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Auf einer Interrail-Reise übernachten junge Leute in einem überfüllten Zugabteil.

© Gebhard Krewitt / VISUM

Tagesspiegel Plus

Erinnerungen an abenteuerliche Interrail-Touren : „Beim Abschied nennt er mich ‘Pupperl’ “

Es war heiß, eng, schlecht für den Rücken – und fühlte sich nach der ganz großen Freiheit an: das Interrailreisen. Zum Start des Neun-Euro-Fahrscheins blicken Redakteure zurück auf ihre wildesten Touren.

Von Tagesspiegel- Autor:innen

Eine Fahrkarte mit nahezu unbegrenzten Möglichkeiten, zu kaufen für einen recht schmalen Preis und gültig für einen begrenzten Zeitraum: Nein, die Rede ist hier nicht vom Neun-Euro-Ticket, das ab 1. Juni ganz Deutschland im Regionalverkehr erlebbar macht. Sondern, wenn man so will, von seiner großen Schwester, der Interrail-Fahrkarte. Die bietet seit den 70er Jahren jungen Menschen die Chance, in Bummelzügen Europa zu entdecken. Vor allen in den ersten beiden Jahrzehnten begaben sich Zehntausende Teenager auf abenteuerliche Touren, stiefelten tagsüber mit ihren Rucksäcken durch Venedig, Paris oder Athen und versuchten, sich die Nächte in überfüllten Zügen schönzutrinken. Das Interrail-Ticket stand schon bald nicht nur für die Revolution des Reisens, sondern auch für ein ganz eigenes Lebensgefühl.


Plötzlich schubberten Waschbürsten am Waggon entlang

Die ersten beiden Wochen Interrail haben bei meiner Freundin und mir Spuren hinterlassen. Vielleicht hätten wir 1984 nach dem Abi unseren ersten gemeinsamen Urlaub nicht so knauserig budgetieren sollen. Doch die Tickets waren teuer, und so versuchen wir, Übernachtungskosten einzusparen, indem wir spätabends in Züge steigen, die frühmorgens in einer anderen Stadt, manchmal in einem anderen Land ankommen. Auf Nächte mit viel zu wenig Schlaf in viel zu vollen Waggons folgen Tage, an denen wir wie Zombies durch europäische Eisenbahnmetropolen schleichen.

Den Nachtzug von Nizza nach Rom besteigen wir mit dem üblichen Gefühl vorauseilender Resignation: bestimmt wieder alles besetzt. Doch dann geschieht ein kleines Wunder: Wir finden ein Abteil, in dem außer uns nur ein sympathischer junger Italiener sitzt. Noch besser: Die Klappsitze lassen sich in eine Liegelandschaft verwandeln, auf der drei Personen fast luxuriös logieren. Auf der traumschönen Strecke entlang der Cote d’Azur und der italienischen Riviera sind wir im Nu gefühlt beste Freunde. Vielleicht ist auch Alkohol im Spiel.

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