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Landgericht Berlin und Staatsanwaltschaft Berlin.

© dpa/SONJA WURTSCHEID

Mordprozess in Berlin: „Am allerwenigsten bereit, keine gute Mutter zu sein“

Nach einer Krebsdiagnose wollte eine 25-Jährige sich und ihren zweijährigen Jungen töten. Er starb, sie nicht. Die Mutter steht nun wegen Mordes vor Gericht.


Sie liebe ihr Kind mehr als alles andere, schrieb Anja N. und versuchte, ihren Entschluss zu erklären. Nach einer Krebsdiagnose wollte sie nicht nur ihr eigenes Leben beenden, sondern auch ihren Sohn töten. Weil sie „weder bestehende Behandlungs- und Therapiemöglichkeiten mit ihren Wertevorstellungen vereinbaren konnte noch den Gedanken, dass ihr Sohn ohne sie aufwachsen könnte“, heißt es in der Anklage. Der Zweijährige starb, Anja N. nicht. Wegen Mordes steht sie seit Freitag vor dem Landgericht.

Ein Bild des Jammers bot sie nun. Immer wieder liefen ihr die Tränen über das Gesicht. In einem Abschiedsbrief, den sie vier Tage vor der Tat verfasst hatte, zählte sie Dinge auf, zu denen sie nicht bereit sei – nicht bereit für Therapien, am „allerwenigsten bereit, keine gute Mutter zu sein“. Im Prozess äußerte sie sich zunächst nicht. Der Verteidiger sagte, Anja N. (Name geändert) beziehe sich auf ihre Angaben gegenüber einem psychiatrischen Gutachter. Der Sachverständige wird in der Regel am Ende der Beweisaufnahme befragt.

Was am Morgen des 2. Oktober vorigen Jahres in einer Wohnung in Gesundbrunnen geschah, wird in der Anklage als heimtückischer Mord aus niedrigen Beweggründen gewertet. Ihr Entschluss, sich und auch den kleinen Jungen umzubringen, sei „von massiver Eigensucht geprägt“, heißt es in der Anklage. Bei der Tat habe sie ausgenutzt, dass der Vater des Jungen in einem anderen Zimmer fest geschlafen habe.

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Erst soll sie Tabletten in Wasser aufgelöst und dem kleinen Felix in Tötungsabsicht eine größere Menge von Schmerz- und Beruhigungsmitteln verabreicht haben. Daraufhin sei der Junge bewusstlos geworden, aber nicht gestorben. Nachdem sie selbst verschiedene Medikamente eingenommen und sich Insulin gespritzt habe, soll sie sich gemeinsam mit dem Kind in die befüllte Badewanne gelegt haben. Dabei habe sie den Jungen „mutmaßlich mit beiden Armen an sich gepresst, sodass er mit dem Gesicht im Wasser lag und ertrank“.

Der Ehemann und Vater hatte den Zweijährigen und dessen Mutter schließlich gegen Mittag gefunden. „Felix lag leblos auf ihrer Brust“, schilderte der 26-jährige Buchhalter im Prozess. Seine Frau habe geatmet, sei aber nicht ansprechbar gewesen. Bei seinem Jungen habe er keine Lebenszeichen feststellen können. Sofort habe er den Notruf gewählt und versucht, den Kleinen zu reanimieren. Jede Hilfe kam zu spät.

Anja N. und ihr Mann hatten 2019 geheiratet, im Frühjahr 2022 zogen sie von Heidelberg nach Berlin. Zu ihren Eltern habe zuletzt kein Kontakt mehr bestanden, so der Buchhalter. Sie hätten sich in Berlin auch kein Netzwerk von Freunden und Bekannten aufbauen können. Nach der Diagnose Brustkrebs im Juni 2023 sei seine Frau zwar nachdenklicher geworden. Doch mit einer solchen Tat habe er nicht gerechnet – „das Thema Tod ist vorher nicht gefallen“. Sie hätten ein zweites Kind gewollt.

Der Mann im Zeugenstand machte seiner Frau keine Vorwürfe. Er besuche Anja N., die sich derzeit im Haftkrankenhaus befindet, regelmäßig. „Ich werde für sie da sein.“ Für den Prozess sind bislang zwei weitere Verhandlungstage bis zum 13. März vorgesehen.

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