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Nina Stahr soll Vorsitzende der Berliner Grünen werden.

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Update

Flügelkampf der Berliner Grünen: Nina Stahr soll Co-Landesvorsitzende der Grünen werden

Die Bundestagsabgeordnete Nina Stahr soll den Realo-Flügel vertreten. Es wäre eine Übergangslösung. Im Streit um den Posten war am Wochenende ein Parteitag abgebrochen worden.

| Update:

Die Bundestagsabgeordnete Nina Stahr soll für den Landesvorsitz der Berliner Grünen kandidieren. Das bestätigte Stahr dem Tagesspiegel. Die 41-Jährige ist derzeit Bundestagsabgeordnete für Steglitz-Zehlendorf. Nach der gescheiterten Kandidatur von Tanja Prinz und dem abgebrochenen Parteitag am Sonnabend soll sich Stahr am Mittwoch zur Wahl stellen. Sie vertritt den Realo-Flügel der Partei. Zuerst hatte der RBB über die Personalie berichtet.

„Ich übernehme in dieser Situation gerne die Verantwortung“, sagte Stahr dem Tagesspiegel. „Wir haben in Berlin eine schwarz-rote Koalition, die falsche Prioritäten setzt. Im Bund ist die Haushaltslage sehr herausfordernd. Hinzu kommen die vielfältigen globalen Krisen. Da wäre es falsch, wenn wir uns mit parteiinternen Streitereien beschäftigen.“

Es habe eine Findungskommission der Realos gegeben, die darüber beraten habe, welche Person jetzt die richtige für diesen Job ist. „Diese Kommission hat mich gebeten, zu kandidieren.“

Wir müssen in den nächsten Wochen und Monaten Strukturen finden, wie wir besser im Austausch sein können.

Nina Stahr, Kandidatin für den Landesvorstand der Berliner Grünen

Man werde nun viele Gespräche führen müssen, sagte Stahr weiter. „Der Prozess wird auch morgen nicht abgeschlossen sein. Wir müssen in den nächsten Wochen und Monaten Strukturen finden, wie wir besser im Austausch sein können.“

Stahr will Bundestagsmandat behalten

Ein Novum für die Grünen: Sollte Stahr gewählt werden, will sie ihr Mandat im Bundestag behalten. Eigentlich gilt in ihrer Partei die strenge Trennung von Amt und Mandat. „Da hat der linke Flügel einen großen Schritt auf uns zugemacht, indem sie gesagt haben, wir sind bereit, das für einen guten Übergang mitzutragen“, sagte Stahr. Nach dem abgebrochenen Parteitag ist die Situation so ernst, dass die Partei mit diesem Schritt sogar gegen ihre eigene Satzung verstößt. Eine Mitgliedschaft im Landesvorstand wird dort eigentlich unter anderem für Parlamentarierinnen und Parlamentarier ausgeschlossen.

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So soll Stahr zunächst auch nur für den Übergang Vorsitzende sein, bis es eine neue Personallösung aus dem Realo-Flügel gibt – bis zum Parteitag im Mai kommenden Jahres. Ihre Personalie soll bereits mit dem linken Flügel der Partei abgesprochen sein.

Bei der Entscheidung für Stahr als Kandidatin dürfte die Überlegung eine Rolle gespielt haben, dass Stahr –  sollte es tatsächlich zur Wiederholung der Bundestagswahl in einigen Berliner Wahlbezirken kommen – ihr Mandat verlieren könnte. Das Bundesverfassungsgericht will am 19. Dezember sein Urteil zur Wiederholung der Bundestagswahl in Berlin bekannt geben.

Bei der vergangenen Bundestagswahl war Stahr auf Platz 5 und damit auf dem letzten Platz der Landesliste, der noch für den Bundestag reichte. Sollte tatsächlich neu gewählt werden und Stahr dabei ihr Mandat verlieren, wäre durchaus denkbar, dass sie auch über den Mai hinaus Landesvorsitzende bleibt. Zumindest wäre dann wieder die Trennung von Amt und Mandat gegeben. Zöge Stahr wieder in den Bundestag, müsste im Mai eine andere Realo als Co-Vorsitzende kandidieren.

