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© imago images / Klaus Martin Höfer/Klaus Martin Hoefer

Halbgare Ablenkungsstrategie: Weniger Eimer sind nicht die Antwort auf Berlins Müllproblem

Statt beim Müll kurzfristig auf Lösungen zu drängen, beschäftigt Friedrichshain-Kreuzbergs Bürgermeisterin sich mit Grundsatzfragen. Ärgerlich, findet unser Autor.

Es ist ein hehres Ideal: eine Welt, in der weniger verschwendet, weniger verschmutzt, weniger weggeworfen wird. Eine Welt mit weniger Müll. Wenn Clara Herrmann, die Bezirksbürgermeisterin von Friedrichshain-Kreuzberg, ein Verbot von Plastik- und Einwegverpackungen fordert, stellt sie genau dieses Ideal vor Augen. Und es wäre schön, wenn es einträte. Plastik in Vogelmägen, Müllberge in Entwicklungsländern, jetzt auch überlaufende Abfalleimer in Berlins Parks: Niemand freut sich über diese Schattenseiten der Zivilisation.

Aber was Clara Herrmann da vorschlägt, ist auch eine wohlbewährte Ablenkungsstrategie: Hast du ein Problem, dann mache jemand anderen dafür verantwortlich. Parks werden vermüllt, Eimer zu selten geleert? Dann schmeißt halt weniger rein.

Statt auf die kurzfristige Lösung des Problems zu drängen und angesichts der anstehenden Haushaltsverhandlungen Druck auf die Landespolitik zu machen, um das Budget für Parkpflege zu erhöhen, konzertiert sich die Grüne vom linken Flügel ihrer Partei auf Grundsatzfragen.

Das ist grundsätzlich löblich, aber ganz konkret ärgerlich. Solange die Lebensmittelhändler dieses Landes Chips, Pflaumen und Kaktus-Eis nun einmal in Plastikverpackungen verkaufen, muss es für Berlins Bürger und Besucher einen Weg geben, die auch unterwegs korrekt zu entsorgen. Dafür braucht es nicht weniger Eimer, wie Herrmann es fordert, sondern mehr.

Auch für Essen und Getränke, die in unserer schnelllebigen Gesellschaft immer mehr unterwegs verzehrt werden, im Gehen, auf der Kralle, braucht es eine kluge Abwägung aus kurzfristiger Abhilfe und langfristigen Änderungen am Lebensstil. Wenn auf To-Go-Boxen künftig Pfand fällig wäre, würde die Mehrzahl ihrer Nutzer sie nicht trotzdem einfach wegwerfen? Oder würde das schon jetzt flaschensammelnd durch die Grünanlagen ziehende Entsorgungsprekariat dann künftig auch benutzte Döner- und Currybehälter mitnehmen – und davon leben müssen, dass die Wohlhabenden dieser Stadt zu bequem sind?

Das ist vielleicht die allererste Lehre aus dem Müllproblem: Wir alle müssen ein Stück weit anpacken.

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