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Update

Die Zukunft heißt „J“ und bleibt gelb: Erster neuer Zug für Berliner U-Bahn vorgestellt

Am Donnerstag stellte die BVG den ersten Zug der neuen U-Bahn-Baureihe vor. Diese heißt „J/JK“ und wird das Stadtbild für Jahrzehnte prägen.

| Update:

Für die BVG ist es ein großer Schritt Richtung Zukunft: Am Donnerstag stellte Deutschlands größtes Nahverkehrsunternehmen das erste Testfahrzeug der neuen U-Bahn-Generation vor. Die neuen Züge vom Typ „J/JK“ sollen den überalterten Fuhrpark in den kommenden Jahren ersetzen.

Zur Übergabe vom Berliner Hersteller Stadler kam auch der Regierende Bürgermeister Kai Wegner (CDU). „Ein guter Tag für die BVG und für Berlin“, sagte Wegner. Und zum neuen BVG-Chef Henrik Falk: „Ein besseres Willkommensgeschenk kann man doch gar nicht haben.“ Falk war nach vielen Jahren in Hamburg Anfang Januar zurückgekehrt zur BVG.

Fahren durfte der Regierende noch nicht, nur gucken und probesitzen. Die neuen Wagen sind noch nicht abgenommen, ab dem Spätsommer 2024 sind zwölf Wochen lang Testfahrten mit Fahrgästen geplant. Bis dahin werden die ersten Wagen getestet. Bremsen sie auf den Berliner Gleisen? Passen Sie richtig an jeden Bahnsteig? Zudem müssen die vielen Fahrer der BVG das Fahrzeug kennen und fahren lernen. Ein „straffes Programm“, wie Betriebsvorstand Rolf Erfurt sagte.

Zunächst werden 24 Testfahrzeuge geliefert, zwölf für das Klein- und ab Sommer auch zwölf für das Großprofil. Unmittelbar nach den Tests soll die Serienlieferung beginnen, hofft die BVG.

Es ist der Anfang der größten Bestellung, die die BVG jemals erteilt hat. Und für die Firma Stadler ist es der größte Auftrag, der jemals gewonnen wurde. Fest bestellt sind zunächst nur 236 Wagen für das Großprofil und 140 Wagen für das Kleinprofil. Diese sollen bis 2026 fertig sein.

Als sicher gilt, dass 1018 Wagen für zwei Milliarden Euro kommen: 756 für das Großprofil (Linien 5 bis 9) und 262 für das Kleinprofil (Linien 1 bis 4); das sieht der Verkehrsvertrag vor. Wenn Berlin genügend Geld hat, könnten bis zum Jahr 2035 gut 1500 Wagen geliefert werden. Dies sieht der Rahmenvertrag mit Stadler vor, es geht dann um drei Milliarden Euro. Darin ist auch die Ersatzteilversorgung über 32 Jahre enthalten, die BVG ist also für Jahrzehnte eng mit Stadler verbunden.

Jenny Zeller (BVG) und Jure Mikolcic (Stadler), Kai Wegner (CDU), Manja Schreiner (CDU), Henrik Falk (BVG) und Rolf Erfurt (BVG; v.l.n.r.) haben den neuen U-Bahn-Zug für Berlin vorgestellt.
Jenny Zeller (BVG) und Jure Mikolcic (Stadler), Kai Wegner (CDU), Manja Schreiner (CDU), Henrik Falk (BVG) und Rolf Erfurt (BVG; v.l.n.r.) haben den neuen U-Bahn-Zug für Berlin vorgestellt.

© IMAGO/Funke Foto Services

Die neuen Züge heißen „J“ für das Großprofil und „JK“ für das Kleinprofil. Die BVG hat nach dem „I“, der Bezeichnung der letzten Baureihe, einfach den nächsten Buchstaben im Alphabet genommen.

Der erste Zug wurde von der Polizei in die Werkstatt nach Grunewald gebracht, sogar ein Hubschrauber war im Einsatz, wie Vorstand Erfurt sagte. Es sollte auf jeden Fall verhindert werden, dass Schmierer an die neuen Wagen herankommen.

