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Reiner Nagel, Vorstandschef der Bundesstiftung Baukultur, fordert, dass im Berliner Innenstadtbereich Sanierung und Umnutzung bestehender Gebäude Vorrang gegenüber Neubauten haben sollten.

© dpa/ Daniel Naupold

Stadtrand im Blick: Bundesstiftung Baukultur fordert mehr Gartenstädte

Die Bundesstiftung Baukultur schlägt in ihrem neuen Bericht den Bau von Gartenstädten und die Aufwertung öffentlicher Flächen in der Innenstadt vor.

Die Boomtown Berlin braucht eine gezielte Stadtrandentwicklung, betonte Reiner Nagel, Vorstandschef der Bundesstiftung Baukultur, beim Konvent der Organisation in Potsdam. Gleichzeitig gelte es, "in der Innenstadt neue Vitalität zu schaffen". Dafür sollte die Sanierung und Umnutzung bestehender Gebäude Vorrang gegenüber Neubauten haben. Angesichts des starken Zuzugs in die Ballungsräume und auch durch die Zuwanderung von Flüchtlingen sieht die Bundesstiftung Baukultur, die alle zwei Jahre einen Bericht für die Bundesregierung vorlegt, aber keine Alternative zum Neubau. Mehr als 350.000 Wohnungen jährlich würden bis 2030 in Deutschland benötigt. Nach bundesweit 270.000 Wohnungen im Jahr 2015 wird im laufenden Jahr mit der Fertigstellung von 290.000 neuen Wohnungen gerechnet.

Bei der notwendigen "Außenentwicklung" könnten Neubausiedlungen in der Form von Gartenstädten die Großstadtregion "für den langen Atem der Wachstumsentwicklung der kommenden 15 bis 20 Jahre" sinnvoll ergänzen. Doch auch in neu entstehenden Stadtteilen sei auf Qualität zu achten. Einfamilienhäuser seien wegen des großen Flächenbedarfs nicht zu empfehlen, denn "Bodenschutz ist Umweltschutz", wie Nagel betonte. Es müssten bei der "Außenentwicklung" städtische Konzepte wie zum Beispiel gute Verkehrsanbindungen bedacht werden. In dem jetzt vorgelegten Baukulturbericht 2016/17 mahnte die Bundesstiftung: "Der öffentliche Raum, seine Nutzbarkeit, Gestaltung und dauerhafte Pflege werden auch für die Integration von Geflüchteten entscheidend sein."

öffentliche Flächen und Grünanlagen sollen mehr Gewicht erhalten

Kritisch äußerte sich Nagel gegenüber dem Tagesspiegel zur Praxis im energetischen Stadtumbau. "Wenn wir an den Fassaden noch mehr Wärmedämmung anbringen, dann sehen alle unsere Häuser wie verquollene Gesichter aus", sagte er. Man müsse hier "mit Augenmaß vorgehen, an verschiedenen Stellschrauben drehen und auch über neue Baustoffe nachdenken". Hochhäuser sind für Nagel keine Option. Ein Gebäude sollte maximal sieben Geschosse haben, so Nagel.

Trotz der anhaltenden baulichen Verdichtung in den Innenstädten müssten öffentliche Flächen, Grünanlagen und Gemeinschaftseinrichtungen mehr Gewicht erhalten. So steht es in der Empfehlung der Stiftung an die Bundesregierung. Dabei räumt sie ein, dass die Planung und der Bau von großen Neubauprojekten die großen Städte "vor kaum lösbare Aufgaben" stellt. Bei aller Not sollte aber nicht nur der Bedarf an Wohnraum gesehen werden, es gehöre auch die soziale Einbindung der Mieter dazu. Integration beginne beim Wohnen. "Bauliche Schnellschüsse" seien möglichst zu vermeiden.

Tatsächlich gibt es in Deutschland einen enormen Bauboom. Nach Angaben der Bundesstiftung lag das Bauvolumen 2015 bei 341 Milliarden Euro. Drei Viertel gehen in die Sanierung und Erhaltung. Der Neubau in den Zentren der großen Städte stoße hingegen vielerorts an Grenzen "was Akzeptanz, Dichte und die gleichzeitig erforderlichen Freiräume betrifft", heißt es im Bericht. Angesichts der aktuellen Preisspirale in den Innenstädten könnte eine Abwanderung in Umlandregionen aber eine Folge sein. Die Bundesstiftung sieht darin "Aufgabe und Chance zugleich" und lenkt den Blick auf die ländlichen Regionen, auf Klein- und Mittelstädte. Mehr Lebensqualität durch Baukultur, wird auch dort gefordert. Immerhin leben zwei Drittel der deutschen Bevölkerung in Regionen außerhalb der Ballungsgebiete.

Bundesregierung befürwortet Hinwendung zum ländlichen Raum

Die Bundesregierung unterstützt die Hinwendung zum ländlichen Raum. In einer Stellungnahme zum Baukulturbericht betont sie, es sei wichtig, "alle Betroffenen frühzeitig an der Planung von Bauvorhaben zu beteiligen". Weiter heißt es, "die Baulandschaft prägt das Zugehörigkeitsgefühl und die Identifikation der Menschen mit ihrer Heimat". Bei der Stiftung sieht man aber auch die vielfältigen Wechselbeziehungen zwischen großstädtischen Siedlungen und den ländlichen Räumen. Die Stichworte lauten "Vernetzung", "Zwischenräume" und "dezentrale Strukturen". Stromleitungen und Windparks sowie Verkehrsprojekte dürften das Landschaftsbild nicht beeinträchtigen. Vielmehr sollten Bauten der Energiewende und des Klimaschutzes als "Gestaltungsaufgabe" begriffen werden.

"Um mehr Akzeptanz von Bauprojekten zu erreichen, müsse bei der Planungskultur angesetzt werden", empfehlen die Experten: "Es gelte, Regeln und Normen zu überprüfen und ein Gefühl der gemeinsamen Verantwortung bei Politik, Architekten und Ingenieuren zu wecken."

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