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Saftige Angelegenheit: Swissotel-Küchenchef Danijel Kresovic (l.) und Mitglieder der Probierrunde diskutieren ihre Erkenntnisse.

© Kai-Uwe Heinrich

Orangen-Direktsaft im Test: Der Sieger ruhte in sich - vor fünf Jahren

Vor fünf Jahren kostete unsere Probierrunde Orangen-Direktsaft aus den Kühlregalen des Berliner Handels. Zwei Marken verdienten sich drei Medaillen. Andere schmeckten nach Möhre oder Crème fraîche. Was Thomas Platt darüber schrieb.

Auch unter Lebensmitteln herrscht Konkurrenz. Und da die physiologischen Aufnahmekapazitäten des Menschen beschränkt sind, handelt es sich in einem reichen Land wie dem unseren um einen Verdrängungswettbewerb. Manchmal findet er sogar innerhalb der eigenen Spezies statt. So bestimmt heute eher der Apfelsaft die spontane Vorstellung von der Frucht und weniger der Apfel selber. Der zweitbeliebteste Fruchtsaft unseres Landes, der Orangensaft, schickt sich an, die gleiche Richtung einzuschlagen.

Allerdings sieht seine Geschichte anders aus. Als Importware gelangte er mit den amerikanischen Befreiern vor allem als Sirup in die junge Republik. Dann entfaltete der Handel ein breites Sortiment, in dem die Saftorange von den übrigen unterschieden wurde. Inzwischen haben sich die Akzente nochmals verschoben. Seit der Entsafter als Prestigeobjekt in der Küche von der Espressomaschine abgelöst wurde, entnimmt man die flüssige Apfelsine jetzt dem Kühlregal.

Allerdings erwartet niemand dort einen jungfräulichen Orangensaft, der zwischen Hanfmatten und alten Mühlsteinen gepresst wird wie romantisches Olivenöl. Vielleicht deshalb ist aus dem Blick geraten, dass es sich um eine Saisonfrucht handelt, die paradoxerweise das ganze Jahr über angeboten wird. Um das Produkt stabil zu halten, werden die ätherischen Öle aus den Schalen üblicherweise abgeschieden und getrennt kühl gelagert. Bei der Konfektionierung für den Verbraucher werden die Komponenten wieder zusammengeführt. Der sogenannte Direktsaft stellt also die größte Herausforderung an die Herstellung und den Vertrieb dar – und er fordert naturgemäß das größte Interesse des Genießers.

Zu ihnen gehört unzweifelhaft Danijel Kresovic. Der Küchenchef des „Restaurants 44“ im Swissôtel empfing die monatliche Testrunde auf der Sonnenterrasse und führte gleich durch seinen exzeptionellen Kräutergarten hoch über dem Kurfürstendamm. Seine kleine Geschmacksschulung mit grünen Blättchen erwies sich dann als gute Grundlage für die Verkostung von Orangensäften, die nicht aus Konzentrat zurückverdünnt werden.

Eigentlich müsste das Produktversprechen, die feine Frucht unverfälscht und unverdünnt in die Flasche zu füllen, den ökologischen Produzenten entgegenkommen. Doch gleich der erste Proband „Dennree“, laut Packungsbekenntnis aus kontrolliert biologischer Landwirtschaft, enttäuschte den Meisterkoch: „Der hat etwas Speckiges an sich.“ Dennree erinnert an flüssiges Orangeat und ist damit „Nature’s Best“ aus der Galerie Kaufhof ähnlich. Dieser Bio-Direktsaft wirkt mit seiner flachen Süße eher wie ausgelassener Rhabarber. Sommeliere Christiane Dutschmann aus dem Restaurant „Berlin – St. Moritz“ empfand die Nase von „Voelkel“ aus dem Biomarkt als vielversprechend, fügte nach den ersten Schlucken aber an, dass Voelkels volle Süße an Sirup erinnert. Als durchweg akzeptabel erwies sich in dieser Liga lediglich „Andros Oranges Bio Fruits Pressées“, die bei Galeries Lafayette gekauft wurden. Hier überzeugte vor allem die Natürlichkeit, ohne gleich aufregend zu sein.