Ein bisschen war es wie bei der Eröffnung der Tesla-Fabrik durch Elon Musk, Rauch waberte durch den Bahnhof Olympia-Stadion, als der erste Zug einfuhr, Laserlicht flackerte.

Die BVG hat keinen Zug von der Stange gekauft, Stadler hat einen Zug für Berlin gebaut. Der erste Eindruck ist ausgesprochen positiv: viel Platz, großzügiger Innenraum, guter Infomonitor innen und erstmals auch seitlich außen. Kleine Menschen haben einige niedrige Sitze, ganz große Menschen etwas erhöhte. Ob der normale Fahrgast die Piktogramme begreift, ist aber fraglich.

Ein neues Piktogramm,  hier unten rechts, weist auf höhere oder in diesem Fall niedrigere Sitze hin.
Ein neues Piktogramm, hier unten rechts, weist auf höhere oder in diesem Fall niedrigere Sitze hin.

© Tsp / Jörn Hasselmann

Vorbereitet sind die Züge auf einen automatisierten Betrieb, Platz für die entsprechenden Komponenten ist vorhanden, sagte Nicole Grummini. Ob und wann jemals in Berlin ein vollautomatischer Zug fahren wird, ist ungewiss. Das historische Netz ist dafür ungeeignet.

Als vor 120 Jahren die Berliner U-Bahn gebaut wurde, waren die Tunnel kleiner, es sind die heutigen Linien 1 bis 4. Die späteren Tunnel der Linien 5 bis 9 sind größer. Fahrgäste erkennen den Unterschied an der Breite im Waggon. Stadler hat die Wagen für beide Breiten gemeinsam entworfen, viele Bauteile sind gleich.

Letztlich will die BVG mit den neuen J/JK-Zügen ihre Flotte komplett erneuern. Der Fuhrpark umfasst derzeit 1258 Wagen (778 Großprofil, 480 Kleinprofil) aus 17 verschiedenen Baureihen, die meisten sind Jahrzehnte alt. Im Schnitt ist jeder Wagen schon 20 Jahre im Einsatz und entsprechend reparaturanfällig. Eine Serie, die „F79“, musste vollständig verschrottet werden, da irreparable Risse im Wagenkasten auftraten. Seit Jahren ist der Wagenmangel deshalb groß.

Eine neue U-Bahn fährt während der Übergabe des Premierenfahrzeugs der nächsten U-Bahngeneration in den U-Bahnhof Olympia-Station ein.
Eine neue U-Bahn fährt während der Übergabe des Premierenfahrzeugs der nächsten U-Bahngeneration in den U-Bahnhof Olympia-Station ein.

© dpa/Sebastian Gollnow

Letztlich hat Berlin neue Züge zu spät geordert, eine Folge der Sparpolitik nach der Jahrtausendwende. 2018 dachte die BVG sogar laut darüber nach, eine Linie in Berlin ganz einzustellen – eine Drohung an die Politik, endlich zu bestellen. Erst 2019 beschloss der Aufsichtsrat die Bestellung der 1500 Wagen.

Eigentlich sollten die ersten Wagen schon 2021 geliefert werden, so sah es der Plan vor. Doch es kam anders: Dem unterlegenen Konkurrenten Alstom passte die Vergabe an Stadler nicht, der französische Konzern klagte durch alle Instanzen. Erst im März 2020 entschied das Kammergericht endgültig: Die BVG darf die Züge bei Stadler kaufen. Erfurt erinnert sich gut: „Um 15.30 Uhr kam die erlösende Nachricht aus dem Gericht.“

Alstom war an einem Jahr Verzögerung schuld, ein gutes weiteres Jahr ist hausgemacht. Bei der Vorstellung des ersten fertigen Rohbau-Wagenkastens im Mai 2022 hatte Stadler-Chef Jure Mikolcic versprochen, dass der erste Zug Ende 2022 an die BVG übergeben werde. Dann kippten Corona und weltweite Lieferschwierigkeiten auch diese Ansage.

Blick ins Innere einer neuen U-Bahn. Die Fahrzeuge sollten eigentlich Ende 2022 ausgeliefert werden.
Blick ins Innere einer neuen U-Bahn. Die Fahrzeuge sollten eigentlich Ende 2022 ausgeliefert werden.

© dpa/Sebastian Christoph Gollnow

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