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Der bisherige Leiter der Schulfarm Scharfenberg bekleidet den Posten nur kommissarisch.

© Thilo Rückeis TSP

Update

Die Schulfarm Scharfenberg auf Konfrontationskurs: Eltern beklagen „dysfunktionale“ Berliner Schulverwaltung

Seit Monaten häufen sich Beschwerden über den Umgang mit der Internatsschule. Der drohende Verlust des Schulleiters bringt jetzt den Protest auf die Straße und wirft Fragen zum potentielen Nachfolger auf.

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Lange Zeit haben es die Eltern, Lehrkräfte und Schüler:innen der Schulfarm Insel Scharfenberg mit Protestbriefen versucht. Vergebens. An diesem Donnerstag tragen sie ihren Protest auf die Straße, um ihr größtes Problem publik zu machen: den drohenden Verlust ihres kommissarischen Schulleiters Matthias Völzke.

Der Tag der Demonstration ist nicht zufällig gewählt, denn genau für den besagten Donnerstag hat sich der zuständige Schulaufsichtsbeamte angemeldet. Er wolle „seinen“ Bewerber auf die Insel führen, damit die Schulkonferenz ihn kennenlernen könne, berichten die Eltern.

Am Ruder. Matthias Völzke ist kommissarischer Schulleiter der Schulfarm Insel Scharfenberg im Tegeler See.
Um ihn geht es: Die Schule will ihren kommissarischen Schulleiter Matthias Völzke, hier anlässlich des 100-jährigen Schuljubiläums, behalten.

© Sven Darmer

Der Empfang für ihn wird nicht freundlich sein. Vielmehr haben die Eltern vor, ihn an der Zubringerfähre zur Insel mit Plakaten wie „Wir wollen Völzke“ oder „Nur Völzke kann Schulleiter“ zu begrüßen.

Tatsächlich hat die Schulgemeinschaft kaum eine andere Handhabe als das stimmungsmäßige Vergraulen potentieller Interessenten. Denn Matthias Völzke, für den sie sich seit über einem Jahr stark machen, ist in der Besoldungshierarchie kaum weit genug oben, um seinen Posten notfalls gerichtlich behaupten zu können.

Der Zusammenhang ist schnell erklärt: Der Schule ging es nach übereinstimmenden Angaben von Eltern und Beschäftigten unter der vorherigen Schulleitung jahrelang nicht gut, viele Lehrkräfte fehlten, die Lage war prekär.

In dieser Situation habe sich die Bildungsverwaltung dankbar auf Völzke gestürzt, berichten die Eltern. Der hatte zwar wenig Schulerfahrung und eine entsprechend niedrige Besoldungsstufe, aber man traute ihm aufgrund seiner Managementqualitäten zu, der Schule wieder eine Richtung zu geben. Diese Erwartung erfüllte sich.

Allerdings kann eine Schulleitungsstelle rein rechtlich nicht ohne Ausschreibung besetzt werden. Daher erhielt Völzke den Posten nur kommissarisch. Je erfolgreicher er die Schule führte, desto größer wurde allerdings die Hoffnung, dass er sich auf die Stelle bewerben und sie auf Dauer und nicht nur kommissarisch behalten könnte.

Herrn Völzke gelang und gelingt es immer wieder, der Schulgemeinschaft eine Perspektive zu vermitteln, sie zu motivieren und die Entwicklung der Schulfarm zu fördern.

Die Elternschaft in ihrem Brief an die Bildungssenatorin

Diese Hoffnung erwies sich allerdings als trügerisch. Denn für die traditionsreiche Schule, die von ihrer idyllischen Lage her kaum zu toppen ist und inzwischen eine interessierte Eltern- und Schülerklientel zusammenführt, fanden sich durchaus Bewerber.

Die Schule ist daher schon seit einigen Monaten in Unruhe, was sich auch in Briefen an Bildungssenatorin Astrid-Sabine Busse (SPD) niederschlug. Rund um den Auftakt zu den Feierlichkeiten zum 100-jährigen Jubiläum der Schule im Februar Bestand die Hoffnung, Busse auch für die Probleme der Schule interessieren zu können. Dazu gehörten mehrere unbesetzte Lehrerstellen, aber immer auch der drohende Verlust des Schulleiters.

