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© picture alliance / dpa/Patrick Pleul

Invasive Wildtiere in Berlin: Was tun, wenn man einen Waschbärwelpen findet?

Ein Busfahrer findet einen kleinen Waschbären und ruft die Polizei. Die lässt das Tier nach Rücksprache mit einem Experten wieder laufen. Hat sie richtig gehandelt?

Es steht außer Frage, dass Waschbärwelpen im BVG-Bus eine goldene Gelegenheit für erfolgreiche Facebook- oder Twittereinträge darstellen. Das dachte sich am Mittwochmorgen auch die Berliner Polizei, nachdem sie am Vorabend ein niedliches Tierchen aus einem Linienbus geholt und die Freilassung des „flauschigen Schwarzfahrers“ dokumentiert hatte. Die Reaktionen ließen nicht lange auf sich warten: „Wie süß!“, „einfach wunderbar!“, war dort zu lesen. Aber auch der Vorwurf, man habe ein hilfloses Tierbaby dem sicheren Tod preisgegeben.

Bei solchen Gelegenheiten kommen öfter nette Fotos von Rettern in Uniform zustande, doch die Angelegenheit wirft eine Frage auf: Anders als bei verirrten Enten oder Füchsen macht sich grundsätzlich strafbar, wer invasive Tierarten wie Waschbären aus menschlicher Obhut in die freie Wildbahn entlässt.

„Bitte bedenken Sie, dass auch ein Waschbärwelpe, der sich einmal in Menschenhand befunden hat, nicht wieder freigesetzt werden darf! Zuwiderhandlung kann mit bis zu 50.000 Euro bestraft werden.“ So warnt die Berliner Umweltverwaltung auf einer eigenen Seite zum Umgang mit Waschbären. Das habe seine Richtigkeit, bekräftigt auch der Senats-Wildtierexperte Derk Ehlert.

Kennt die Polizei das geltende Recht nicht, welches in diesem Fall auf eine EU-Verordnung zum Schutz der Artenvielfalt vor invasiven Arten zurückgeht? Auch ein Blick in vergangene Postings der Polizei mit „Waschbärencontent“ lässt Zweifel an ihrer Kenntnis des Gesetzes aufkommen.

In diesem Fall aber habe die Polizei richtig gehandelt, urteilt Derk Ehlert. Die Beamten hätten das Tier nicht in Obhut genommen, sondern in Absprache mit dem zuständigen Stadtjäger am Fundort wieder laufenlassen. Das mache den entscheidenden Unterschied. Doch wie kam es zu dem Vorfall, und ab wann geht die Zuwendung hilfsbereiter Menschen in solchen Fällen zu weit?

Ein Fahrer der BVG habe am Dienstagabend an einer Endhaltestelle in der Nähe des Tempelhofer Feldes pausiert, teilt die Polizeipressestelle mit. Direkt am Zaun zum ehemaligen Flugfeld stand der Bus, zum Lüften waren alle Türen geöffnet. Als er nach einer Stunde gegen 19 Uhr seinen Dienst fortsetzen wollte, entdeckte der verdutzte Fahrer zwei Waschbärwelpen im hinteren Teil des Linienbusses und rief die 110.

Eins der Jungtiere lief davon, das andere war später auf den Fotos zu sehen. Auf fachlichen Rat von Björn Lindner von der Naturschutz- und Rangerstation Marienfelde wurde der Welpe ganz in der Nähe aus einem Pappkarton geholt und ausgesetzt. Er habe keinen Grund dafür gesehen, das Tier zu töten. Auch eine Inobhutnahme sei nicht infrage gekommen: „Der Waschbär war in einem Top-Zustand“, sagt der Wildtierexperte. Mit einer Wärmebildkamera konnte er noch am Abend beobachten, wie sich ein Elterntier des verlorenen Welpen annahm.

„Es ist eine Grauzone“, sagt Claudia Harnisch vom Wildtiertelefon des Naturschutzbundes (Nabu) Berlin über den richtigen Umgang mit Waschbären. In der Fachwelt gingen die Meinungen auseinander, wie schädlich das einst aus Pelzfarmen entlaufene Tier wirklich für die heimischen Ökosysteme ist. Auch der Ranger Björn Lindner vermisst in Berlin eine belastbare Strategie für den Waschbären.

Fest steht allerdings: Hat man aus vermeintlicher Tierliebe einen Waschbären gefüttert und verbotenerweise bei sich aufgenommen, kann er wegen seiner Einstufung als invasive Tierart nicht wieder ausgewildert werden. Mit Sondergenehmigungen dürfen einige von ihnen kastriert in Gefangenschaft leben. Fraglich, ob das im Sinne des Tierwohls ist, meint der Stadtranger. Ansonsten sind die Pelztiere eine Angelegenheit für Stadtjäger: 181 Waschbären wurden in den vergangenen zwei Jahren im Berliner Raum erlegt.

Generell rät Derk Ehlert den Berlinern bei Begegnungen mit Stadtwild zu Zurückhaltung: „Lasst die Wildtiere in Ruhe“, sagt der Experte. Bei Jungtieren blieben gute Wildtiereltern in nicht sichtbarer Nähe. Im Fall des Waschbären gilt das offenbar sogar bis zu 48 Stunden.

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