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© Bettina Stöß

Das Obere Foyer der Deutschen Oper Berlin: Den Geist der 60er Jahre atmen

Freiraum für Gedanken: Das Obere Foyer der Deutschen Oper ist Rettungsort in der Pause, seine Architektur sucht in Berlin seinesgleichen. Zeit für eine kleine Hommage.

Warum die Deutsche Oper als Berlins „hässlichstes Opernhaus“ gilt, werde ich nie verstehen. Die Fassade zur Bismarckstraße lassen wir jetzt mal buchstäblich außen vor, die verdient eine eigene Debatte. Aber das Innere des Baus von Fritz Bornemann ist von beglückender architektonischer Stringenz und Kraft, gerade wegen seiner Schlichtheit, die nichts zukleistert und damit vielen stillen Details – vom Polsterbezug bis zur Linienführung der Geländer – ihren Auftritt ermöglicht.

Was tun in der Pause? Das ist hier gar keine Frage.

Vor allem eines existiert hier im Überfluss: Platz! Während man an der frisch restaurierten Staatsoper nie weiß, was man in den Pausen machen soll (es gibt die Wahl, verdruckst in den Gängen herumzustehen, im fensterlosen Keller Kaffee zu trinken oder in den Apollosaal zu gehen, der aber oft wegen geschlossener Gesellschaften gesperrt ist), ist das an der Deutschen Oper gar keine Frage: Man sucht eines der lichtdurchfluteten Foyers auf, und am besten natürlich das Obere Foyer.

Das Obere Foyer ist ein wunderbarere Ort, und weil man zu ihm hinaufsteigen muss, auch meist deutlich stiller als das Untere, wo sich alles an der Bar drängelt. Verschwenderisch geht Bornemann hier mit Raum um. Wer das Obere Foyer betritt, scheint sofort aufgesogen zu werden von der Weite der Architektur, vom gedämpften Murmeln der Stimmen, das hat etwas ungeheuer Entspannendes. Dezent ausgeleuchtet und akzentuiert von ein paar Skulpturen, darunter „Triarchy“ von Kenneth Armitage, können die Gedanken frei schwingen, und alle Sorgen scheinen für ein paar Minuten abzufallen.

Wie hingestreuselt laden Sitzgruppen zum Niederlassen ein, sie stehen nah genug beieinander, um sich unterhalten zu können, und doch so weit voneinander entfernt, dass auch Fremde nebeneinandersitzen können, ohne sich zur Kommunikation genötigt zu fühlen. „Diskret“ ist der Begriff dafür. Man ist völlig bei sich und doch Teil einer größeren Inszenierung. Hotellobbys funktionieren so.

Mit einem Augenzwinkern hat Bornemann das schönere der beiden Foyers der Deutschen Opern für diejenigen gebaut, die die günstigeren Eintrittskarten haben – auch dies Beweis für den Demokratiegedanken, der das ganze Haus durchzieht und sich bekanntlich auch darin manifestiert, dass man im Zuschauersaal von allen Plätzen aus gute Sicht hat. Bornemann hätte wahrscheinlich protestiert, aber das Obere Foyer ist sein Meisterstück, Gott sei Dank denkmalgeschützt. Gibt es einen zweiten Ort in Berlin, der diesem gleichkommt, der in Größe und schlichtem Stilbewusstsein so selbstverständlich den Geist der 60er Jahre atmet? Vorschläge sind gerne gesehen.

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