Aufarbeitung der Vorwürfe gegen eine Realo-Gruppe

Mit Blick auf die kurz vor dem Parteitag öffentlich gewordenen Vorwürfe gegen eine Gruppe der Grünen in Mitte sagte Stahr: „Offene Briefe sind kein gutes Mittel der politischen Auseinandersetzung.“ Dass hier eine ganze Personengruppe pauschal angegriffen worden sei, gehe nicht. „Gleichzeitig müssen natürlich die Vorwürfe, die im Raum stehen, geklärt werden“, sagte sie weiter. In einem Offenen Brief hatten neun von zwölf Kreisvorständen der Realo-Gruppierung „GR@M“, die für „Grüne Real@ Mitte“ steht, eine „Kultur des Misstrauens“ vorgeworfen. Die Gruppe hatte die am Sonnabend gescheiterte Kandidatin Prinz unterstützt.

Viele Parteimitglieder sprachen Stahr am Dienstag ihre Unterstützung aus. „Nina ist die Landesvorsitzende, die wir jetzt brauchen“, schrieb der Berliner Fraktionsvorsitzende Werner Graf auf X. „Als großer Anhänger der Trennung von Amt und Mandat sage ich aber auch deutlich, diese ist in Zeiten wie diesen nur realitätstauglich, wenn wir einen Übergang ermöglichen.“ Co-Fraktionsvorsitzende Bettina Jarasch schrieb auf X: „Es braucht eine Person mit Ruhe, Erfahrung und Ansehen in der Breite der Partei.“ Nina Stahr vereine all diese Punkte.

 So viel Zugeständnisse verursachen natürlich Bauchschmerzen, zeigen aber, wie ernst gerade von linker Seite die so oft und gerne verwendete Begrifflichkeit der ‚Verantwortung‘ genommen wird.

Grüner aus dem linken Flügel

Beim linken Flügel stößt die Personalie Stahrs wegen der Frage der Ämtertrennung nicht nur auf Gegenliebe. Ein linker Grüner sagte: „Was sich spätestens jetzt in Luft auflösen sollte, ist die Behauptung, der linke Flügel drücke alles durch. So viel Zugeständnisse verursachen natürlich Bauchschmerzen, zeigen aber, wie ernst gerade von linker Seite die so oft und gerne verwendete Begrifflichkeit der ‚Verantwortung‘ genommen wird.“

Und auch auf Realo-Seite gab es am Dienstag hinter vorgehaltener Hand unzufriedene Stimmen. Dort fürchtet man nun, mit Nina Stahr eine Landesvorsitzende von der Gnade des linken Flügels zu erhalten. Ob sie eine ernsthafte und selbstkritische Aufarbeitung der Wiederholungswahl umsetzen könne, sei fraglich. Im Landesvorstand behalten die Linken ihre Mehrheit. Und auch die Vorbereitung für ein mögliches Schwarz-Grünes-Bündnis in Berlin könnte sich weiter erschweren.

Stahr hat Erfahrung als Landesvorsitzende

Stahr war schon einmal Berliner Grünen-Landesvorsitzende, von 2016 bis 2021, und führte gemeinsam mit Werner Graf die Partei durch die erste Regierungsbeteiligung in Berlin. Sollte sie am Mittwoch gewählt werden, wird sie den Landesverband gemeinsam mit Philmon Ghirmai leiten. Er vertritt den linken Parteiflügel, seine Wiederwahl gilt als sicher.

Hinter den Kulissen und vor der Fortführung des Parteitags am Mittwoch hat sich noch eine weitere Personalie geklärt. Die Realos sollen künftig, anders als geplant, die Schatzmeisterin stellen. Für den Posten vorgesehen ist offenbar Dara Kossok-Spieß, die bereits Mitglied im Landesvorstand ist.

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