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Katharina Günther-Wünsch (CDU) ist seit wenigen Wochen Berlins Bildungssenatorin.

© picture alliance/dpa/Jörg Carstensen

Pläne gegen Berlins Lehrkräftemangel: Lehrer mit anderen Aufgaben sollen zurück an die Tafel

In Berlin fehlen derzeit über 1000 volle Stellen für den Unterricht. CDU-Bildungssenatorin Günther-Wünsch will nun sogenannte Abordnungen prüfen.

Die Frage gilt als Running Gag in Berlins Lehrerzimmern und als ewiges Rätsel unter Schulpolitikern: Wie viele ausgebildete Lehrkräfte befinden sich trotz Personalmangels nicht vor der Klasse, sondern erledigen andere Aufgaben?

Nun könnte es einen Schritt nach vorn in Sachen Transparenz geben, denn die schwarz-rote Regierung will sogenannte Abordnungen etwa in die Schulinspektion, in die Referendarausbildung oder in die Bildungsverwaltung „kritisch prüfen“ sowie Fort- und Weiterbildungen „auch durch externe Kooperationen“ ermöglichen. Was aber gibt es da zu holen?

Genau diese Frage ist es, die Berlins neue Bildungssenatorin Katharina Günther Wünsch (CDU) schon geraume Zeit umtreibt, weshalb sie noch als Abgeordnete kurz vor der Wahl 2023 eine entsprechende parlamentarische Anfrage stellte. So wurde bekannt, dass allein in der Fort- und Weiterbildung knapp 1400 Stellen stecken, während in Berlin aktuell über 1000 volle Stellen für den Unterricht fehlen.

Die Abordnung von mehreren Hundert Lehrkräften an die Senatsbildungsverwaltung muss überprüft werden. 

Vereinigung der Schulleitungen in der GEW

1400 Stellen für die Fort- und Weiterbildung

Dieser Posten von 1400 Stellen ist zwar der größte, macht aber nur einen Teil der vielen Abordnungen aus. Weitere knapp 320 Stellen nehmen die Fachseminare für die Ausbildung der Referendare in Anspruch, 100 Stellen die Arbeit der Personalvertretungen, drei Dutzend die Schulpsychologie. Kleinere Volumen gehen an Einrichtungen wie die Schulinspektion und die Hochschulen.

Intransparent aber bleibt der besonders oft kritisierte Posten, nämlich die Freistellung vom Unterricht zugunsten der Arbeit in Senatsverwaltungen wie etwa die Innenbehörde oder die Bildungsverwaltung selbst. Diesen Bereich wollte Günther-Wünsch schon 2022 beleuchten und fragte daher nach der Zahl der „abgeordneten Lehrer als mögliche Joker im Personalkrimi“. Woraufhin Staatssekretär Alexander Slotty (SPD) die Abgeordnete dahingehend belehrte, dass sie „umgangssprachliche Formulierungen“ nutze, die keine Entsprechung in den Daten der Behörde habe.

Wie viele ehemalige Lehrkräfte in den langen Fluren der Bildungsverwaltung verschwanden, bleibt nebulös. Es gibt zwar die Angabe, dass dort „147 Personen ganz oder teilweise“ vom Unterricht freigestellt wurden. Aber dazu kommen die Lehrkräfte, die ganz in die Behörde wechselten. Auf die Frage der Christdemokratin, wie oft eine für ein Schuljahr ausgesprochene Abordnung denn verlängert werden könne, antwortete Slotty, das sei „nicht geregelt“.

An 470 von 635 öffentlichen Schulen fehlt Personal

Die Schulen wollen sich mit diesen vagen Angaben nicht mehr abfinden. Die Vereinigung der Schulleitungen in der GEW fordert daher, die „Abordnung von mehreren Hundert Lehrkräften an die Senatsbildungsverwaltung zu überprüfen“. Ausgangspunkt der Forderung ist, dass zum Sommer abermals rund 1000 Lehrkräfte fehlen.

Dies führt dazu, dass keine Schule 100 Prozent ihrer Stellen füllen darf, selbst wenn sie könnte. Dies führt dazu, dass keine Schule 100 Prozent ihrer Stellen füllen darf, selbst wenn sie könnte: Schulen in bei Lehrkräften beliebten Regionen mit gutbürgerlicher Schülerschaft wie in Steglitz-Zehlendorf sind gezwungen, Bewerber wegzuschicken. Die Bildungsverwaltung hofft, dass sie den Mangel auf diese Weise gerechter verteilen kann.

Eine Ballettausbildung ist personalintensiv. Diese Zusatzkosten leistet sich kaum ein Bundesland.

© Foto: Christophe Gateau/dpa

Bislang gibt es diese Gerechtigkeit nicht: Günther-Wünschs Anfrage ergab, dass aktuell 104 von 122 Sekundarschulen unterausgestattet sind. Bei den Grundschulen und Gymnasien ist das Verhältnis zwar günstiger. Insgesamt aber gilt, dass von 635 Schulen 470 offene Stellen haben.

Für Maja Lasic und Marcel Hopp, die beiden Bildungspolitiker in der SPD-Fraktion, steht daher fest, dass der „im letzten Jahr begonnene Weg der behutsamen Abordnungen, weiter fortgesetzt werden müsse. Voraussetzung dafür sei, dass nur in den Bereichen die Abordnungen reduziert werden dürften, „die nicht zulasten der Qualität und Schulentwicklung gehen“. Eine flächendeckende Rückkehr von Abordnungen oder das Auslagern von qualitativen Aufgaben auf Externe könne „nicht unsere Antwort auf den Mangel sein“.

Allein 550 Stellen dienen den Eliteschulen zur „Profilbildung“

Jenseits der Abordnungen gibt es allerdings noch viel mehr interessante Zahlen rund um die Verteilung des Schulpersonals. So ist den Antworten der Bildungsverwaltung auf Günther-Wünschs Anfrage zu entnehmen, dass weitere 1100 Stellen für die Profilbildung der Schulen eingesetzt werden und dabei allein 550 für die Berliner Eliteschulen. Die 110 Stellen, die zusätzlich in die Sprachprofile der rund 34 bilingualen Europaschulen fließen, nehmen sich daneben bescheiden aus.

Die Bildungspolitiker haben inzwischen einiges Interesse an diesen Ausstattungsvorsprüngen gewonnen. Aufmerksam wurden sie auf die Vorsprünge spätestens seit dem Skandal um die Ballettschule. Dabei kam heraus, dass die Personalkosten für Lehrkräfte pro Schüler an der Staatlichen Schule für Ballett und Artistik 2020 rund 16.000 Euro lag, hingegen an einer allgemeinbildenden Schule im Schnitt bei 5500 Euro.

Einen Gesamtwert für die drei Eliteschulen des Sports lieferte die Bildungsverwaltung nicht. Aber es wurde damals eine Angabe zum Schul- und Sportleistungszentrum in Hohenschönhausen gemacht. Sie besagte, dass die Personalkosten etwa 9200 Euro pro Schüler und Jahr betrugen.

Angesichts solcher üppigen Ausstattung löste es einige Empörung aus, als kürzlich bekannt wurde, dass zwei Elietschulen des Sports – das Leistungszentrum sowie die Flatow-Schulen – kleinere Klassen als vorgeschrieben einrichteten. Diese bedeutet, dass sie mehr Lehrkräfte behalten als ihnen eigentlich zustehen - trotz des grassierenden Lehrkräftemangels.

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