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Berlin: „Keine Anklage aus Volkszorn“

Im Verfahren zur Bankaffäre wehren sich Chefermittler Wulff und Generalstaatsanwalt Karge gegen politischen Druck

Von Frank Matthias Drost

und Fatina Keilani

Bei den Ermittlungen gegen Verantwortliche der Bankgesellschaft Berlin wehrt sich die Staatsanwaltschaft gegen politischen Druck. „Wir stehen vor einem Dilemma“, sagte Generalstaatsanwalt Hansjürgen Karge dem „Handelsblatt“. „In Berlin herrscht der Eindruck vor, wenn ein großer Schaden entstanden ist, muss auch jemand eine strafbare Handlung begangen haben. Das aber ist der Geisteszustand primitiver Kulturen.“

Ob Initiative Berliner Bankenskandal oder parlamentarischer Untersuchungsausschuss – an die Aufklärung eines der größten Wirtschaftsskandale in Deutschland werden enorme Erwartungen geschürt. Die Staatsanwälte rechnen aber nicht damit, sie erfüllen zu können. „Eine Anklage aus Volkszorn wird es nicht geben“, sagt der leitende Oberstaatsanwalt und Chef der Sonderermittlungsgruppe Bankgesellschaft, Claus-Peter Wulff. Die Bankgesellschaft selbst wollte zum Stand der Ermittlungen keine Angaben machen.

Ob es im Fondsgeschäft zu Anklagen kommen wird, kann Karge nicht sagen. „Wenn wir zu einem konkreten Straftatverdacht kommen, werden wir anklagen. Wir dürfen aber nur anklagen, wenn eine Verurteilung wahrscheinlich sein wird. Das ist noch offen.“

„Wir sind keine Masochisten“, sagt auch Wulff. „Wir beschäftigen uns nicht jahrelang mit diesem Thema, wenn wir nicht guter Dinge wären, dass etwas dabei herauskommt.“ Derzeit konzentriert sich die Staatsanwaltschaft auf zwei Pilotverfahren bei den Publikumsfonds. Hier lautet der Anfangsverdacht auf Untreue zum Nachteil der Fondgesellschaften durch Einkauf nicht preisgerechter Objekte.

Ist der Aufwand für die beiden Pilotverfahren schon enorm, so ist er für den ganzen Bankenskandal riesig. Die Akten und Dateien füllen einen Saal von der Größe einer Turnhalle (der Tagesspiegel berichtete). Insgesamt sind 40 Leute mit der Aufklärung beschäftigt, davon 13 Staatsanwälte. „So einen Aufwand hat es in Deutschland noch nicht gegeben“, sagt Karge. Noch hat die Mammut-Arbeit aber nicht zu einem Verfahren im Kernbereich der Fast-Bankenpleite – den Immobilienfonds – geführt. Es wurden erst sieben Anklagen erhoben, aber schon 67 Verfahren eingestellt. 45 Verfahren sind noch offen.

In den meisten offenen Verfahren geht es um Untreue. Wulff verweist auf ein Grundproblem: „Wir können unternehmerische Entscheidungen nicht nur deshalb als Untreue anklagen, weil sie uns aus heutiger Sicht nicht passen. Ich kann unternehmerische Entscheidungen nur zur Anklage bringen, wenn sie auch aus damaliger Sicht gänzlich unvertretbar waren.“ Untreue setze den Nachweis der bewussten Pflichtverletzung und Schädigung voraus, was sehr schwer zu beweisen sei.

Dass Karge, der in seiner Behörde umstritten ist, sich jetzt zu Wort meldet, mag überraschen. Mit Justizsenatorin Karin Schubert (SPD) liegt er seit längerem im Clinch, weil er sich mehrfach über Schuberts Weisungen hinwegsetzte. Die Ermittlungen zur Bankaffäre haben das Verhältnis endgültig zerrüttet. Schubert ließ Karge im Herbst 2002 durch das Abgeordnetenhaus abwählen, Karge klagte sich auf seinen Posten zurück.

Umfangreiche Geschäfte mit Immobilienfonds hatten die Bankgesellschaft an den Rand des Ruins gebracht. Die hohen Risiken fallen dem Land als Mehrheitsgesellschafter der Bank zur Last. Um eine Insolvenz abzuwenden, bürgte Berlin für fällige Garantieleistungen in Höhe von bis zu 21,6 Milliarden Euro in den kommenden 25 Jahren. Das rief den Protest vieler Bürger hervor – so versucht die Initiative Berliner Bankenskandal ein Volksbegehren durchzusetzen. Der Antrag liegt derzeit beim Verfassungsgericht Berlin. An größeren Verfahren läuft derzeit nur der Betrugsprozess gegen die Aubis-Manager Klaus Wienhold und Christian Neuling. Im Mai beginnen Prozesse gegen die ehemaligen Landesbank-Manager Ulf-Wilhelm Decken und Jochem Zeelen wegen Bilanzfälschung und Untreue.

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