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Freiwilligentage Berlin 2022. Aktion beim Stadtteilzentrum am Mehringplatz in Berlin-Kreuzberg am 9. September 2022.

© Foto: TSP/Kitty Kleist-Heinrich

Berlins Ehrenamtliche in Kiezen aktiv: „Ich entferne die Vogelkacka aus den Rillen“

Tausende Berliner:innen machen in diesem Jahr bei der „Gemeinsamen Sache“ mit. Sie verschönern die Kieze, gärtnern, helfen anderen – für jeden ist was dabei.

„Wat sind wir, Siggi?”, ruft Benita zu ihrem Mitstreiter. „Na, Ehrenamt!”, antwortet der. Beide stehen im interkulturellen Garten des Stadtteilzentrums F1 in Kreuzberg. Es ist der erste Tag der Berliner Freiwilligentage „Gemeinsamen Sache“. Obwohl es gerade erst losging, ist das Haus bereits voller helfender Hände.

Benita hatte es heute Morgen nicht weit, sie zeigt Richtung Lindenstraße, die parallel verläuft. „Wir wohnen schon ewig hier. Und finden’s im F1 gemütlich und nett, kommen zum Sport vorbei.” Dann wendet sich Benita wieder der Holzbank zu, an der sie gerade werkelt. Was sie da macht? „Ich entferne die Vogelkacka aus den Rillen. Hab’ zwei Wellensittiche zu Hause, da dachte ich, das ist das Richtige für mich”, erklärt die 78-Jährige lachend.

Benita ist heute eine von rund 50 Freiwilligen, die sich angemeldet haben, im F1 mitzuhelfen. Die Aufgabe? Gemeinsam mit den Engagierten das Haus schöner gestalten. Es soll ein offener und inklusiver Ort für alle Nachbar:innen und Nutzer:innen des Hauses werden. Laura arbeitet für den Verein Mina, der sich vor allem für Menschen mit Behinderung und Fluchthintergrund einsetzt. Die 36-Jährige klebt gerade die Flurwände ab, die neu gestrichen werden sollen. „Das Haus hat so viel Potenzial”, schwärmt sie. „Wenn wir es schön herrichten, profitieren nicht nur wir, sondern auch unsere Klienten davon.”

Die Engagierten verpassen den Wänden des Stadtteilzentrums am Mehringplatz einen neuen Anstrich.

© Foto: TSP/Kitty Kleist-Heinrich

Dann ruft jemand: „Musik!” Bisher hörte man nur die Schleifwerkzeuge aus dem Innenhof, dazwischen das Lachen und Quatschen der etwa 20 bereits im F1 Mithelfenden. Dann wird arabische Popmusik aufgedreht, und die Stimmung wird noch besser. Aus der Kantine, die der Verein „Kreuzberger Musikalische Aktion“ hier betreibt, strömt schon der Duft von allerhand Gewürzen. Hier wird veganes sowie vegetarisches Essen gekocht und zum kleinen Preis angeboten.

„Wegbegleiter” steht auf dem grünen Shirt von Marie Hosten. Sie arbeitet als Beauftragte für das F1 im Freiwilligenmanagement des Unionhilfswerks und begrüßt gerade eine Gruppe junger Leute. Auf Englisch bespricht sie sich mit den Interessierten, beschreibt, was zu tun ist.

„Who wants to paint?”, wer malen möchte, fragt sie. Vier Hände werden gehoben, eine gehört Avantika. Sie ist mit ihrem Team von einem großen Unternehmen gekommen. „Wir alle kommen aus dem Ausland, arbeiten und leben hier und wollten etwas zurückgeben an den Kiez, etwas tun, was sinnvoll ist.” Ihr Arbeitgeber gewähre ihnen zwei Tage pro Jahr zum „Volunteering”, erklärt Avantika. „It’s gonna be fun”, es wird bestimmt Spaß machen, ist sie sich sicher.

Im Stadtteilzentrum F1 am Mehringplatz soll ein Ort für alle Nachbar:innen und Nutzer:innen des Hauses zum Begegnen und Ausruhen entstehen.

© Foto: Tagesspiegel/Kitty Kleist-Heinrich

Uns ist wichtig, die Vielfalt des Engagements sichtbar zu machen. Wir wollen zeigen: Unabhängig vom Geschlecht, Hintergrund, Alter, ob mit oder ohne Behinderung – jede:r kann sich engagieren.