Rückblick: Die Feierlichkeiten begannen im Februar mit einem Lichtfestival.

© Kurt Gruhlke

Als nichts passierte, nutzte die Elternschaft den nahenden zentralen Festakt am 3. September, um die Senatorin nochmals zu kontaktieren. Auch von der Schirmherrschaft der Regierenden Bürgermeisterin erhoffte sich die Schulgemeinschaft Rückenwind für ihr Anliegen.

In den Briefen der Eltern ist von „Fassungslosigkeit“ und „Unverständnis über das Agieren der Schulbehörde“ die Rede und von einem „verzweifelten Schreiben der Mitarbeiter:innen“ an Franziska Giffey sowie an verschiedene Stellen der Senatsverwaltung, darunter Bildungsstaatssekretär Alexander Slotty (SPD) - jeweils mit der dringenden Bitte um Unterstützung.

Immer wieder ging es um die Besetzung der Schulleiterstelle, um die nur unregelmäßig einsetzbare Fähre und um den Lehrkräftemangel. Zum letztgenannten Punkt trug bei, dass eine Lehrkraft, die woanders eingesetzt, also abgeordnet ist, noch nach einem ganzen Jahr und trotz wiederholter Beschwerden irrtümlich als an der Schule arbeitend deklariert worden sei.

„Wie kann es sein, dass ein solcher, mit relativ geringem Aufwand behebbarer Fehler auch nach zwölf Monaten nicht nachhaltig beseitigt wurde?“, wollten die Eltern von der Senatorin wissen.

Die Fähre auf dem Tegeler See soll die Anbindung der Schulfarm sicherstellen. Auch hiermit gab es Probleme.

© Thilo Rückeis

Und sie erinnerten an die Problemzeit der Schule - vor Völzkes Einstellung - als die Personalausstattung einen „besorgniserregenden Tiefstand“ erreicht hatte: „Heute haben wir nicht mehr nur den Eindruck des ,behördlichen Schwergang’, sondern sehen uns einer dysfunktionalen Verwaltung gegenüber“, ließ die Gesamtelternvertretung die Senatorin wissen.

Auch dieser Punkt wird im Schreiben des Elterngremiums vertieft. Denn die Schulfarm gehört zu den zehn besonderen Berliner Schulen, die aufgrund ihrer einzigartigen Profile nicht der regionalen Schulaufsicht in den Bezirken unterstehen, sondern der Schulaufsicht der zentral verwalteten Schulen.

Dies aber wertet die Schulgemeinschaft als Nachteil, denn sie hat beobachtet, dass sich die schulaufsichtliche Begleitung und Unterstützung „spürbar verschlechterte“, als die Zuständigkeit von der Schulaufsicht Reinickendorf überging an die zentrale Schulaufsicht in der Bildungsverwaltung am Alexanderplatz, heißt es im Brief der Eltern an die Senatorin vom 3. September.

Mit dieser Beobachtung berühren die Eltern einen weiteren wunden Punkt der Bildungsverwaltung, denn die zentrale Schulaufsicht gilt als personell unterbesetzt und steht vor enormen Aufgaben: Sie soll die Neuausrichtung der Staatlichen Ballett- und Artistikschule begleiten, die Eliteschulen des Sports voranbringen und so ungewöhnliche Konstruktionen wie die John-F.-Kennedy-Schule und das Französische Gymnasium austarieren. Seit Jahren gibt es zudem Probleme damit, vakante Leitungspositionen - etwa an der Internationalen Nelson-Mandela-Schule sowie an der John-F.-Kennedy-Schule - geräuschlos und kompetent zu besetzen.

„Da hat ihr die aufmüpfige Schulfarm, die ihren Schulleiter behalten will, gerade noch gefehlt“, sagt ein pensionierter Schulaufsichtsbeamter, der schwarz sieht für den Protest der Eltern: Gegen die Vorschriften bei Stellenbesetzungen im öffentlichen Dienst gebe es keine Handhabe: Der höher Dotierte gewinne - fast - immer.

Wir haben den Eindruck, selbst bestehende Spielräume der Verwaltung werden wissentlich oder gar absichtlich nicht zum Wohle der Schule genutzt. 