Derselbe Hersteller war noch mit seinen konventionellen „Oranges Pressées“ vertreten. Dieser Andros zeigte eine scharfe Säure, der eine Süße gegenüberstand, der sozusagen die Mitte fehlte. Dafür bot er Noten von Aprikosen und Mirabellen. Der ebenfalls in den Galeries an der Friedrichstraße angebotene „Monoprix Gourmet Orange pur Jus Floride“ ging für Kresovics Gefühl ein wenig in Richtung Crème fraîche. Damit fing der Gastgeber der Runde die Fehltöne der cremig-zuckrigen Art von Monoprix ein. Während Aldis „Rio Puro“ wie flüssiger saurer Drops erschien, trat der etwas wässrige „Lindavia Direktsaft“ auf wie ein mit Orangenzeste aromatisierter Apfelsaft, in den sich noch ein bisschen Möhre verirrt hat. Zumindest empfand Restaurantmanager Marco Pfeifer das so und setzte Lindavia Pennys „Paradiso“ gegenüber. Dort glaubte er ein unpassendes Prickeln zu vernehmen, als befände sich Brausepulver im Hintergrund. Den einen kam Paradiso zu sauer vor, den anderen zu süß und allen schließlich zu „designed“. „La Sienna“, die zweite Marke des Discounters, bot keinen großen Unterschied; doch zur Dropsigkeit fügte sich noch ein deutlicher Anteil von Pulpe, die sich in Flocken sammelte.

Der zum Pepsi-Konzern gehörige Weltmarktführer „Tropicana Pur Premium“ betont mit seinem milchig-dichten Direktsaft, in dem wie eine Backessenz das Orangenöl heraussticht, den Multivitaminaspekt. Sein Konsum dürfte eher dem Nebenbei vorbehalten sein – eine Eigenschaft, die man grundsätzlich begrüßen kann. Auch die „Star Marke“ von Kaisers verstört nicht mit ihrem Geschmacksbild, bietet aber auch keinen wesentlichen Unterschied zum Saft aus Konzentrat. „Hitchcock“ hatte einst den Saft in Deutschland populär gemacht. Der opakgelbe Saft aus der charakteristischen Glasflasche ist inzwischen gar nicht so leicht zu beschaffen. Am ehesten begegnet man ihm noch hinter dem Tresen einer Bar, wo er Jurymitglied Peter Frühsammer zufolge auch hingehört. Er bedauerte gleich nach dem ersten Schluck, dass kein Campari zur Hand war, denn die Substanz von Hitchcock kann einem Bitter einiges entgegensetzen. Pur hingegen überwiegt der Eindruck der Schwere.

Zwei Marken verdienten sich drei Medaillen. Eine davon, nämlich „Valensina Paradiis 100% Orange“, errang Bronze. Hier wurde zum eigentlich ersten Mal die Frische richtig zum Thema erhoben. Belebende Säure und kräftige Fruchtsüße vereinen sich zu einem nicht zu dicklichen Trunk, bei dem das Fruchtfleisch durchaus hätte herausgefiltert werden können. „Netto 100% direkt gepresste Orange PL-Drinks“ folgt einem anderen Konzept. Der erste Eindruck ist der von verdünnter Caprisonne oder flüssig gewordenem Eis. Daraus entwickelt sich ein authentisches, ja peppiges Aroma, in das wenig Bitteröl aus der Schale eingeht. Deutlich vor Netto setzte sich „Valensina 100% Orangensaft frisch gepresst“ aus der Galeria Kaufhof. Sein Duft deutet auf ausgekostete Reife, und im Mund ist er kaum von im Haushalt soeben gepresstem Saft zu unterscheiden. Die besondere Note besteht in einem herben Hintergrund, vor dem auch die angenehme Textur des Fruchtfleischs gut zur Geltung kommt. Ein harmonischer Orangensaft wie der Sieger ruht so in sich, dass er nicht zur Schorle verdünnt werden kann. Deshalb vermag er fast ein komplettes Frühstück zu ersetzen.

Der Beitrag erscheint in unserer Rubrik "Vor fünf Jahren"

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