Daniel Büchel, Projektleiter Freiwilligenmanagement Stiftung Unionhilfswerk Berlin

Projektleiter Daniel Büchel sagt, dass sich zunehmend Unternehmen, die mehr soziale Verantwortung tragen wollen, bei ihm melden. Manche kommen nur für eine Aktion wie die Freiwilligentage vorbei, andere erscheinen immer wieder. Grundsätzlich findet er, die „Gemeinsame Sache” sei eine schöne Gelegenheit, um mal in die Arbeitsfelder reinzuschnuppern und mit Menschen in Kontakt zu kommen. „Uns ist es dabei auch wichtig, die Vielfalt des Engagements sichtbar zu machen. Wir wollen zeigen: Unabhängig vom Geschlecht, Hintergrund, Alter, ob mit oder ohne Behinderung – jede:r kann sich engagieren.”

An die Freiwilligenagentur kann sich wenden, wer sich engagieren will

Nächste Station: der Stand der Freiwilligenagentur Willma vor dem Haus der Parität. Eine Frau blättert gerade die Flyer auf dem sonnenbeschienenen Tisch durch, „ich wollte mal schauen, bis mein Bus kommt”. Auch der mit Angeboten gespickte Schaukasten bei der Bushaltestelle an der Urbanstraße zieht immer wieder Blicke auf sich.

An Willma kann sich wenden, wer sich engagieren will, aber vielleicht noch nicht weiß, wo und wie. „Wir erfüllen quasi eine Brücken- und Filterfunktion”, erklärt Andrea Brandt, die die Freiwilligenagentur seit 2004 leitet. „Wir schauen mit den Menschen gemeinsam, was zu ihnen passt.” Manche würden sich eher in ihrer Nähe engagieren wollen, beispielsweise in Nachbarschafts-Netzwerken, die viele ältere, sich einsam fühlende Menschen in Anspruch nehmen. Andere haben ein thematisches Interesse, wollen sich etwa im Themenbereich Umwelt engagieren.

Willma arbeitet aber auch über Friedrichshain-Kreuzberg hinaus. „Hier im Bezirk gibt’s zum Beispiel kein Tierheim. Wenn jemand also ein Herz für Tiere hat, vermitteln wir die Person gern auch überbezirklich”, so Brandt. Dabei findet sie es wichtig, auch kleine Organisationen zu unterstützen, die weniger Zulauf haben als die großen Verbände. Und auch während das Engagement läuft, ist Willma für die Freiwilligen da: „Wir bestärken die Beteiligten auch, sich einzubringen, wenn sie etwas verändern wollen.”

Eine Auswahl an Aktionen

Bis einschließlich 18. September können Interessierte bei mehr als 300 verschiedenen Aktionen in allen Bezirken vorbeischauen und mitmachen.

So werden am heutigen Samstag, 10. September, Aktive von GoNature und der Lebenshilfe von 11 bis 14 Uhr bei einer inklusiven Mitmachaktion in den Gemeinschaftsgärten auf dem Tempelhofer Feld Wassercontainer auffüllen und Beete bewässern.

Initiativen wie Changing Cities, Kiezconnect oder Friday for Future Berlin laden am Sonntag ab 13 Uhr zum „Berliner Kiezgipfel“ vor dem Roten Rathaus ein. Mit dem Motto „Heute Stadt Morgen!“ wollen sie „auf Augenhöhe“ mit Vertreter:innen von Politik und Verwaltung über Probleme wie Wohnungsnot, den Stadtverkehr und Diskriminierung diskutieren.

Auch zum Digitalen können sich Interessierte weiterbilden: Am Montag, 12. September, findet von 14 bis 17 Uhr ein „Digitales Camp“ im Senioren Computerclub Berlin-Mitte (Fischerinsel 10) statt. Freiwillige helfen bei dem Termin bei Problemen rund um das Smartphone oder das Tablet.

Ein andere große Veranstaltung ist die Berliner Freiwilligenbörse. Die dritte Vor-Ort-Börse findet am Donnerstag, den 15. September, von 12 bis 16 Uhr in Neukölln auf dem Campus Rütli statt (Rütlistraße 35). Schwerpunkt ist die Demokratieförderung für und mit Kindern und Jugendlichen. In Zusammenarbeit mit dem Team des Berliner Demokratietags präsentiert die Freiwilligenbörse rund 20 Infostände von Organisationen, die engagierte Menschen suchen.

Vor und nach dem World Cleanup Day am 17. September wird bei über 20 Müllsammelaktionen aufgeräumt. Fast schon traditionell sind die Aufräumaktionen im Hundeauslaufgebiet Düppeler Forst (Bismarckstraße 69 in Wannsee) und am Engelbecken (Bürgervereins Luisenstadt e.V., beide Aktionen starten um 10 Uhr). Am Landwehrkanal und im Reichenbergerkiez in Kreuzberg packen jugendliche Teilnehmer:innen eines Freiwlligendienstes mit an.

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