Die langjährige Scharfenberg-Gesamtelternvorsitzende Annett Schlesier

Nachdem der Tagesspiegel am Sonnabend erstmals über den Fall berichtet hatte, meldeten sich Eltern und Beschäftigte in der Redaktion zu Wort. Darunter waren sowohl Angehörige der Scharfenberg-Schule als auch der Vorgängerschule des Bewerbers, der am Donnerstag erwartet wird.

Eine Scharfenberg-Lehrkraft sowie eine Mutter beklagten, dass Völske sich mit den pädagogischen und prüfungsbezogenen Aufgaben einer Schulleitung nicht gut genug auskenne, weil er bisher kaum als Lehrer tätig gewesen sei. Es reiche nicht, ein guter „Schulmanager“ zu sein. Mit dieser Einschätzung stünden sie nicht allein.

Die Kritiker bestreiten allerdings nicht, dass sich die große Mehrheit in den Schulgremien wie beschrieben für Völske einsetzt.

Der Bewerber soll seine letzte Schule in der Probezeit verlassen haben

Zudem wurde aus der Charlottenburger Vorgängerschule des Bewerbers, der am Donnerstag kommen soll, berichtet, er habe die Schule mitten in seiner Probezeit als Schulleiter im Frühjahr verlassen. Er sei dann in der Verwaltung untergebracht worden, bevor er übergangsweise zum Interimsleiter einer anderen Schule wurde. Ob diese Darstellung stimmt, wollte die Bildungsverwaltung nicht sagen.

Die Verwaltung führte ihn jedenfalls bis zum Tag vor der Demonstration am Donnerstag in ihren Online-Schulporträts sowohl als Leiter der einen als auch als Interimsleiter der anderen Schule, was Verwirrung erzeugte. Dafür hatte die Bildungsverwaltung auf Nachfrage am Dienstag weder eine Erklärung gegeben noch wurde der offenkundige Fehler im Laufe des Tages korrigiert. Am Mittwoch kam aus der Bildungsverwaltung der Hinweis, die Aktualisierung des Portals sei Aufgabe der Schule. Erst anschließend erfolgte die Änderung.

In der Demonstration am Donnerstag sammele sich „all der Unmut über die nun schon jahrelangen, aber erfolglosen Bemühungen von uns Eltern, nicht nur auf Missstände und Handlungsbedarf hinzuweisen, sondern etwas zu bewegen und das im Sinne der Schule und damit für unsere Kinder und das Kollegium“, beklagt die langjährige Gesamtelternvorsitzende Annett Schlesier.

Die jetzige Zuspitzung habe auch damit zu tun, dass die Behörde bereits bei der letzten Besetzung der Schulleitungsposition vor Völzke gegen das Votum der Schulkonferenz entschieden habe: „Das Ergebnis dieser Entscheidung war für alle sichtbar und die Folgen sind zum Teil bis heute spürbar“, mahnt Schlesier. Sie hat den Eindruck, dass „selbst bestehende Spielräume der Verwaltung wissentlich oder gar absichtlich nicht zum Wohle der Schule genutzt werden“.

Dem Vernehmen nach gilt es als ausgeschlossen, dass die Scharfenberg-Schulkonferenz für den Bewerber stimmt. Das Gremium kann im Übrigen laut Schulgesetz (Infobox s.o.) beanspruchen, zwei Kandidat:innen zur Auswahl präsentiert zu bekommen. Eine Ausnahme ist nur bei bei überragender Eignung eines Bewerbers möglich.

Zu Personaleinzelangelegenheiten äußern wir uns nicht.

Ein Sprecher der Senatsverwaltung für Bildung

Die Senatsverwaltung für Bildung lehnte am Dienstag abermals eine Stellungnahme zum Scharfenberg-Protest mit dem Hinweis auf ihre Verschwiegenheitspflicht bei „Personaleinzelangelegenheiten“ ab.

Ihr Sprecher blieb zunächst auch die Antwort auf die allgemein gehaltene Frage schuldig, was aus einer abgebrochenen Probezeit als Schulleiter folgt. Erst auf nochmalige Anfrage teilte er mit, dass „die Erprobung in dem Amt an einer anderen Stelle fortgesetzt werden kann“.

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