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Gleich ist die Bolognese fertig: Patrick, Uschi, Ina und Knut (v.li.) in der Küche des Nachtcafés. 

© Gerd Nowakowski

Ort des Schutzes und der Ruhe: Berliner Nachtcafé von Engagement-Plattform ausgezeichnet

Die ehrenamtlichen Helfer:innen des Nachtcafés im Pfarrsaal freuen sich über die Auszeichnung „Ausgezeichnetes Engagement“.

Draußen vor der Tür liegt der Schnee, es ist bitterkalt – aber gleich macht das Nachtcafé Herz Jesu auf. Darauf warten schon „Weissbart“ und auch Laschek. Drinnen im Pfarrsaal der katholischen Pfarrei Herz Jesu in Prenzlauer Berg an der Grenze zu Mitte aber werden noch Bettgestelle aufgebaut und Matratzen verteilt. Knut Güntzel, großgewachsen, breitschultrig, mit Bart, trägt die schweren Matratzen, und Ina baut die Trennwände zwischen den Betten auf – ein wenig Privatsphäre für die wohnungslosen und bedürftigen Menschen.

Wer von der belebten Schönhauser Allee durch das schwere Eisentor auf das von der Straße kaum sichtbare Pfarrgelände tritt, um zum Pfarrsaal zu gelangen, wird von Stille umfangen. Es wirkt, als sei unter dem italienisch anmutenden Kirchturm die dunkle und ungemütliche Jahreszeit etwas weniger dunkel und ungemütlich. Ein Ort des Schutzes und der Ruhe will das Nachtcafé sein.

Seit November vergangenen Jahres wird hier wieder jeden Montag der Pfarrsaal leergeräumt und darin bis zu 14 Betten untergebracht. Neben einer Übernachtungsmöglichkeit und einem warmen Essen haben hier die Frauen und Männer auch die Möglichkeit zum Gespräch und des sozialen Austauschs. Auch Duschen können die Nachtgäste und ihre Kleidung waschen. Für die Übernachtungsgäste wird abends gekocht und am Dienstagmorgen gibt es auch noch ein Frühstück. Außerdem werden jeden Dienstagabend bis zu 32 Gäste bewirtet; dann aber ohne Schlafmöglichkeit. Drogen und Alkohol sind tabu; auch Hunde müssen draußen bleiben.

40
Helfer:innen teilen sich die Dienste im Nachtcafé auf.

Knut Güntzel ist seit vier Jahren einer der Engagierten. Doch die Einrichtung besteht schon viel länger – bereits vor 25 Jahren wurde das Nachtcafé gegründet. Auch in den zwei Corona-Wintern haben die ehrenamtlichen Helfer:innen angepackt, um den Gästen einen sicheren Schlafplatz und ein gesundes Essensangebot zu bieten. Dazu werden viele Freiwillige benötigt – für den Küchendienst, für die Nachtwache, für den Putzdienst oder um Frühstück vorzubereiten.

Sie alle tragen mit einem offenen Herzen und Ohr dazu bei, dass die wohnungslosen Menschen einen Moment der Entspannung und das Gefühl von Gemeinschaft genießen können. Die meisten Gäste kennt Güntzel schon. Auffällig sei aber, so erzählt er, dass in diesem Winter mehr Frauen als früher kämen – zwei, drei, zuweilen seien es aber auch vier.

„Eine tolle Anerkennung für unsere Arbeit“

Kürzlich wurde dem Projekt Nachtcafé Herz Jesu von der bundesweiten Engagement-Plattform GoVolunteer das Siegel „Ausgezeichnetes Engagement“ verliehen. Knut Güntzel, das hört man ihm an, freut sich immer noch über den unverhofften Preis. Die Gruppe sei „sehr froh“ über die Auszeichnung, erzählt er. Das ist „einfach eine tolle Anerkennung für unsere Arbeit“.

Nahezu still ist es anfänglich an dem langen Tisch. Es ist zu spüren, dass die Menschen, die den Tag draußen in der Kälte verbracht haben, erst einmal zu sich kommen und die Ruhe genießen. Während sie Tee trinken, wird in der Küche das Essen bereitet.

Uschi W. und ihr Sohn Patrick haben schon zu Hause „Bolo“ gekocht; gleich kommt ein großer Sack Nudeln ins kochende Wasser des riesigen Topfes. Patrick W. ist Mitglied des Rotary Clubs Checkpoint Charlie, deren Mitglieder regelmäßig hier aushelfen. Dass die Rotary-Mitglieder anpacken, „ist viel mehr wert als Geld“, sagt Knut Güntzel. Finanziell unterstützt wird das Nachtcafé auch von der Berliner Kältehilfe und auch vom Rotary Berlin-Global eClub.

Rund 40 Helferinnen und Helfer teilen sich die Dienste im Nachtcafé auf – jeweils zwei von ihnen verbringen hier im Pfarrsaal auch die Nächte, um auf Probleme oder medizinische Notfälle reagieren zu können. „Wir müssen nicht häufig die Grenzen austesten“, sagt Knut Güntzel mit Blick auf Drogen und Alkohol. Beides ist hier tabu, aber ganz trennscharf sei das nicht zu handhaben. „Wir machen Nothilfe, nicht Sozialarbeit“, sagt Knut Güntzel.

Der Mittfünfziger Knut Güntzel findet hier im Nachtcafé Herz Jesu viel Befriedigung in seinem Einsatz. Sein Leben hat sich ohnehin ziemlich verändert. Bis vor vier Jahren hat er in der Privatwirtschaft gearbeitet, um sich noch einmal neu zu orientieren – mit Zustimmung der Familie, wie er erzählt. Seit drei Jahren studiert er nun Theologie. Das Nachtcafé ist ein Projekt der ganzen Familie. Auch seine Frau und die beiden 15- und 18-jährigen Kinder helfen regelmäßig. Und zu tun ist immer etwas. 


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