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Vivantes Klinikum in Spandau.

© imago/Schöning

Update

„Gravierende Verstöße“ bei Vivantes-Bauaufträgen: Berliner Klinikkonzern verletzte Vergabe-Richtlinien

Der Berliner Senat und die Vivantes-Spitze legen einen Compliance-Bericht vor. Die Tochterfirma des landeseigenen Klinik-Unternehmens vergab Bauaufträge regelwidrig.

| Update:

Im landeseigenen Vivantes-Konzern wurden über Jahre hinweg Vergaberichtlinien sowie hausinterne Regeln, die sogenannte Compliance, verletzt. Zu diesem Schluss kommt ein etwa 600 Seiten starker Untersuchungsbericht, der am Dienstag in einer außerordentlichen Sitzung des Vivantes-Aufsichtsrats ausgewertet wurde.

Dessen Vorsitzender Eckard Nagel berichtete im Nachgang der Sitzung über festgestellte Verletzungen des Vergaberechts bis hin zu womöglich strafrechtlich relevanten Verdachtsmomenten, die an die Staatsanwaltschaft übergeben wurden.

Dem Bericht zufolge konzentrieren sich die Vergehen insbesondere auf die Vergabe von Bau- und Planungsleistungen durch die Vivantes Service Agentur, eine Tochtergesellschaft des Gesamtkonzerns. Dort habe es vom Jahr 2015 an „nicht nur in Einzelfällen, sondern bei einer Vielzahl von Bauvorhaben schwerwiegende Vergabeverstöße sowie gravierende Verstöße gegen grundlegende Prinzipien des Wettbewerbs und der Transparenz“ gegeben, sagte Nagel.

Tagesspiegel-Informationen zufolge sollen Vergabe-Richtlinien unterlaufen worden sein, indem Großaufträge in derart kleine Chargen geteilt wurden, dass entsprechende EU-Vorschriften nicht mehr zwangsläufig angewendet werden mussten. Umfangreiche Baumaßnahmen konnten so offenbar sukzessive von denselben Firmen akquiriert werden – ohne, dass der vorgeschriebene Wettbewerb herrschte. In Rede stehen darüber hinaus persönliche Verflechtungen zwischen einzelnen Planungsbüros und Beschäftigten der Vivantes Service GmbH. Moniert werden zudem unzulässige Vergabeverfahren und unzulässig kurze Fristsetzungen für die Angebotserstellung. 

Evers und Czyborra fordern vollkommene Aufklärung

Eine konkrete Schadenssumme oder eine Zahl der Beschuldigten Mitarbeitenden stellte die Kanzlei allerdings nicht fest. Unklar bleibt vorerst auch, ob es sich um Straftaten gehandelt haben könnte. Der für die Führung des Aufsichtsrats künftig nicht länger zur Verfügung stehende Nagel erklärte am Dienstag dazu, es werde nach einstimmigen Beschluss des Gremiums Strafanzeige wegen aller in Betracht kommenden Delikte gestellt. Nagel selbst konzentriert sich künftig voll und ganz auf seine Rolle als Projektbeauftragter des Landes Brandenburg für den Aufbau des Innovationszentrums Universitätsmedizin (IUC) Cottbus.

Angesichts der Schwere der festgestellten Mängel forderte Finanzsenator Stefan Evers (CDU) von der Geschäftsführung des Vivantes-Konzerns „schnellstmöglich komplette Transparenz“. Es gehe bei den festgestellten Vergehen unter anderem „um eine auffällige Häufung von Bauaufträgen an bestimmte Unternehmen und Verstöße gegen das Vergaberecht“, erklärte Evers. Er und andere betonten, dass die aktuelle Vivantes-Geschäftsführung von den Vorwürfen nicht betroffen sei.

Gesundheitssenatorin Ina Czyborra ist Mitglied im Vivantes-Aufsichtsrat.

© David Heerde für den Tagesspiegel

Gesundheitssenatorin Ina Czyborra (SPD) forderte eine schnelle und lückenlose Aufklärung, damit sich der aktuell in finanziellen Schwierigkeiten befindliche Konzern auf seine Zukunftsaufgaben konzentrieren könne.

Anlass für die Untersuchung waren anonyme Hinweise, die die Vivantes-Spitze im August 2022 über eine externe Ombudsstelle des Unternehmens erreicht hatten. Daraufhin hatte der Aufsichtsrat eine Anwaltskanzlei mit der Untersuchung beauftragt.

Wie viele Krankenhäuser stehen auch die Vivantes-Kliniken unter enormem Druck. Das für 2023 erwartete Defizit könnte mit 130 bis 150 Millionen Euro größer ausfallen als das Ergebnis vergangenes Jahr: Der konzernweite Umsatz betrug 2022 mehr als 1,5 Milliarden Euro, Vivantes schloss das Jahr mit 72 Millionen Euro Minus. Zu Vivantes gehören auch Heime und Pflegedienste.

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