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Demo gegen den Stopp des Radwegeausbaues, Hauptstrasse, Grunewaldstrasse, 30.6.2023

© Norbert Michalke/Changing Cities

„Entscheidung ist verheerend“: SPD-Kreisvorsitzende kritisieren Radwegestopp in Berlin-Schöneberg

Die beiden wichtigsten Radwegprojekte in Tempelhof-Schöneberg sind auf Eis gelegt. Die Grünen-Verkehrsstadträtin ist entsetzt. Kritik kommt auch aus dem SPD-Kreisverband.

Eigentlich sollten die Bauarbeiten für die Radwege auf der Hauptstraße in Berlin-Schöneberg in den kommenden Wochen starten, sodass bis zum Ende des Jahres Radfahrer auf geschützten Spuren an der viel befahrenen Straße unterwegs sein könnten. Diese Planungen sind jetzt erst einmal auf Eis gelegt. Die Umsetzung dieses Radverkehrsprojektes auf der wichtigen Nord-Süd-Verbindung im Bezirk sowie der Bau der Radwege an der Grunewaldstraße wurden von der Senatsverkehrsverwaltung gestoppt.

Nicht nur bei den Grünen im Bezirk und ihrer Verkehrsstadträtin Saskia Ellenbeck ruft die Entscheidung von Verkehrssenatorin Manja Schreiber (CDU) Empörung hervor, sondern auch bei den Sozialdemokraten – im Bezirk und in der Abgeordnetenhausfraktion. Betroffen vom Radwegestopp sind auch die Bezirke Neukölln, Lichtenberg und Charlottenburg-Wilmersdorf.

Die SPD-Kreisvorsitzenden von Tempelhof-Schöneberg, Wiebke Neumann und Lars Rauchfuß, halten den angekündigten Stopp für die Verkehrspolitik im Bezirk für „verheerend“. Es gehe bei den beiden Vorhaben um fertig geplante, vor Ort gewollte und ganz maßgeblich vom Bund finanzierte Projekte, sagten Rauchfuß und Neumann am Donnerstag: „Es geht um die Verkehrssicherheit aller Verkehrsteilnehmer.“ Hier dürfe man nicht aus ideologischen Gründen streichen.

Wir wollen Prozesse beschleunigen, nicht anhalten.

Wiebke Neumann und Lars Rauchfuß, SPD-Kreisvorsitzende

„Nachvollziehbare Kriterien für einen solchen Stopp haben wir von der CDU-geführten Verkehrsverwaltung noch nicht gehört. Das können wir schon deshalb nicht hinnehmen, weil im Koalitionsvertrag anderes – nämlich der Ausbau sicherer Radwege – verabredet ist“, sagten die SPD-Politiker, die beide dem Abgeordnetenhaus angehören und sich nach der Wiederholungswahl gegen eine Große Koalition mit der CDU ausgesprochen hatten. „Wir wollen Prozesse beschleunigen, nicht anhalten.“ Sie forderten die Senatsverwaltung auf, „diese absurde Entscheidung zurückzunehmen. Wir werden auch prüfen lassen, ob die Absage der Maßnahmen rechtlich haltbar ist und zum Fortfall von Fördermitteln führt.“

Rauchfuß und Neumann vertreten ihre Position auch in der Abgeordnetenhausfraktion. Rauchfuß kann sich vorstellen, den Koalitionsausschuss anzurufen, damit Schreiners Entscheidung wieder kassiert wird.

In der vergangenen Woche hatte die SPD-Fraktion einen Beschluss zum Thema gefasst. Er besagt, dass priorisiert werden solle, welche Radwege innerhalb von drei Jahren umgesetzt werden können. Zudem heißt es darin: „Die SPD-Fraktion möchte mehr und sichere Radwege in Berlin bauen und diese Prozesse beschleunigen.“

Damit werden detaillierte Abstimmungen zwischen allen beteiligten Akteuren und einem langwierigen und umfangreichen Planungsprozess zunichtegemacht.

Saskia Ellenbeck (Grüne), Verkehrsstadträtin

Bereits am Mittwoch, direkt nach Bekanntwerden der Anordnung aus der Senatsverkehrsverwaltung, hatte sich Verkehrsstadträtin Ellenbeck bestürzt gezeigt: „Damit werden detaillierte Abstimmungen zwischen allen beteiligten Akteuren und einem langwierigen und umfangreichen Planungsprozess zunichtegemacht.“ Demokratisch gefasste Beschlüsse aus der BVV und dem Kinder- und Jugendparlament würden ignoriert. Der Stopp bedeute den Verfall von 1,5 Millionen Euro Fördergeldern für den Bezirk. „Das ganze können wir uns angesichts knapper Haushalte und angesichts einer nach wie vor fehlenden Verkehrssicherheit auf diesen Straßen nicht leisten“, sagte Ellenbeck.

Die Planungen für die Hauptstraße sahen auf dem Abschnitt zwischen Kleistpark und Dominicusstraße in beiden Fahrtrichtungen jeweils eine Radspur vor, die mit Pollern oder Leitboys von der angrenzenden Busspur abgetrennt ist. Für den Autoverkehr war eine Spur pro Richtung geplant. Die Busspur sollte ganztägig ausgewiesen sein und Parken in der Nacht nicht erlaubt. Für den Lieferverkehr sollten entsprechende Zonen ausgewiesen werden. Die endgültige Planung war Ende April vorgestellt worden.

Initiativen wollen jetzt jeden Freitag für den Bau der Radwege demonstrieren.

© Norbert Michalke/Changing Cities

Die CDU im Bezirk unterstützt die Entscheidung der Verkehrssenatorin; sie habe richtig gehandelt. „Die CDU-Fraktion Tempelhof-Schöneberg hat frühzeitig Verbesserungsvorschläge gemacht, die aber nicht aufgegriffen wurden“, sagte Unions-Fraktionschef Patrick Liesener. Die Union habe unter anderem angeregt, das Parken auf der Busspur in der Nacht zu erlauben sowie Parkplätze in der angrenzenden Albertstraße zu erhalten, die einer Lieferzone für die Unternehmen an der Hauptstraße weichen sollten.

Am Ende wird es eine gute Lösung für alle Verkehrsteilnehmer geben, da bin ich mir sicher.

Patrick Liesener (CDU), Fraktionsvorsitzender

Außerdem sei für die CDU noch nicht geklärt, wie die Sicherheit der Radfahrer bei den Bushaltestellen gewährleistet werden könne. Eine weitere Überprüfung sei daher richtig, sagte Liesener. Er zeigte sich überzeugt: „Am Ende wird es eine gute Lösung für alle Verkehrsteilnehmer geben, da bin ich mir sicher.“

Radfahrverbände und Anwohnerinitiativen hatten bereits am vergangenen Freitag an der Hauptstraße zu einer Demonstration aufgerufen, an der sich einige hundert Menschen beteiligten. Auch diesen Freitagnachmittag soll – wie in den kommenden Wochen – demonstriert werden. Treffpunkt für die Demo unter dem Motto „Radwegestopp nicht mit uns! Für sicheres Radfahren in Tempelhof-Schöneberg“ ist am Kleistpark um 17 Uhr.

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