungskräftiger Untergliederung gut und bürgerzugewandt verwalten. Die 1999 präzisierte Verfassungsregelung über die Aufgabenverteilung ist richtig: die Bezirke regelmäßig für die örtlichen Aufgaben nach Selbstverwaltungsgrundsätzen zuständig, die Hauptverwaltung für die gesetzlich bestimmten gesamtstädtischen Aufgaben.

1999 haben wir das in mühsamer einjähriger Durcharbeitung Aufgabe für Aufgabe optimiert. Da ist auch heute nicht viel nachzuholen. Meist wurden Aufgaben in die Bezirke verlagert. Die Senatoren und ihre Verwaltungen sollen den Kopf frei haben für die großen Zukunftsaufgaben, statt sich im Alltag zu verlieren.

Verfassungsauftrag der Hauptverwaltung ist zuallererst Planung und Steuerung. Daran fehlt es viel zu oft! Am besten steuert sie, indem sie intensiv mit den Bezirken zusammenwirkt, berät und abstimmt (statt einfach zu dekretieren).

Falls das nicht hilft, stehen die Instrumente des Allgemeinen Zuständigkeitsgesetzes zur Verfügung (§ 6 – Verwaltungsvorschriften, die die Verwaltungen einheitlich binden; § 13a – Eingriffsrecht des Senats). Dass § 6 so selten für Steuerung genutzt wird, ist Versäumen der Steuerungspflicht.

Kläglicher Behördenzustand

Das Kernproblem ist mindestens bei größeren Behörden die unzulängliche innere Verfasstheit. Ihr kläglicher Zustand ist für Außenstehende unvorstellbar. Der Behörde selbst wie den wechselnden politisch Verantwortlichen fehlen die Instrumente für den Durchblick in die Behördenteile.

Sind die Aufgaben überhaupt noch nötig? Müssen neue Aufgaben übernommen werden? Sind überall konkrete Ziele gesetzt? Werden sie zügig, mit der höchstmöglichen Wirkung und der geringstmöglichen Kosten- und Vermögensbelastung erreicht? Dazu: Sind die Behördenteile outputorientiert budgetiert und tragen Ergebnisverantwortung? Ist in die Behördenleitung ein Steuerungsdienst (Controlling) integriert?

Die betriebswirtschaftlichen Instrumente dafür waren im Verwaltungsreform-Grundsätze-Gesetz (VGG) von 1999 vorgeschrieben. Fatalerweise hat sich der Gesetzgeber 2016 auf Drängen aus der Hauptverwaltung dazu verleiten lassen, das VGG aufzuheben.

Die Folge des fehlenden Durchblicks ist meist Weiterwursteln wie bisher, und das mit der Stange im Nebel. Nach alledem ist die Hauptverwaltung in vielen Teilen aufgebläht, behäbig, ineffektiv, bürgerfern, sich weithin selbst genügend und viele Mitarbeiter demotivierend. Sie kostet astronomische Summen, die für Bürgerleistungen und Investitionen fehlen.

Von Hamburg lernen

So wird Berlin auf Verschleiß gefahren. Diese Verwaltung bewältigt kaum die Alltagsarbeit, geschweige denn ihre Ministerialaufgabe des vorausschauenden Planens und Gestaltens, und das in einer enorm wachsenden, problembeladenen Weltstadt.

Immer noch ist die Stellenausstattung in der Hauptverwaltung, und da in der Ver­waltung der Verwaltung, erheblich überhöht, während der Dienst am Bürger Not leidet, besonders in den Bezirken.

Kein Wirtschaftsbetrieb könnte sich mit solch vorsintflutlichen Arbeitsstrukturen im Wettbewerb behaupten. Insgesamt müssen wir zu einem flächendeckend selbstoptimierenden System mit kaufmännischem Rechnungswesen (statt bloßer primitiver Einnahme- und Ausgaberechnung ohne Vermögensverzahnung) kommen.

Dazu braucht es eine professionelle, von außen kommende Reformsteuerung. Wie seinerzeit genügt ein einzelner exzellenter Unternehmensberater statt der zuvor millionenschwer beauftragten Beratungsfirmen.

Ein solches selbstoptimierendes System führt mit den drei Säulen systematische Aufgabenkritik, Ziel- und Wirkungsorientierung und Prozessoptimierung zu Leistung und Wirtschaftlichkeit bei geringstmöglichem Personaleinsatz.

Hamburg hat 2013 kaufmännisches Rechnungswesen eingeführt, das vieles betriebswirtschaftlich Notwendige erzwingt. Und der frühere Berliner und dann Hamburger Haushaltsabteilungsleiter, der das Rechnungswesen in Hamburg durchgesetzt hat, wäre bereit, Berlin ehrenamtlich mit Rat zu unterstützen.

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