zum Hauptinhalt
Erinnerung an die Hugenotten.

© Lothar Heinke

Tradition mit Trikolore: Ein EM-Spaziergang durch Französisch Buchholz

In Französisch Buchholz leben noch viele Nachfahren der Hugenotten. Heinz Rühmann drehte hier den Paris-Trip des „Eisernen Gustav“. Ein Spaziergang zur Fußball-EM.

Fronkraisch in Berlin? Da gehen wir heute mal nicht zu unserer klugen Kolumnistin Pascale Hugues, auch nicht in die stattliche Botschaft vom Land der Trikolore am Pariser Platz oder ins Cinema Paris, nein, da fahren wir mit der Tram Nummer 50 nach Französisch Buchholz. Was ist in diesem Pankower Ortsteil so französisch, dass es die Grande Nation geschafft hat, auf ein Berliner Ortsschild zu kommen?

Anno 1670 kam das erstmals 1242 urkundlich erwähnte Dorf Buckholtz in den Besitz des Kurfürsten Friedrich Wilhelm, dessen „Edikt von Potsdam“ 1685 dafür sorgte, dass sich auch zwischen Blankenfelde und Blankenburg Hugenotten als Glaubensflüchtlinge aus Frankreich ansiedelten. Eine rasch wachsende Kolonie entstand: Obstbauern, Gärtner, Gemüsezüchter gehörten dazu, bauten auf und bereicherten das im 30-jährigen Krieg verwüstete Land.

Ab 1750 wurde die Bezeichnung Französisch Buchholz geläufig, das Dorf soll ein beliebtes Ausflugsziel der Berliner gewesen sein. „Wallfahrt nach Frantzösch Buchholz“ ist eine bekannte Radierung von Daniel Chodowiecki, die 1775 entstand und heute, leicht vergilbt, über der Ladentür der Apotheke im Ortskern prangt. Jean-Pierre Blanchard landete mit seiner ersten bemannten Ballonfahrt, vom Tiergarten kommend, in Buchholz. Zwischen 1817 und 1913 hieß der Ortsteil offiziell Französisch-Buchholz. Dann, im Ersten Weltkrieg, waren die „Franzmänner“ nicht so gefragt, die Gemeinde eliminierte das Französische und ließ nur Berlin Buchholz zurück. Erst 1999 holten die Bezirksverordneten die Marianne wieder aus der Versenkung: „Im Bewusstsein unserer deutsch-französischen Tradition eines fruchtbaren Zusammenwirkens in Toleranz und gegenseitiger Achtung steht dieser Name für das Verbindende, das Historische und das Neue“, steht auf der Gedenktafel in der City des Dorfes nahe der Feldsteinkirche von 1250.

Im Ortskern ist alles Poesie

Leider ist uns kein Hugenotte, auch keine Hugenottin mit wohlklingendem französischen Namen in die Arme gelaufen, dafür gibt es eine Menge Straßen, die auf französische Plätze, Orte und Personen hinweisen. Besonders im Neubaugebiet am Rande der Hauptstraße mit modernen Wohnhäusern, die sich mit ihrer sachlichen Strenge von den manchmal leicht verspielten zweigeschossigen Bauten am Dorfanger unterscheiden.

Über das Pflaster am Pfarrer-Hurtienne-Platz mag schon der Eiserne Gustav geholpert sein – die Story seiner Droschkenfahrt nach Paris wurde jedenfalls hier mit Heinz Rühmann verfilmt, die Beweise hängen an den Wänden der Kneipe „Zum eisernen Gustav“. Viel Grün, Bäume, Sträucher, beherrschen das Bild in diesem mittleren Städtchen mit 20 000 Einwohnern. Im Ortskern ist alles Poesie: die (leider verschlossene) Kirche, eine Glastafel, riesige Bäume mit einer gemütlichen Sitzbank unter dem Duft der Blüten einer gewaltigen Linde. Das passt alles zusammen: pralle Natur und dann wieder diese nachdenklichen Sprüche, zum Beispiel am Hugenottenhof, wo die Berliner Hugenottengemeinde 50 Jahre nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges neue Häuser baute und auf dem Sockel einer Nike-Statue hofft, dass „Friede und Einsicht siegen“.

Wie die Jungs auf dem französischen Rasen

Jetzt sind Deutsche und Franzosen ein Herz und eine Seele. Wie schrieb der Große Friedrich im Dezember 1775 an Monsieur Voltaire? „Die Landwirtschaft ist die erste aller Künste, ohne sie gäbe es keine Kaufleute, Dichter und Philosophen.“ Stimmt gewiss auch heute noch. Was liebt und schätzt der Buchholzer? „Die Karower Teiche sind der schönste Naturort hier – ein wunderbares Landschaftsschutzgebiet entlang der Panke“, sagt die Ortschronistin Anneliese Schäfer-Junker. Bester Ort ist für sie die aufschlussreiche Ortschronik in der Feuerwache, da gibt es Französisch Buchholz („bitte ohne Bindestrich!“) pur.

Sparkassendirektor Mario Freund ist Präsident vom Berliner Fechterbund, enge Beziehungen zum Fußball hat er nicht, aber viele Kunden mit französischen Namen, Menschen mit Hugenottenblut. Und: „Ich fahr ein französisches Auto, ist doch wenigstens was.“ Rudi Beyer, die gute Seele vom SV Buchholz (und jetzt kommen wir endlich zum Fußball!), erzählt, dass 1911 der Ortslehrer seine Schüler in rot-weißen Trikots auf dem damaligen Sportplatz an der Rosenthaler Straße auflaufen ließ. So entstand der SV Buchholz, der jetzt um den Verbleib in der Bezirksliga kämpft. Ja, kämpft! Wie die Jungs auf dem französischen Rasen. Vielleicht nicht ganz so flott, aber auch mit Inbrunst und Hingabe. Der Verein möchte heute vermitteln, „dass es mehr gibt als Internet, Computerspiele und Fernsehen“. 862 Mitglieder denken ebenso.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false