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Berlin: Keiner will das Spandauer Tor haben

Zum zweiten Mal stand die Bauruine zur Versteigerung, doch nicht einmal für das Mindestgebot rührte sich eine Hand

Aus den Betonskeletten der beiden unvollendeten Rohbauten in Haselhorst ragen die Stümpfe der vier Treppenhaustürme in den grauen Januarhimmel. Bretterzäune sichern die offenen Fassaden. Das zwölfgeschossige Bürogebäude dahinter ist zwar fertiggestellt, doch auch dort fehlt es an Leben. Nur Graffiti-Sprayer fühlen sich hier zu Hause, wie die Fensterfront der Galerieetage zeigt. Das Erdgeschoss des „Spandauer Tors“ wird – zweckentfremdet – als Lagerraum genutzt.

Das hatte sich der Unternehmer Gyula Fritz einst ganz anders vorgestellt. Rückblick: Kurz nach der Vereinigung spekuliert der Investor, wie so viele andere auch, auf den schnellen Zuzug von Firmen und Verbänden, im einsetzenden Bauboom will sich Fritz ein Stück des großen Kuchens sichern. Seine Pläne sind ehrgeizig. Im bezirklichen Rathaus verspricht man sich vom „Spandauer Tor“ ein neues Wahrzeichen. Beiderseits der Straße Am Juliusturm sollen riesige Gebäudekomplexe entstehen. Für den Entwurf der Glaspaläste wird der Stararchitekt Claude Vasconi verpflichtet. 1993 beginnen die Arbeiten am Nordkomplex.

Die Telekom will in den Prunkbau einziehen, doch das Kommunikationsunternehmen überlegt es sich anders und springt wieder ab. Da herrscht in der Hauptstadt längst ein Überangebot an Bürofläche. Der Zuzugsboom bleibt aus. Mangels neuer Mieter stoppt Fritz das Projekt 1995 – gut ein Viertel der geplanten Investitionssumme von 800 Millionen Mark ist damals, so heißt es, bereits verbaut. Ein harter Schlag auch für den Hauptgläubiger des Pleiteobjektes, die zur Bankgesellschaft Berlin gehörende BerlinHyp.

Immer wieder beteuert die Bank, man sei mit neuen Interessenten im Gespräch. Sogar von einem Weiterbau mit Fertigstellung des Nordkomplexes bis 2001 – vom Südteil spricht niemand mehr – ist die Rede. Doch jeder Vermarktungsversuch verläuft im Sande. Lediglich Produzenten von Fernseh-Krimis interessieren sich für die Bauruine, die sich so gut als Kulisse für den letzten Showdown zwischen Ganoven und Gesetzeshütern eignet. Im Juni 2002 scheitert die erste Zwangsversteigerung mangels Geboten.

13. Januar 2004, der – vorerst – letzte Akt des Dramas: „Vasconi Architecte“ steht gleich neben der Bauruine auf dem blauen Firmenschild am denkmalgeschützten Backsteingebäude der ehemaligen Pulverfabrik. Neben den Klingelknöpfen stehen diverse Firmennamen, doch hier öffnet niemand mehr. Szenenwechsel: Zwei Kilometer weiter, im Saal 140 des Spandauer Amtsgerichtes am Altstädter Ring, verliest Rechtspflegerin Karen Reinhardt die Ausschreibung: zwölfgeschossiges Bürogebäude mit integriertem Parkhaus, 25900 Quadratmeter Nutzfläche, 1995 weitgehend fertiggestellt. Zwei weitere Bürogebäude, bisher nur teilweise fertig gestellt. Instandsetzungsbedürftiges, zweigeschossiges Backsteingebäude, erbaut um 1890, mit vier Wohn- oder Gewerbeeinheiten. Eine ursprünglich zum Abriss vorgesehene Fabrikantenvilla, Baujahr circa 1920. Die eingetragenen Grundschulden summieren sich auf eine 250 Millionen Euro, 51 Millionen macht die Bank geltend. Der Verkehrswert ist nur noch auf 14 Millionen Euro festgelegt worden, für ein Mindestgebot von sieben Millionen könnte das Objekt den Besitzer wechseln. Doch neben Bankern, Eigentümer-Vertretern und Journalisten ist nur ein wortkarger junger Mann erschienen, der Nachfragen stellt, telefonieren geht, aber nicht bietet. Er vertritt eine Spandauer Firma. Man habe bisher nur ein vages Interesse und noch „überhaupt kein Konzept“, heißt es später bei der Arnold Kuthe Baugesellschaft.

Eine halbe Stunde muss Karen Reinhardt auf Angebote warten, so verlangt es das Gesetz. Zur Halbzeit bietet die Vertreterin der BerlinHyp selbst sechs Millionen Euro. Das ist zwar zu wenig, aber ein Trick. So kann das Gericht das Verfahren nicht einstellen. Stattdessen gibt es einen neuen Termin, voraussichtlich im Oktober. Dann gilt keine Mindestsumme mehr, doch muss die Bank ein ihr zu niedriges Angebot nicht akzeptieren. Vorerst wird weiter nach Investoren gesucht.

Rainer W. During

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